12.10.2018

Fotoaufnahmen in Marketing, PR & Co – verdrängt die DSGVO das KUG und wenn ja, welche Konsequenzen drohen?

Blog

Hintergrund

11.10.2018

Fotoaufnahmen in Marketing, PR & Co – verdrängt die DSGVO das KUG und wenn ja, welche Konsequenzen drohen?

Schon vor dem 25. Mai 2018 wurde medial diskutiert, welche Fragen die DSGVO hinsichtlich der Aufnahme, Veröffentlichung und Verbreitung von Fotografien aufwirft (Vgl. Rechtsicher fotografieren und veröffentlichen). Da auch das Fotografieren von Personen grundsätzlich eine Form der Datenerhebung ist und die DSGVO mit dem Ziel eingeführt wurde, das Datenschutzniveau nicht nur europaweit zu vereinheitlichen, sondern die Rechte betroffener Personen insgesamt zu stärken, stellt sich insbes. die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Fotografien von Personen noch zu kommerziellen Zwecken angefertigt werden dürfen.

Klar dürfte sein, dass die kommerzielle Anfertigung und Nutzung von Fotografien mit Personen aus der heutigen Welt der social media nicht mehr wegzudenken ist. Ebenso erscheint es für Unternehmen unerlässlich, Fotos auf (Fach)-Messen oder auch firmeninternen Veranstaltungen, aber auch Fotos von Mitarbeitern eines Unternehmens anzufertigen.
 

Was hat sich geändert?

Vor Geltung der DSGVO galt für Juristen über 100 Jahre lang der status quo, demzufolge sich die Zulässigkeit der Veröffentlichung und Verbreitung von Fotografien allein nach dem Kunsturhebergesetz („KUG“) richtete. Denn es war einhellige Auffassung, dass das KUG dem BDSG a.F. vorging. Für Juristen stellt sich nun die Frage, wie im Zeitalter der DSGVO das Verhältnis der bisher gut bekannten Grande Dame des deutschen Medienrechts zur europarechtlich vereinheitlichten Datenschutzrechtslage einzuordnen ist.

Zwar enthält die DSGVO in Art. 85 DSGVO eine Eröffnungsklausel für nationale Sonderbestimmungen in Bezug auf das Spannungsverhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit. Umstritten ist jedoch schon, ob hierunter auch vor Geltung der DSGVO existierende Gesetze per se fallen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dem vorstehenden Instrumentarium jedenfalls noch keinen Gebrauch gemacht und das KUG noch nicht durch einen legislativen Akt zur ausdrücklichen Sonderbestimmung i.S.d. DSGVO erklärt.

Aber hat die neue Rechtslage überhaupt rechtspraktische Auswirkungen beziehungsweise ist die Diskussion über das Verhältnis von DSGVO und KUG nicht viel mehr eine Diskussion im juristischen Elfenbeinturm? Klar dürfte jedenfalls sein, dass entgegen der teilweise medial verbreiteten Hysterie die kommerzielle Fotografie von Personen auch weiterhin schon irgendwie möglich seien wird. Niemand wird ernsthaft erwarten, dass z.B. Messeveranstaltungen zukünftig mittels Warn- und Hinweisschilder zu fotofreien Zonen erklärt werden oder bei zukünftigen Marketingauftritten nur noch verpixelte Menschen in Erscheinung treten. Die diesbezüglichen Entwicklungen jedoch gänzlich zu ignorieren, empfiehlt sich indes nicht. Denn Fakt ist, dass Fotografen und Unternehmen bei Datenschutzverstößen weitaus empfindlichere Sanktionen als früher drohen. Praktiker sollten zwar nicht in Panik verfallen und die kommerzielle Fotografie ganz einstellen. Jedoch stellen sich verschiedene relevante Frage wie:
 

  • Muss ich als Fotograf/Unternehmer eine schriftliche Einwilligung der fotografierten Person einholen, insbes. wenn diese nur als Beiwerk erkennbar sind?
  • Kann eine fotografierte Person ihre Einwilligung widerrufen?
  • Sollten Gesichter auf zu veröffentlichenden Bildern vorsichtshalber verpixelt werden?
  • Sollte ich mit einer abgebildeten Person einen Lizenzvertrag abschließen?


Zunächst ist aber zu erörtern, in welchen Fällen überhaupt ein Konkurrenzverhältnis zwischen den oben aufgeführten Regelwerken denkbar ist.
 

Welche Aufnahmen fallen nicht unter die DSGVO?

Dabei ist in einem ersten Schritt herauszufinden, welche Fotografien nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen. Denn im Rahmen medialen DSGVO-Hysterie wurde vielfach außer Acht gelassen, dass nicht jedes personenbezogene Datum ein solches im Sinne der DSGVO ist.

So sind dem Anwendungsbereich der DSGVO zweifellos solche Daten entzogen, die im privaten, familiären Bereich entstehen. D.h. es ist weiterhin ohne Bedenken möglich, Bilder von Familienmitgliedern und Freunden anzufertigen und im privaten Bereich zu teilen. Auch betrifft die DSGVO lediglich personenbezogene Daten. Daher greift die DSGVO auch dann nicht, wenn Personen lediglich anonymisiert – z.B. durch Verpixelung – erkennbar sind.

Zudem beinhaltet die DSGVO selbst Ausnahmen im Bereich der klassischen Kunstfotografie oder des klassischen investigativen Fotojournalismus. Andere Diskussionen beziehen sich zudem auf pressrechtliche Spezialthemen, die hier nicht erörtert werden sollen.

Der hier zu untersuchende Hauptanwendungsfall dürfte die klassische kommerzielle Fotografie insbes. im Bereich des Unternehmensmarketings sein.
 

Nicht hinsichtlich jeder fotografischen Handlung besteht Gesetzeskonkurrenz

Auch ist zwischen der Aufnahme eines Fotos und dessen anschließender Veröffentlichung beziehungsweise Verbreitung zu unterscheiden. So ist zunächst festzuhalten, dass das KUG nach seinem eindeutigen Wortlaut die Veröffentlichung und Verbreitung von Aufnahmen, nicht jedoch deren Aufnahme selbst regelt.

Das bedeutet, dass sich die Zulässigkeit der kommerziellen Anfertigung einer Aufnahme allein nach der DSGVO richtet. Erst im Rahmen der Veröffentlichung beziehungsweise Verbreitung stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von DSGVO und KUG.
 

Welche Unterschiede bestehen konkret?

Die Frage der jeweiligen Anwendbarkeit der im Raum stehenden Gesetze ist deshalb relevant, da DSGVO und KUG ähnliche, aber in durchaus relevanten Punkten unterschiedliche Rechtfertigungstatbestände aufweisen.

Zwar ist sowohl nach DSGVO als auch nach KUG eine Veröffentlichung von Bildern bei Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich zulässig. Ein entscheidender Unterschied liegt jedoch darin begründet, dass die Einwilligung nach DSGVO jederzeit frei widerruflich ist, während der Abgebildete nach KUG an seine einmal erteilte Einwilligung grundsätzlich gebunden ist. Insbesondere die freie Widerruflichkeit einer Einwilligung stellen für Unternehmen unwägbare Risiken dar.

Des Weiteren ist nach KUG die Veröffentlichung von Fotos auch aufgrund des Vorliegens bestimmter Situationen zulässig. Zu denken ist insbes. an die Fälle, bei denen sogen. Personen der Zeitgeschichte abgebildet werden oder wenn Abgebildete nur als bloßes Beiwerk des Bildes in Erscheinung treten.

Auch die DSGVO kennt neben der Einwilligung weitere Rechtfertigungstatbestände. Ein für die Praxis relevanter Erlaubnistatbestand ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (Erfüllung eines Vertrages). Die Rechtfertigung ergibt sich daraus, dass die Anfertigung eines Bildes der Erfüllung eines Vertrages dient oder ein notwendiger Bestandteil dessen ist. Diese Fallgruppe dürfte vor allem bei vertraglich vereinbarten Abbildungen von Kooperationspartnern oder Models eingreifen. Vorteilhaft an dieser Fallgruppe ist, dass bei schriftlichen Verträgen ein Nachweis der Rechtfertigung in der Regel rechtssicher gelingen wird. An einen Vertrag sind die Parteien naturgemäß auch gebunden, weshalb Widerruf, Rücktritt, Kündigung etc. nicht ohne weiteres möglich sind.

Ein weiterer bedeutender Rechtsfertigungstatbestand ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (Interessenabwägung), wonach eine Bildaufnahme auch dann gerechtfertigt ist, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Aufnehmenden erforderlich ist und nicht die Interessen und Grundfreiheiten der aufgenommenen Personen überwiegen. Dieser Rechtfertigungstatbestand dürfte insbes. für Aufnahmen von unternehmensexternen Personen relevant sein, zu denen regelmäßig keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Zu denken sind insbes. an die Fälle, wo Personen z.B. auf Veranstaltungen nur beiläufig – ähnlich wie bei der oben aufgeführten Fallgruppe des „Beiwerks“ im KUG – im Hintergrund fotografiert werden. Je nach den Umständen des Einzelfalles würde man annehmen, dass sich die abgebildete Person nach allgemeiner Lebenserfahrung der Möglichkeit bewusst sein müsste, auf Fotos abgebildet zu werden. Problematisch hieran ist jedoch die nicht zu unterschätzende Unwägbarkeit. Denn dieser Rechtfertigungstatbestand knüpft an eine Einzelfallabwägung an und ist naturgemäß mit Rechtsunsicherheiten behaftet ist. Vorsorglich empfiehlt es sich daher, Besucher von Veranstaltungen auf die Möglichkeit von Fotoaufnahmen proaktiv – z.B. beim Eintritt oder auf der Eintrittskarte – hinzuweisen.
 

Erste Tendenzen in der Rechtspraxis

Inzwischen liegen auch erste gerichtliche Entscheidungen in Bezug auf die vorstehend aufgeworfenen Fragen vor.

So hat das OLG Köln (OLG Köln, Beschluss vom 18.06.2018 – 15 W 27/18 ) entschieden, dass sich die Öffnungsklausel aus Artikel 85 DSGVO nicht nur auf neue, sondern auch auf bestehende Gesetze bezieht. Daher sei auch das KUG jedenfalls dann von der vorstehenden Eröffnungsklausel erfasst, soweit Fotografien zu journalistischen Zwecken angefertigt werden. Damit nimmt das OLG Köln zwar in erster Linie zu einem presserechtlichen Spezialthema und nicht allgemein zum Hauptanwendungsfall der kommerziellen Fotografie zu Marketingzwecken Stellung. Jedoch ist dieser Entscheidung zu entnehmen, dass auch das KUG als nationale Sonderregelung grundsätzlich unter Beachtung der europarechtlichen Rechtsprechung weiter gilt.

Offen bleibt, ob die weitere Rechtsprechung dieser Einschätzung auch in Bezug auf kommerziell genutzte Fotografien ohne journalistischem Hintergrund folgt. Die vorstehende Entscheidung spricht jedenfalls dafür, dass die Öffnungsklausel der DSGVO die Anwendbarkeit des KUG nicht generell ausschließt. Das OLG Köln hat insoweit die Anwendbarkeit auf solche Gesetze, die bereits vor Inkrafttreten der DSGVO entstanden sind, explizit betont.

Ausdrücklich zur Verbreitung von Foto- und Videoaufnahmen zum vorstehenden Hauptanwendungsfall des Marketings entschied zuletzt das LG Frankfurt am Main (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.09.2018 – 2-03 O 283/18). Das Gericht ließ die Frage nach dem Verhältnis von DSGVO und KUG jedoch bewusst offen. In der Entscheidung stellte die Kammer aber fest, dass die kommerzielle Verbreitung von Bildnissen einer Kundin eines Frisörsalons weder nach DSGVO noch nach KUG zulässig gewesen sei. Denn im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gelang es der Antragsgegnerin nicht, die ausdrückliche oder konkludente Einwilligung der Kundin in die Aufnahme und anschließenden Verbreitung auf der Facebook Fanpage des Frisörsalons von mit ihr abgebildeten Bildnissen glaubhaft zu machen. Insoweit stellte das Gericht darauf ab, dass sowohl nach DSGVO als auch nach KUG der Grundsatz des Erfordernisses der Einwilligung der abgebildeten Person gelte. Auch die weiteren Rechtfertigungstatbestände waren nach beiden Rechtsgrundlagen nicht einschlägig. So vertrat das Gericht die Auffassung, dass der bereits oben aufgeführte Rechtfertigungstatbestand aus Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO nicht eingreife. Denn im Rahmen einer Interessenabwägung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verwendung bildlicher Aufnahmen von Kunden als erforderlich im Sinne der vorstehenden Norm anzusehen seien, auch wenn dem Erwägungsgrund 47 DSGVO der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung grundsätzlich ein berechtigtes Interesse zu entnehmen sei. Auch habe keine typische Situation vorgelegen, bei der ein Kunde mit der Aufnahme von Bildnissen und deren Verwendung zu Werbezwecken im Internet hätte rechnen müssen.

Interessant an der vorstehenden Entscheidung dürfte sein, dass sich nach beiden Rechtsgrundlagen die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der Aufnahme und Verbreitung von Bildaufnahmen neben dem Vorhandensein einer Einwilligung meist immer nach einer vorzunehmenden Interessenabwägung richtet. Hier hat das LG Frankfurt am Main klargestellt, dass das Werbeinteresse des Unternehmens nicht automatisch vor den Interessen der abgebildeten Person überwiegt. Als mögliches Abwägungskriterium hat das Gericht insbes. die vernünftigen Erwartungen eines Kunden hinsichtlich der Möglichkeit der Aufnahme und Verbreitung von Bildern genannt. Danach müsste den Interessen des Abgebildeten wohl im Regelfall Vorrang einzuräumen sein.

Die Entscheidung verdeutlicht, wie heikel es ist, wenn sich Marketing-Verantwortliche allein auf den Rechtsfertigungstatbestand aus Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO stützen. Jedenfalls in den Fällen, bei denen abgebildete Personen nicht nur als Beiwerk in Erscheinung treten, empfiehlt sich die weitere rechtliche Absicherung. Sofern sich die Auffassung durchsetzt, dass das KUG auch im nichtjournalistischen Bereich gilt, bietet die schriftliche Einwilligung eine hierfür weiterhin sichere, wenn auch in vielen nicht immer praktikable Möglichkeit. Bis das Verhältnis der beiden Gesetze jedoch höchstrichterlich geklärt ist, empfiehlt sich wegen der jederzeitigen Widerruflichkeit der Einwilligung im Bereich der DSGVO der zusätzliche Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung, damit sich Unternehmen im Zweifelsfall zusätzlich auf Art. 6 lit. b) DSGVO berufen können. Denn wer etwas vertraglich gestattet, wird sich davon nach dem altbekannten Grundsatz pacta sunt servanda auch weiterhin nicht einfach lossagen können.

 

  

Sebastian Laoutoumai, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht
Senior Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Essen
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