01.04.2020

Klimaklage Landwirt Saul Lliuya gegen RWE

Hintergrund

Die wohl bekannteste Klimaklage gegen ein Unternehmen in Deutschland ist der Fall Saúl Lliuya gegen ein Energiekonzern (OLG Hamm, Az. 5 U 15/17.). Der peruanische Landwirt Lliuya ist Miteigentümer eines Wohnhauses in der Stadt Huaraz in der Region Ancash in Peru. Die Stadt liegt am Fuße der Anden, unterhalb eines Gletschersees. Dieser See wiederum liegt unterhalb des Palcaraju-Gletschers. Bereits in der Vergangenheit kam es durch Erdbeben und Erdrutsche zu Überflutungen der Stadt. Bei einer erneuten Flutwelle würde aller Voraussicht nach auch das Haus von Saúl Lliuya betroffen sein. Seiner Ansicht nach trägt der Klimawandel zur Gefahr einer erneuten Überflutung bei. Denn durch die Erderwärmung schmelze der Gletscher, so dass der Wasserstand des Sees ansteige. Staatliche Maßnahmen, durch die das Wasservolumen des Sees langfristig gesenkt werden sollte, schlugen in der Vergangenheit fehl.

Unterliegen in der ersten Instanz

Saúl Lliuya klagte aus diesem Grund vor dem Landgericht Essen gegen den Energiekonzern und beantragte die Feststellung, dass der Energieversorger verpflichtet sei, anteilig zu ihrem Beeinträchtigungsbeitrag (Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen), der durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu bestimmen sei, die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zugunsten seines Eigentums vor einer Gletscherflut aus dem See zu tragen. Darüber hinaus stellte er drei Hilfsanträge.

Das Landgericht Essen wies die Klage in der ersten Instanz ab (LG Essen, Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. 2 O 285/15).  Zur Begründung führte das Gericht aus, der Hauptantrag sei bereits unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei. Der Kläger begehre mit seinem Antrag die Schätzung des Beeinträchtigungsbeitrags der Beklagten durch das Gericht nach § 287 ZPO. Diese Norm sei jedoch nicht einschlägig für die Bestimmung der Haftungsbegründung eines Anspruchs, sondern erleichtere nur den Beweis einer bestimmten Schadenshöhe. Damit könnten im vorliegenden Fall höchstens die Beseitigungskosten für die drohende Gefahr durch das Gericht geschätzt werden, nicht jedoch die Höhe der Beeinträchtigung selbst. Wenn der Kläger geltend mache, die Bezifferung der Beeinträchtigung sei durch einen Sachverständigen zu ermitteln und deswegen schätzbar, so sei es nicht verständlich, weshalb der Kläger nicht selbst in seinem Klageantrag den Verursachungsbeitrag der Beklagten konkret benannt habe. Nach Auffassung des Landgerichts erfüllt der Klageantrag aus diesem Grund nicht die Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und ist somit als unzulässig anzusehen.

Mit derselben Begründung sah das Landgericht auch den ersten Hilfsantrag als unzulässig an. Der zweite Hilfsantrag sei ebenso unzulässig, da auch er nicht bestimmt genug sei.

Lediglich den dritten Hilfsantrag auf Zahlung von EUR 6.384 sah das Landgericht als zulässig an. Es lehnte diesen jedoch als unbegründet ab. Die Beklagte sei keine Störerin, da es an einer äquivalenten und adäquaten Verursachung der Beeinträchtigung fehle. Die Schadstoffe, die die Beklagte ausstoße, seien nur ein Teil von unzähligen anderen Schadstoffen. Jeder lebende Mensch sei Emittent von Schadstoffen. Für eine Kausalität sei es erforderlich, dass die in Frage stehende Handlung nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele. Dies sei aber aufgrund der vielen Emittenten gerade nicht der Fall. Die Emissionen der Beklagten seien in Anbetracht der Milliarden von Emittenten weltweit nicht derart bedeutend, dass bei ihrem Wegfallen der Klimawandel nicht existieren würde. Zudem sei die Ursachenkette beim Klimawandel komplex und auch in der Wissenschaft umstritten. Eine auch nur annähernd lineare Verursachungskette von einer bestimmten Emissionsquelle zu einem bestimmten Schaden lasse sich deshalb nicht ausmachen.

Ein (Teil-)Erfolg in der Berufung?

Gegen das Urteil legte Lliuya Berufung ein. Anders als das Landgericht sah das Oberlandesgericht die Klage als zulässig an. Lliuya hatte im Berufungsverfahren seine Anträge präzisiert und zusätzlich noch zwei neue Anträge gestellt. Das Oberlandesgericht teilte daraufhin in seinem Hinweis- und Beweisbeschluss mit, dass hinsichtlich der Zulässigkeit und der Schlüssigkeit des konkretisierten Klagebegehrens keine Bedenken bestünden. Es ordnete zudem die Beweiserhebung an. Nunmehr soll gutachterlich geklärt werden, ob tatsächlich für das Haus des Klägers eine Überflutungsgefahr droht und ob der erforderliche Zurechnungszusammenhang gegeben ist. Dazu soll ein Sachverständiger untersuchen, ob die vom Kraftwerk der Beklagten freigesetzten CO2-Emissionen, die in die Atmosphäre aufsteigen, aufgrund physikalischer Gesetze in der gesamten Erdatmosphäre zu einer höheren Dichte der Treibhausgase führen. Zudem soll überprüft werden, ob die Verdichtung der Treibhausgasmoleküle zu einem Anstieg der globalen Temperatur und damit zu einem beschleunigten Abschmelzen des Gletschers führt. Schließlich hat der Gutachter zu klären, ob der Mitverursachungsanteil der Beklagten mess- und berechenbar ist und ob er bei 0,47 % liegt. Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der Sachverständige feststellen muss, welcher mess- und berechenbaren Anteil der Energiekonzern am Klimawandel und damit an der Überflutungsgefahr eines peruanischen Gletschersees zugeschrieben werden kann.

Der Beschluss des Oberlandgerichts wurde in der Presse teilweise als Etappensieg für Lliuya eingeordnet. Ob der Erlass eines Hinweis- und Beweisbeschlusses einen gerichtlichen Erfolg des peruanischen Landwirts vorwegnimmt, ist nicht allein rechtlich fraglich.  Mit dem Eintritt in die Beweisaufnahme bestätigt das Oberlandesgericht allein, dass Ansprüche Einzelner gegen Treibhausemittenten wegen des Klimawandels im Grundsatz nicht ausgeschlossen erscheinen. Für solche Ansprüche genügt es aber nicht, dass vom Kläger vorgetragene Tatsachen das geltend gemachte Recht in seiner Person entstanden erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2016, Az. III ZR 308/15, Rn. 18 – juris). Eine Beweisaufnahme ist vielmehr gerade erforderlich, weil ein uferloser Kausalzusammenhang zwischen der Verursachung von Treibhausgasemissionen und dem Eintritt von Schäden noch keinen Ersatzanspruch begründet. Entsprechend rückt der Beweisbeschluss nur die Kernfrage nach dem zurechenbaren Kausalzusammenhang in das harte Licht der Wahrheitsfindung: Haften Unternehmen anteilig für Folgen des Klimawandels haften, wenn sich ihr Beitrag zur Erderwärmung nachweisen lässt?

Es bleibt jedoch weiterhin fraglich, ob ein dem einzelnen Unternehmen zurechenbarer Kausalzusammenhang gutachterlich beweisbar ist. Das Oberlandesgericht hat dem Sachverständigen die Frage gestellt, ob die vom Kraftwerk der Beklagten freigesetzten CO2-Emissionen, die in die Atmosphäre aufsteigen, aufgrund physikalischer Gesetze in der gesamten Erdatmosphäre zu einer höheren Dichte der Treibhausgase führen. Zudem soll der Sachverständige ermitteln, ob der Mitverursachungsanteil der Beklagten mess- und berechenbar ist und bei 0,47 % liegt (OLG Hamm, Hinweis- und Beweisbeschluss vom 30. November 2017, Az. I-5 U 15/17, S. 4.). Gerade dieser messbare Anteil ist jedoch schwierig zu bestimmen.

Treibhausgase steigen in die Atmosphäre auf und vermischen sich dort. Nach den Gesetzen der Diffusion verteilen sich Gasmoleküle wie CO2 insgesamt gleichmäßig in einem bestimmten Raum, so dass die Dichte bestimmter Moleküle innerhalb der gesamten Atmosphäre auf ein höheres Niveau ansteigt. Der Weltklimarat spricht insofern von „gut durchmischten Treibhausgasen“. Bei einer solchen Durchmischung der Emissionen wird es schwierig sein, einen konkret bezifferbaren Anteil einem einzelnen Emittenten zuzuordnen. Ob nach der Einschätzung des Sachverständigen im Fall des peruanischen Landwirts Lliuya ein solcher Anteil feststellbar ist, wird sich zeigen.