08.05.2017
08.05.2017
Die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken ist in Großstädten wie Berlin mit akutem Mangel an preiswerten Wohnungen ein brisantes sowie kontrovers diskutiertes Thema. In einigen Bundesländern gibt es deswegen Zweckentfremdungsverbotsgesetze.
Die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung zum Berliner Zweckentfremdungsrecht hat jetzt neue Fahrt aufgenommen. Nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschlüsse vom 6. April 2017 - OVG 5 B 14.16 u.a.) ist das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum nämlich teilweise verfassungswidrig. Dabei geht es um Ferienwohnungen, die es vor Inkrafttreten des Verbots schon gab. Das OVG hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) mit dem Grundgesetz insofern vereinbar ist, als es rückwirkend auch für Räumlichkeiten gilt, die zwar baurechtlich als Wohnraum genehmigt sind, aber bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Mai 2014 zu anderen Zwecken genutzt wurden.
Doch wann liegt eine Zweckentfremdung von Wohnraum vor und was für Folgen ergeben sich hieraus für Eigentümer?
Überblick über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum - Was ist erlaubt, was ist illegal?
In der Hauptstadt gibt es seit dem 1. Mai 2014 (erneut) ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum.
Grundsätzlich gilt: Wohnraum darf wegen der besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung nur mit Genehmigung des (örtlich) zuständigen Bezirksamtes zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden.
Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sind alle Räumlichkeiten, die zur dauernden Wohnnutzung tatsächlich und rechtlich geeignet sind.
Zweckentfremdung liegt vor, wenn Wohnraum anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Was viele nicht wissen: Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt nicht nur in den medial bekannten Fällen der Nutzung als Ferienwohnung, sondern darüber hinaus auch bei längerem Leerstand, Abriss oder Umwandlung in Gewerberaum vor.
Das Verbot gilt dabei sowohl für vorhandenen Wohnraum als auch für Räume, die zur dauernden Wohnnutzung nur geeignet sind, aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots bereits zu anderen Zwecken genehmigungsfrei genutzt wurden (sog. Rückwirkung).
In Ausnahmefällen kann auf Antrag eine Genehmigung erteilt werden. Hierfür müssen vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Alternativ kann die Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen erteilt werden, wenn durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen wird.
Mit der Genehmigung nicht zu verwechseln sind die sog. Negativatteste. Darin wird - auch auf Antrag - bestätigt, dass für die Nutzung von Räumlichkeiten zu anderen als Wohnzwecken eine (zweckentfremdungsrechtliche) Genehmigung nicht erforderlich ist.
Und was gilt nun bei Ferienwohnungen?
Eine Zweckentfremdung von Wohnraum durch die Nutzung als Ferienwohnung liegt nur vor, wenn der Wohnraum zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung verwendet wird. In Berlin gilt das Verbot nach einer Übergangsphase von zwei Jahren nach Inkrafttreten mittlerweile uneingeschränkt, d.h. potentieller Wohnraum darf nur noch dann als Ferienwohnung vermietet werden, wenn eine Ausnahmegenehmigung vorliegt. Ferienwohnungsanbieter müssen bei Zuwiderhandlungen aktuell noch mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro rechnen.
Aus Sicht des OVG Berlin-Brandenburg, welches 41 laufende Berufungsverfahren ausgesetzt hat, um das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen, greift eine rückwirkende Anwendung des Zweckentfremdungsverbots in solchen Altfällen unverhältnismäßig in die Grundrechte der betroffenen Eigentümer und Vermieter ein. Die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung rechtfertigt es - aus Sicht des OVG - nicht, Eigentümer zu zwingen, gewerblich genutzte Räumlichkeiten, insbesondere Ferienwohnungen, in Wohnraum quasi (zurück) zu verwandeln (siehe hierzu Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg vom 6. April 2017).
Was passiert im Falle der Verfassungswidrigkeit?
Sollte sich das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des OVG anschließen, wäre mit einer teilweisen Nichtigerklärung des Berliner ZwVbG zu rechnen. Die Folge wäre, dass die Nutzung von als Wohnraum genehmigten Räumlichkeiten zu anderen Zwecken, insbesondere als Ferienwohnung, die bereits vor dem 1. Mai 2014 bestanden, keine verbotene Zweckentfremdung mehr darstellen würden. Erst recht wäre dann auch keine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung mehr erforderlich. Im Auge behalten müssen Ferienwohnungsanbieter dann dennoch weiterhin die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Ferienwohnungen sowie die Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Begriff des (temporären) Wohnens.
Maria Tarassidis |