22.12.2016

Doppelt hält besser – auch bei Schriftformklauseln

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22.12.2016

Doppelt hält besser – auch bei Schriftformklauseln

Eine Entscheidung des Court of Appeal of England and Wales schafft neue Fakten für das englische Vertragsrecht. Das Gericht stellte fest, dass mündliche Abreden trotz Schriftformklausel zu einer wirksamen Vertragsänderung führen können. Was im deutschen Recht schon ein alter Hut ist, muss in Verträgen, die englischem Recht unterliegen, nun dringend berücksichtigt werden: Nur sog. doppelte Schriftformklauseln schließen Vertragsänderungen durch nachträgliche mündliche Abreden wirksam aus.

Die Entscheidungen des Court of Appeal
Schon in dem vorangegangenen Fall Globe Motors Inc v TRW Lucas Variety Electric Steering Ltd & Others (2016, EWCA Civ 396) hatte der Court of Appeal in einem obiter dictum festgestellt, welche signifikanten Auswirkungen mündliche Abreden im Lichte des Grundsatzes der Privatautonomie und des Grundsatzes der Vertragsfreiheit haben können. In jenem Fall ging es darum, ob ein Dritter, nämlich eine Firma namens Porto, Vertragspartei geworden war, obwohl dergleichen nie schriftlich festgehalten wurde. Fest stand: Porto wurde von den anderen Vertragsparteien über einen langen Zeitraum als Vertragspartei behandelt. Allein dadurch könne, so erwog das Gericht im unverbindlichen obiter dictum, die vertragliche Vereinbarung, dass Vertragsänderungen nur schriftlich vorgenommen werden können, außer Kraft gesetzt worden sein.

Im jüngst entschiedenen Fall MWB Business Exchange Centres Ltd. v Rock Advertising Ltd (2016, EWCA Civ 553) legte der Court of Appeal sich nun verbindlich fest: Eine von Kaufleuten vertraglich vereinbarte Schriftformklausel steht nachträglichen mündlichen Vertragsänderungen nicht entgegen. Hintergrund des Falles war, dass die Parteien einen Mietvertrag abgeschlossen hatten. Da die Rock Advertising Ltd in Zahlungsschwierigkeiten geriet, vereinbarten die Parteien mündlich eine teilweise Stundung. Anschließend erkannte die Vermieterin die geänderten Zahlungsmodalitäten nicht an und klagte auf den vollen Mietzins. Das erstinstanzliche Gericht gab noch der Klägerin recht. Es stellte fest, dass die mündliche Vertragsänderung nicht wirksam sein könne, da der Vertrag eine Schriftformklausel aufwies, die Vertragsänderungen unter einen Schriftlichkeitsvorbehalt stellte. Die Berufungsinstanz ging in ihren Entscheidungsgründen jedoch davon aus, dass die Vertragsänderung trotz Schriftformklausel wirksam ist. Die Vertragsfreiheit von zwei Unternehmern sei – so das Gericht – einer der wichtigsten Prinzipien des englischen Rechts. Deshalb müsse es in einem Vertrag zwischen Kaufleuten möglich sein, den Vertrag auch ohne Einhaltung der Schriftform ändern zu können. Es stützte diese Entscheidung unter anderem auch auf eine Aussage, die im Fall Alfred C. Beatty v Guggenheim Exploration Company and Others (1919, 225 NY 380) gemacht wurde:

„Those who make a contract, may unmake it. The clause which forbids a change, may be changed like any other. The prohibition of oral waiver, may itself be waived […]”.

Damit wurde die alte Rechtsprechung aufgegeben.

Rechtslage in Deutschland
Hierzulande ist anerkannt, dass Klauseln, die eine Schriftform für Vertragsänderungen vorsehen, mündlich geändert werden können. Aus diesem Grund wird auf sog. doppelte Schriftformklauseln zurückgegriffen. In vielen Verträgen ist die folgende Klausel zu finden:

„Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für einen Verzicht auf dieses Schriftformerfordernis selbst.“

Damit wird sichergestellt, dass jegliche Vertragsänderungen – auch solche, die die Aufhebung der Schriftformklausel selbst betreffen – nur schriftlich erfolgen können.

Praxishinweis
Die Entscheidung des englischen Berufungsgerichts ist für die gerichtliche und außergerichtliche Rechtsdurchsetzung von erheblicher praktischer Relevanz. So muss beim eigenen und beim gegnerischen Vortrag genau darauf geachtet werden, ob Umstände vorgetragen werden, die auf eine mündliche oder konkludente Vertragsänderung der Schriftformklausel hindeuten.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
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Simon Heetkamp
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