26.07.2016

Gesetzesentwurf zu SachverständigerR

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Hintergrund

18.08.2016

Gesetzesentwurf zum Sachverständigenrecht: Qualitätssteigerung und Verfahrensbeschleunigung erwartet

Die Gutachten von Sachverständigen bestimmen häufig den Ausgang eines Gerichtsverfahrens. Daher sind an die Unabhängigkeit und die Qualität von Sachverständigen hohe Anforderungen zu stellen. Die Bundesregierung ist bestrebt, durch ihren Gesetzesentwurf zur Änderung des Sachverständigenrechts (BR-Drucksache 438/15) zu einer Verbesserung des Sachverständigenbeweises beizutragen.

Durch die vorgesehenen Änderungen der Zivilprozessordnung – etwa die Beteiligung der Parteien bei der Auswahl des Sachverständigen – sollen die Unabhängigkeit und Qualität der gerichtlichen Sachverständigen gestärkt werden. Ferner sieht der Gesetzesentwurf Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und zur Stärkung des Vertrauens in den Sachverständigen vor.

Unabhängigkeit und Vertrauensstärkung

Um die Unabhängigkeit des Sachverständigen zu stärken und das Vertrauen der Beteiligten in den Sachverständigen zu erhöhen, soll der Sachverständige nunmehr unverzüglich prüfen müssen, ob Gründe vorliegen, die gegen seine Neutralität und Unparteilichkeit sprechen könnten. Wenn dies aus Sicht des Sachverständigen so ist, muss er das Gericht unverzüglich entsprechend unterrichten, damit das Gericht schnellstmöglich einen anderen Sachverständigen beauftragen kann. Dieses Vorgehen ist aus Transparenzgründen zu befürworten. Auch wenn an die Unabhängigkeit eines Sachverständigen nicht die gleichen strengen Vorgaben gestellt werden sollten wie bei Richtern oder Schiedsrichtern, ist die angedachte Verpflichtung des Sachverständigen, die gegen seine Ernennung sprechenden Umstände offenzulegen, im Hinblick auf seinen maßgeblichen Einfluss auf den Prozessausgang zu begrüßen.

Anhörung der Parteien vor Bestellung eines Sachverständigen

Die weiteren Änderungen der Zivilprozessordnung sehen vor, dass die Parteien künftig regelmäßig vor der Ernennung des Sachverständigen vom Gericht anzuhören sind. Allerdings kann das Gericht von der Anhörung der Parteien aufgrund besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls absehen. Dies wäre etwa der Fall, wenn eine Vielzahl von Personen an dem Prozess beteiligt ist und die Anhörung aller beteiligten Personen zu einem unzumutbaren Aufwand oder einer übermäßigen Verfahrensverzögerung führen könnte. Ferner kann von der Anhörung abzusehen sein, wenn nur sehr wenige Gutachter zur Verfügung stehen oder sich die Parteien bereits zur Person des zu ernennenden Sachverständigen geäußert haben. Schon jetzt geben viele Richter den Parteien die Möglichkeit, sich vor Ernennung des Sachverständigen zu diesem zu äußern. Damit setzt das Gesetz die gängige Praxis lediglich um.

Verfahrensbeschleunigung

Da ein effektiver Rechtsschutz nur gewährleistet ist, wenn die Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls angemessen ist, soll die Reform auch zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen. Denn in der Praxis kommt es immer wieder zu erheblichen Verzögerungen durch überlastete Sachverständige. Eine Untersuchung der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs ergab für Zivilprozesse, dass in 50% der untersuchten lang andauernden Verfahren eine Beweiserhebung mittels Sachverständigen erfolgte und der Sachverständigenbeweis durchschnittlich etwa 40 Prozent der gesamten Verfahrensdauer ausmachte. Um den Sachverständigenbeweis zu beschleunigen, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass das Gericht dem Sachverständigen eine Frist zur Erfüllung seines Auftrags setzen muss. Der Sachverständige ist gehalten, unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag innerhalb der gesetzten Frist erledigt werden kann. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in 5% der Beauftragungen eines Sachverständigen, diese wegen Überlastung oder Interessenkonfliktes vom Sachverständigen zurückgewiesen werden.

Überschreitet der Sachverständige die gesetzte Frist, so soll das Gericht ein Ordnungsgeld von bis zu 5.000 EUR festsetzen. Damit wird zum einen das bisher bestehende Ermessen des Gerichts zur Verhängung eines Ordnungsgeldes eingeschränkt. Nur ausnahmsweise soll das Gericht aufgrund besonderer Umstände (etwa Geringfügigkeit der Fristversäumnis oder des Verschuldens) von der Festsetzung von Ordnungsgeld absehen können. Zum anderen wird die Höhe des Ordnungsgeldes von 1.000 EUR auf 5.000 EUR erhöht.

Zudem wird im Gesetzesentwurf klargestellt, dass ein Gericht auch eine schriftliche Ergänzung oder Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen anordnen kann.

Qualitätssteigerung

Die von der Bundesregierung angestrebten Änderungen sollen auch zu einer Qualitätssteigerung des Sachverständigenbeweises führen. Dafür werden etwa in Kindschaftssachen bestimmte Qualifikationsanforderungen vorgegeben. Zudem sollen – ohne dass sich dies in den Gesetzesänderungen widerspiegelt – die Gerichte eine höhere Sorgfalt bei der Auswahl der Sachverständigen walten lassen. Letztlich erhofft sich der Gesetzgeber, dass durch die drohenden Ordnungsgelder weniger Sachverständige Gutachteraufträge „auf Vorrat“ annehmen werden. Dies führt bestenfalls dazu, dass die Sachverständigen unter weniger Zeitdruck leiden und die Qualität des einzelnen Gutachtens steigt.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Simon Heetkamp
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