29.08.2024

Gewerbemietrecht - Reform der Schriftformklausel in § 550 BGB: Eine rechtliche und praxisnahe Überlegung

Die Schriftformklausel im deutschen Mietrecht, insbesondere in § 550 BGB, ist ein zentrales Thema bei der Regelung von Mietverträgen, die für eine längere Dauer als ein Jahr abgeschlossen werden. Diese Klausel diente zunächst dem Schutz eines Erwerbers der vermieteten Immobilie, der sich darüber informieren können soll, welchen Inhalt ein Mietvertrag hat, der kraft Gesetz beim Erwerb auf ihn übergeht. Inzwischen geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass auch die ursprünglichen Parteien des Mietvertrags in den Schutzbereich der Schriftformerfordernis einbezogen sind, um den Schutz der Parteien in langfristigen Mietverträgen zu gewährleisten. Doch in der juristischen Praxis und Rechtsprechung ist die Schriftformklausel immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Streitigkeiten, was Reformüberlegungen anregt.

1. Die aktuelle Rechtslage - Probleme in der Praxis

§ 550 BGB sieht vor, dass Mietverträge, die für länger als ein Jahr geschlossen werden, schriftlich festgehalten werden müssen. Wird die Schriftform nicht eingehalten, so gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann vom Mieter oder Vermieter mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Diese Regelung dient dazu, Transparenz und Klarheit über die Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien zu schaffen und die Parteien vor unklaren mündlichen Vereinbarungen zu schützen.

In der Praxis führt die strenge Schriftformvorschrift jedoch häufig zu Problemen, insbesondere bei langfristigen Gewerbemietverträgen. Gerade bei diesen Verträgen müssen häufig Anpassungen vorgenommen werden, etwa hinsichtlich der Miethöhe, der Nutzung oder der Betriebskosten. Oft werden diese Änderungen mündlich oder formlos vereinbart, was jedoch die Schriftformanforderungen untergräbt und zur Folge haben kann, dass der gesamte Vertrag als kündbar angesehen wird.

Selbst geringfügige Abweichungen von der Schriftform, wie etwa unvollständige Unterschriften, das Fehlen einer Datierung oder die mündliche Vereinbarung über nachträgliche Änderungen, können dazu führen, dass der gesamte Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dies birgt für Vermieter und Mieter erhebliche Risiken und kann zu ungewollten Vertragsauflösungen führen. Nicht selten bot die Suche nach Schriftformfehlern die Möglichkeit, sich von unliebsam gewordenen Gewerbemietverträgen zu trennen.

Die Vertragspraxis hat mit einigermaßen Erfolg in der Vergangenheit versucht, eine gewisse Rechtssicherheit herzustellen durch Klauseln, die die Vertragsparteien verpflichteten, sich nicht auf die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses zu berufen bzw. alles, auch nachträglich, zu tun, um die Schriftform zu wahren. Dem hat die Rechtsprechung des BGH durch zwei Entscheidungen in 2014 und 2017 jedoch komplett den Boden entzogen, in dem der BGH § 550 BGB für absolut zwingend erklärt hat und von dem nicht einmal durch individuelle Vereinbarung abgewichen werden dürfe.

Als allerletzte Verteidigungslinie bleibt einer Partei, die mit einer Kündigung nach § 550 BGB konfrontiert ist, nun nur noch die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben wegen Existenzbedrohung.

2. Reformüberlegungen

Angesichts dieser Problematiken gibt es Überlegungen, die Schriftformklausel in § 550 BGB zu reformieren. Ein Reformansatz könnte darin bestehen, die Schriftformanforderungen zu flexibilisieren und an die Gegebenheiten der modernen Vertragsgestaltung anzupassen.

a) Einführung der Textform

Ein Reformvorschlag ist die Einführung der Textform als Alternative zur Schriftform. Die Textform, die in § 126b BGB definiert ist, würde es erlauben, Mietverträge und Vertragsänderungen auch per E-Mail oder anderen elektronischen Kommunikationsmitteln zu vereinbaren. Dies würde den Vertragsparteien mehr Flexibilität geben und den formellen Anforderungen gerecht werden, ohne dass die gesamte Vertragsstruktur gefährdet wird.

b) Deutliche Differenzierung zwischen Fehlern

Ein weiterer Reformansatz wäre, klar zwischen schwerwiegenden und geringfügigen Verstößen gegen die Schriftform zu differenzieren. Kleinere Fehler, wie das Fehlen einer Datierung oder unvollständige Unterschriften, könnten als heilbare Mängel betrachtet werden, die den Mietvertrag nicht automatisch infizieren. Hierdurch würde die Rechtssicherheit erhöht, ohne dass der Schutz der Parteien wesentlich eingeschränkt würde.

c) Verlängerte Nachfrist zur Heilung von Schriftformmängeln

Eine weitere Überlegung ist die Einführung einer verlängerten Frist zur Heilung von Schriftformmängeln. Diese Nachfrist könnte es den Vertragsparteien ermöglichen, formelle Fehler nachträglich zu korrigieren, ohne dass der Mietvertrag sofort als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dies könnte insbesondere bei langjährigen Mietverhältnissen die Rechtssicherheit stärken und ungewollte Vertragsbeendigungen verhindern.

d) Reformversuche

Nach der Entscheidung des BGH im Jahre 2017 gab es in 2019 einen ersten Reformvorschlag des Bundesrates, der durch den Bundestag allerdings nicht umgesetzt wurde. Ein weiterer Versuch des damaligen Bundesjustizministers im Jahre 2021 scheiterte ebenfalls. Derzeit liegt seit März 2024 ein Entwurf der Bundesregierung vor, der die Formanforderungen für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume – also insbesondere für Gewerberaummietverhältnisse – auf die Textform abzusenken vorsieht. Allerdings würden z.B. auch Nachrichten per WhatsApp oder SMS der Textform genügen und damit erhebliche Beweisprobleme verursachen

3. Fazit

Die Reform der Schriftformklausel in § 550 BGB bietet die Chance, das deutsche Mietrecht an die Bedürfnisse der Praxis anzupassen, ohne den grundsätzlichen Schutzgedanken aufzugeben. Die Einführung der Textform, eine differenzierte Bewertung von Formfehlern und die Möglichkeit zur nachträglichen Heilung von Mängeln könnten dazu beitragen, die Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erhöhen und gleichzeitig eine größere Flexibilität in der Vertragsgestaltung zu ermöglichen.

Eine Aussage dazu zu machen, wann und wie der Reformprozess enden wird, ist schwierig. In Anbetracht der immensen wirtschaftlichen Relevanz langfristiger Immobilien-Gewerbemietverträge sollte eine Reform jedenfalls sorgfältig abgewogen werden, um sowohl den Schutz der Mieter als auch die Interessen der Vermieter und Erwerber ausgewogen zu berücksichtigen.

Autor/in
Frank Gutsche

Frank Gutsche
Partner
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