13.09.2024

Die Krankenhausinsolvenz, ein Risiko für die medizinische Zulieferungsindustrie

A. Die drohende Krankenhausinsolvenzwelle

Insolvenzen von Krankenhäusern häufen sich. Die Inflation und die steigenden Personal- und Energiekosten setzen die Kliniken zunehmend unter Druck. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ging 2023 von einem strukturellen Defizit bundesweit von 10 Milliarden Euro aus. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach selbst spricht davon, dass bis 2030 rund 25 Prozent der bestehenden Kliniken Insolvenz anmelden und ggf. schließen müssen.

B. Wann liegt Insolvenzantragspflicht vor?

Eine haftungsbeschränkte Gesellschaft (Krankenhäuser sind i.d.R. in solchen organisiert) ist insolvenzantragspflichtig, wenn sie überschuldet (§ 19 InsO) oder zahlungsunfähig (§ 17 InsO) ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn keine hinreichende Liquidität mehr besteht, um Zahlungsverpflichtungen pünktlich zu erfüllen. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung ist überwiegend wahrscheinlich. Als Lieferant erkennt man meistens die Insolvenzgefahr eines Vertragspartners erst, wenn Zahlungen länger ausbleiben oder bereits ein Insolvenzantrag gestellt ist.

C. Folgen einer Insolvenz

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, drohen nicht nur Verluste aus offenen Rechnungen, sondern auch künftiger Umsatzausfall und schlimmstenfalls sogar die Anfechtung bereits erhaltener Zahlungen. In einer Insolvenz wird das schuldnerische Vermögen bestmöglich verwertet – zur Befriedigung der Gläubiger. Wenn allerdings eine Betriebsschließung erfolgt, führen hohe Abwicklungskosten und sehr geringe Verwertungserlöse zu regelmäßig enttäuschenden Insolvenzquoten auf die Forderungen der Gläubiger.

D. Sicherungsmöglichkeiten

Um mit einer Befriedigungserwartung nicht auf eine spätere Insolvenzquote beschränkt zu sein, bieten sich mehrere Strategien an:

  • Vorkassezahlungen, Abschläge oder enge Abrechnungsmethoden.
  • Sicherungsvorbehalte (z.B. Eigentumsvorbehalt), die zur Konsequenz haben, dass im Insolvenzfall die gelieferten Gegenstände nicht Teil der Insolvenzmasse werden. Nachteilig ist, dass z.B. bei raschem Verbrauch der gelieferten Ware ein Eigentumsvorbehalt auch ins Leere laufen kann.
  • Drittsicherheiten von solventen Sicherungsgebern (Bürgschaft, Garantie, Schuldbeitritt oder dergleichen).
  • Warenkreditversicherung, die die Zahlung der Klinik garantiert. Hierfür fallen freilich Versicherungsprämien an. Daneben prüft die Versicherung die Bonität der Klinik. Ist diese schlecht, wird keine Versicherung angeboten oder es kommt zu quantitativen Einschränkungen.
E. Was tun im Fall der Insolvenz?

Der gesicherte Lieferant ist bei Kenntnis eines (vorläufigen) Insolvenzverfahrens seines Kunden gehalten, seine Sicherheit geltend zu machen. Beim Eigentumsvorbehalt ist Adressat dieser Geltendmachung der (vorläufige) Insolvenzverwalter.

Idealerweise wird bereits eine drohende Insolvenz vom Lieferanten frühzeitig erkannt und damit verbundene Risiken minimiert oder vermieden. Somit ist es wichtig, die Insolvenzindizien zu erkennen. Eine spätere Optimierung in der Krise kommt oft zu spät.

Sobald ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt wurde, treffen bei Lieferanten i.d.R. alsbald Schreiben ein, dass eine Sanierung des Klinikbetriebs angestrebt wird und daher die weitere Belieferung gewünscht wird, jedoch offene Rechnungen für frühere Lieferungen (Altverbindlichkeiten) nicht mehr gezahlt werden können. Die Zahlungen für neu gelieferte Waren kann unter bestimmten Voraussetzungen hingegen zugesagt werden. Da fast sämtliche Insolvenzverwalter diese Dinge mit hinreichender Professionalität handhaben, ist auf solche Zusagen i.d.R. auch Verlass. Insofern ist eine weitere Belieferung – jedenfalls für einige Monate bei guten Sanierungsaussichten – i.d.R. auch vertretbar.

F. Zusammenfassung

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Drittsicherheiten stets sinnvoll sind, wenn sich ein solventer Sicherungsgeber finden lässt. Eigentumsvorbehalte sind abhängig von den gelieferten Gegenständen sinnvoll und sollten in die eigenen Lieferbedingungen aufgenommen werden. Engere Abrechnungsmethoden sind ebenfalls stets nützlich.

Im Bereich der Insolvenz gilt, dass der Vorausschauende eigentlich wenig zu befürchten hat, wenn er sich an einige, wenige Grundregeln hält. Insbesondere sollte klar sein, dass eine traditionsbegründete Vorleistung an eine Klinik in der aktuellen Zeit ein Risiko darstellt, das man nicht unentgeltlich eingehen sollte.

Autor/in
Gunnar Müller-Henneberg

Gunnar Müller-Henneberg
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