20.03.2024
Nach langen Verhandlungen und Diskussionen sowie zahlreichen Änderungen wurde in der letzten Woche der Entwurf der „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ („CSDDD“), die Lieferkettenrichtlinie der Europäischen Union, durch eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten beschlossen. Nachdem zeitweise das gesamte Gesetzesvorhaben als gescheitert galt, soll es nun doch zu einer europaweiten Verpflichtung von Unternehmen zur Überwachung der Wahrung der Menschenrechte sowie umweltbezogener Standards in ihrer Wertschöpfungskette kommen.
Wir fassen für Sie die zentralen Punkte nachfolgend zusammen.
Am 23. Februar 2022 präsentierte die EU-Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Nachhaltigkeitsbereich. Die EU-Gesetzgeber haben sich dabei im Dezember 2023 auf einen Entwurf der Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Ziel ist es, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln zu fördern und die negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu minimieren.
Nach Diskussionen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament konnte am 14. Dezember 2023 eine vorläufige Einigung zu den Inhalten der Richtlinie erzielt werden. Die Abstimmung über diesen Kompromiss im Rat wurde unter anderem aufgrund der Unsicherheiten über die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland mehrfach verschoben.
Schließlich kam es am 15. März 2024 trotz der bestehenden Unwägbarkeiten zu einer Abstimmung im Rat. Trotz der Enthaltung Deutschlands fand der Kompromiss eine Mehrheit und wurde somit offiziell angenommen. Die jetzige Einigung auf die Lieferkettenrichtlinie bringt einige Erneuerungen und Verpflichtungen für europäische Unternehmen mit sich.
In Deutschland gilt bereits seit dem 1. Januar 2023 das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“). Das Gesetz sieht seit dem 1. Januar 2024 Pflichten zur Überwachung der Lieferkette für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern vor. Insbesondere müssen betroffene Unternehmen eine Risikoanalyse für ihre Zulieferer durchführen und bei Feststellung eines Risikos oder einer Verletzung von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Vorschriften Maßnahmen ergreifen.
Der Entwurf des Lieferkettenrichtlinie weist im Vergleich zum LkSG deutlich strengere Regelungen auf. Dadurch signalisiert die EU das Bestreben, europaweit Unternehmen zum nachhaltigen Handeln anzuhalten. Die Lieferkettenrichtlinie umfasst insbesondere folgende Unterschiede gegenüber dem LkSG:
Im Gegensatz zum LkSG gilt die Lieferkettenrichtlinie nur für bestimmte Rechtsformen (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, offene Handelsgesellschaften sowie Kommanditgesellschaften). Unternehmen des Sektors „Financial Services“ (insbesondere Banken und Versicherungen) sollten zunächst auch von den Regelungen erfasst sein, sie wurden nun jedoch vorübergehend vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Dafür wurde eine Überprüfungsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehung des nachgelagerten Finanzsektors auf der Grundlage einer ausreichenden Folgenabschätzung vorgesehen.
Der Anwendungsbereich der Lieferkettenrichtlinie bestimmt sich im Gegensatz zur nationalen Regelung nicht ausschließlich über die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, sondern auch über den Umsatz des Unternehmens. Die europäische Regelung umfasst grundsätzlich Unternehmen, die
Erfasst sind zudem Muttergesellschaften, die zusammen mit ihren Tochtergesellschaften diese Grenzwerte überschreiten.
Neu eingefügt wurde die Regelung, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Unternehmen erfasst sind, die in der EU Franchise- oder Lizenzvereinbarungen gegen Lizenzgebühren mit unabhängigen Drittunternehmen geschlossen haben oder Muttergesellschaft solcher Unternehmen sind.
Darüber hinaus gelten die Sorgfaltspflichten der Richtlinie auch für Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Nettojahresumsatz von 450 Mio. EUR in der EU erwirtschaften. Auch für Unternehmen aus Drittstaaten kann eine konsolidierte Betrachtung bei einer Muttergesellschaft mit mehreren Tochtergesellschaften erfolgen und Franchise- und Lizenzvereinbarungen können unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden.
Ebenso wie das LkSG sieht die Lieferkettenrichtlinie eine schrittweise Einführung der Sorgfaltspflichten vor. Zunächst sollen lediglich große Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitern und hohen Umsätzen unter die Richtlinie fallen. Die Grenzwerte für die Anzahl der Mitarbeiter und den Nettoumsatz unterschieden sich dabei für die verschiedenen Unternehmen. Für Unternehmen innerhalb der EU treten die Regelungen beispielsweise zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von 1.500 Mio. EUR in Kraft.
Ferner definiert die Lieferkettenrichtlinie die Wertschöpfungskette umfassender als das LkSG. Die Wertschöpfungskette der europäischen Regelung umfasst dabei die eigenen Geschäftstätigkeiten, die eigenen direkten und indirekten Lieferanten, die eigene Nutzung der Produkte einschließlich der Wertschöpfungskette der Tochtergesellschaften.
Die Erweiterung der Definition der Wertschöpfungskette soll sicherstellen, dass die Unternehmen sämtliche Aktivitäten in ihrer Lieferkette bewerten und entsprechend in die Verantwortung für Verletzungen von Sorgfaltspflichten genommen werden können.
Die Etablierung eines Prozesses zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten der Lieferkettenrichtlinie sind an die OECD-Leitlinien angelehnt. Sie entsprechen zudem in vielen Punkten den Pflichten des LkSG.
Die Lieferkettenrichtlinie sieht insbesondere die nachfolgenden Verpflichtungen für betroffene Unternehmen vor:
Zur sachgerechten Umsetzung der Sorgfaltspflichten plant die die EU-Kommission die Veröffentlichung branchenspezifischer Leitfäden.
Neben der Umsetzung der genannten Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen Klimapläne verabschieden. Diese sollen die Vereinbarkeit des Geschäftsmodells und der Geschäftsstrategie mit dem Ziel der Klimaneutralität gewährleisten. Die Klimapläne sind im Einklang mit den Klimazielen des Pariser Übereinkommens zu erstellen.
Nach umfassender und langwieriger Ausarbeitung der Lieferkettenrichtlinie wurde mit der Verabschiedung im Rat eine klare Ausrichtung für ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Wirtschaften geschaffen.
Mehrere Unternehmen hatten sich für eine europaweite Regelung ausgesprochen, um durch die bereits bestehenden nationalen Verpflichtungen durch das LkSG keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Vielfach wurden jedoch auch Bedenken geäußert, dass die Sorgfaltspflichten zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand insbesondere für mittelständische Unternehmen führen könnten. Mit der gestaffelten Einführung der Pflichten kann dieser Sorge zumindest teilweise Rechnung getragen werden.
Ob die Lieferkettenrichtlinie tatsächlich einen Beitrag zur Wahrung der Menschenrechte sowie zum Umwelt- und insbesondere zum Klimaschutz leisten kann oder ob die weitreichenden Verpflichtungen lediglich einen hohen Bürokratieaufwand mit geringen Nutzen auslösen, wird sich zeigen.
Anja Wechsler
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