25.02.2020
Es ist ein Urteil mit Sprengkraft. Sowohl für den am Rechtsstreit unmittelbar beteiligten Fußball-Zweitligisten Hannover 96 als auch für den gesamten (Profi-)Fußball sowie den Sport insgesamt. Das Arbeitsgericht Hannover hat nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) Mitte Januar 2020 entschieden, dass die Befristung des zwischen Hannover 96 und seinem Sportlichen Leiter, Gerhard Zuber, geschlossenen Arbeitsverhältnisses unwirksam ist. Setzt sich diese Rechtsauffassung durch, drohen – erneut – erhebliche Umwälzungen im Sportbereich.
Mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 2018 (Az. 7 AZR 312/16), nach der die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Lizenzspielern der 1. Fußball-Bundesliga regelmäßig sachlich gerechtfertigt sind, und des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 15. März 2018 (Az. 9 Sa 1399/16), nach der zumindest die zwischen dem DFB und den einzelnen Schiedsrichtern geschlossenen Rahmenvereinbarungen nicht als Arbeitsverträge zu qualifizieren sind, schienen zwei Fragestellungen, die die Sportrechtspraxis zuletzt verstärkt umtrieben, – zumindest zeitweise – gelöst. Mit der nunmehrigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover wird der scheinbar unendlichen Geschichte „Arbeitsrecht im Sport“ ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Ob es sich hier um eine „Büchse der Pandora“ handelt, bleibt abzuwarten.
Ist das mit einem sogenannten Funktionär geschlossene Dienstverhältnis ein Arbeitsverhältnis und liegen die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetztes (TzBfG) nicht vor, bedarf die Befristung des Arbeitsverhältnisses für ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Für die Befristung dieser Funktionärsverträge wird – so wie auch regelmäßig bei Trainern und Sportlern (vgl. hierzu Tilch, NJW-Spezial 2017, 114 f.) – in der Regel der sogenannte „Verschleißtatbestand“ nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG (Eigenart der Arbeitsleistung) als Rechtfertigungsgrund herangezogen. Durch die Befristung des Arbeitsverhältnisses soll einem Verschleiß des Funktionärs durch längere Ausübung derselben Tätigkeit und den damit verbundenen mannigfaltigen negativen Konsequenzen auf den Fußball-Club und insbesondere dessen sportliche Leistungsfähigkeit entgegengewirkt werden. Einen solchen Verschleiß bzw. die Gefahr eines solchen hat das Arbeitsgericht Hannover laut HAZ vorliegend allerdings nicht erkannt und dementsprechend die Befristung des zwischen Hannover 96 und Herrn Zuber bestehenden Arbeitsverhältnisses mangels Vorliegens eines Sachgrunds für unwirksam erklärt. Folge: Das Arbeitsverhältnis gilt als unbefristet, sollte es Hannover 96 nicht gelingen, das Urteil in den Folgeinstanzen noch abändern zu lassen. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre regelmäßig nur noch durch Ausspruch einer Kündigung und unter Beachtung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) möglich. Erforderlich wäre demnach primär das Vorliegen eines gesetzlich anerkannten Kündigungsgrunds. Ob dieser im Einzelfall gegeben wäre, ist fraglich.
Es verwundert dementsprechend nicht, dass Hannover 96 ausweislich einer Mitteilung des Sportbuzzers nunmehr angekündigt hat, das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom Niedersächsischen Landesarbeitsgericht überprüfen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als nun auch Jan Schlaudraff, Vorgänger von Gerhard Zuber bei Hannover 96 in der aktuellen Position, laut Sportbuzzer angekündigt haben soll, u. a. die wiederum mit ihm vereinbarte Befristung seines Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen. Hannover 96 droht also eine Kettenreaktion.
In seinem nunmehrigen Ansinnen wird Hannover 96 im Übrigen offenbar von der DFL unterstützt, die unlängst bereits gegenüber der HAZ mitgeteilt haben soll, dass sie der Auffassung sei, dass es auch im Hinblick auf die im sportlichen Bereich eines Lizenzclubs verantwortlichen Angestellten Besonderheiten im Profifußball gebe, die eine Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigen. Mittelbar spricht diese Aussage der DFL einen weiteren wichtigen Punkt an und spannt damit den Bogen zu den anderen Fußballligen sowie anderen Sportarten. Denn es ist nicht absehbar, ob eine etwaig abweichende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen oder des Bundesarbeitsgerichts in der vorliegenden Angelegenheit auch auf Funktionäre in den unteren Ligen oder in anderen Sportarten übertragen werden könnte. Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner o. g. Entscheidung beispielsweise regelmäßig mit den Besonderheiten im „kommerzialisierten und öffentlichkeitsgeprägten Spitzenfußball” argumentiert. Vorbehaltlich einer Gesetzesänderung oder einer grundsätzlichen strukturellen Änderung stellen befristete Arbeitsverhältnisse im Sport somit auf allen Ebenen grundsätzlich weiterhin ein nicht unerhebliches Risiko dar, für das sich der Sport wappnen sollte.
Thorsten Tilch
Senior Associate
Leipzig
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