02.03.2020
Der britische Berufungsgericht, der Court of Appeal, hat mit seinem Urteil vom 27. Februar 2020 den Ausbau des Londoner Flughafens Heathrow vorerst gestoppt. Die Richter befanden, dass die Pläne zur Errichtung einer neuen Start- und Landeplan ohne Berücksichtigung des Pariser Klimaabkommens und nationaler Klimaschutzziele zustande gekommen und aus diesem Grund rechtwidrig seien.
Der Flughafen London Heathrow ist mit 80 Millionen Passagieren jährlich der größte Flughafen Europas und der sechstgrößte weltweit. Zu den zwei vorhandenen Start- und Landebahnen sollte nun eine Dritte hinzukommen. Gegen diese Pläne hatten Umweltorganisationen, Anwohnergruppen und sogar der Bürgermeister von London geklagt. Insgesamt waren drei verschiedene Klagen eingereicht worden, die Verstöße gegen Naturschutz- und Klimaschutzrecht zum Inhalt hatten. Während die Klagen in der ersten Instanz noch abgewiesen worden waren, gab der Court of Appeal den Klägern nun Recht.
Der Court of Appeal hatte sich mit verschiedenen Rechtsfragen rund um das geplante Großprojekt auseinanderzusetzen. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Richter war schließlich die Nichtbeachtung des Pariser Klimaabkommens.
Großbritannien hatte 2016 das Pariser Klimaabkommen ratifiziert und sich damit international verpflichtet, daran mitzuwirken, den Temperaturanstieg auf unter 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Zudem hatte sich das Land dem Ziel verpflichtet, bis 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen.
Dennoch wurden diese Vorgaben des Pariser Klimaabkommens bei der Planung des Ausbaus des Flughafens London Heathrow nicht beachtet. Vielmehr waren die Verantwortlichen der Ansicht, dass sie rechtlich nicht dazu verpflichtet seien, Klimaschutzziele zu berücksichtigen.
Dieser Ansicht trat der Court of Appeal mit seinem Urteil entgegen. Durch die Ratifizierung des völkerrechtlichen Vertrages habe sich die Regierung an das Abkommen gebunden. Aus diesem Grund seien die Klimaschutzziele bei Entscheidungen der Regierung zu berücksichtigen. Bei der Planung des Flughafenausbaus habe das Pariser Klimaabkommen jedoch keine Berücksichtigung gefunden. Damit sei der Beschluss der Errichtung einer dritten Start- und Landebahn rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Da die Bekämpfung des Klimawandels eine Angelegenheit von höchster nationaler und internationaler Wichtigkeit sei, müsse ein Verstoß auch dazu führen, dass der Beschluss des Vorhabens keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten könne. Die Richter erklärten den Beschluss deshalb für rechtswidrig.
Den Richtern des Court of Appeal war es wichtig, dass ihr Urteil nicht missverstanden wird. Das Urteil schließt deshalb mit einer Zusammenfassung der Gründe, mit der die Richter noch einmal hervorheben, was ihre Entscheidung bedeutet – und was nicht.
Insbesondere schließt die Entscheidung eine weitere Start- und Landebahn am Flughafen Heathrow nicht für alle Zeiten aus. Die Richter erklärten zwar die Entscheidung der Regierung zur Errichtung der Start- und Landebahn für unrechtmäßig, nicht jedoch den Flughafenausbau an sich. Ob eine dritte Start- und Landebahn mit den Klimaschutzzielen Großbritanniens vereinbar sei, könne das Gericht nicht entscheiden, diese Einschätzung obliege der Regierung.
Die Regierung könnte also – unter Berücksichtigung der verbindlichen Klimaziele – erneut einen Ausbau des Flughafens beschließen. Die dritte Landebahn ist damit noch nicht endgültig ausgeschlossen. Allerdings erscheint eine Weiterverfolgung dieses Projekts unter der Regierung von Boris Johnson eher unwahrscheinlich. Der Premierminister zählt zu den erklärten Gegnern der Erweiterung des Flughafens und hatte bereits angekündigt, sich notfalls vor die Baumaschinen zu legen, um das Vorhaben zu stoppen.
Gleichwohl stellt das Urteil eine bahnbrechende Entscheidung dar. Denn das Berufungsgericht hat erstmalig klargestellt, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens für die britische Regierung verbindlich sind und bei Entscheidungen berücksichtigt werden müssen.
Die nationalen und internationalen Klimaschutzziele einfach zu ignorieren, so wie bei der Planung der Flughafenerweiterung geschehen, ist nun nicht mehr möglich. Wird dennoch eine Entscheidung ohne Berücksichtigung der Klimaschutzziele getroffen, zieht dies die Rechtswidrigkeit des Beschlusses nach sich. Das Urteil zeigt damit deutlich, welche Macht dem Pariser Klimaabkommen nach britischem Recht innewohnt. Auch der deutschen Rechtsordnung ist die Notwendigkeit, klimaschützende Zielsetzungen bei emissionsintensiven Planungsvorhaben zu berücksichtigen, nicht fremd. Bereits 2009 war der Bebauungsplan für das Steinkohlekraftwerk Datteln IV von dem OVG NRW u.a. mit der Erwägung für nichtig erklärt worden, bei seiner Aufstellung seien die landesplanerischen Zielsetzungen für den Klimaschutz nicht hinreichend berücksichtigt worden (OVG Münster, Urteil vom 3. September 2009 - 10 D 121/07).
Dr. Gernot-Rüdiger Engel
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