17.05.2018

Koalitionsvertrag 2018: Erweiterung des In-Camera-Verfahrens geplant

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17.05.2018

Koalitionsvertrag 2018: Erweiterung des In-Camera-Verfahrens geplant

Der zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode geschlossene Koalitionsvertrag vom 14. März 2018 sieht eine Erweiterung des In-Camera-Verfahrens im Bereich des Atomrechts vor. Demnach soll „ein In-camera-Verfahren im Hauptsacheverfahren [eingeführt werden], so dass geheimhaltungsbedürftige Unterlagen zum Zwecke des Nachweises der Genehmigungsvoraussetzungen in ein verwaltungsgerichtliches Hauptsacheverfahren bei gleichzeitiger Wahrung des Geheimschutzes eingeführt werden können“ (S. 139).

Hintergrund der geplanten Gesetzesregelung ist der bestehende Interessenkonflikt zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an detaillierten Informationen über ein atomrechtlich genehmigungsbedürftiges Vorhaben einerseits und dem staatlichen Interesse an einem effektiven Geheimnisschutz sensibler Daten andererseits. Denn zum einen ist die ausreichende Information der Allgemeinheit als Voraussetzung für Transparenz und Teilhabe der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren anzusehen. Zum anderen besteht ebenso ein staatliches Interesse an der Nicht-Preisgabe sicherheits- und sicherungsrelevanter Informationen, um so den grundrechtlich gebotenen Schutz der Bürger und insbesondere eine effektive Terrorabwehr zu ermöglichen.

Aus diesem Geheimhaltungsinteresse heraus besteht für atomrechtliche Genehmigungsbehörden im Gerichtsverfahren bislang schon die Möglichkeit, die Herausgabe sensibler Informationen unter Verweis auf den Geheimschutz gemäß § 99 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verweigern. Darüber, ob eine solche Verweigerung der Genehmigungsbehörde Bestand hat, entscheidet nach geltendem Recht im sogenannten In-Camera-Verfahren ein speziell besetzter Fachsenat. Ihm allein werden die in Frage stehenden Akten vorgelegt, auf deren Grundlage er sodann über die Geheimhaltungsbedürftigkeit und somit auch die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung, die Informationen zurückzuhalten, entscheidet. Erst wenn der Fachsenat die Geheimhaltungsbedürftigkeit verneint, werden die Unterlagen dem Verwaltungsgericht zugänglich gemacht. Und nur dann kann es seine Entscheidung auf diese Informationen stützen.

Der Koalitionsvertrag vom 14. März 2018 zielt nun darauf ab, die Regelungen für das In-Camera-Verfahren für das Atomrecht dahingehend zu erweitern, dass geheimhaltungsbedürftige Unterlagen auch zum Zwecke des Nachweises der Genehmigungsvoraussetzungen in ein verwaltungsgerichtliches Hauptsacheverfahren – bei gleichzeitiger Wahrung des Geheimschutzes – eingeführt werden können. Das In-Camera-Verfahren dient dann nicht (mehr allein) der Klärung der Frage der Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Unterlage, sondern auch der Überprüfung, ob der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen Dritter (SEWD) als gegeben unterstellt werden darf oder nicht. Dies stellt eine der wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung dar. Allerdings bleibt die gerichtliche Prüfung hierbei auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt, um die behördliche Einschätzungsprärogative in Bezug auf genehmigungsrelevante Wertungen zu wahren. Idealerweise würde die im Koalitionsvertrag vorgesehene Erweiterung des In-Camera-Verfahrens somit dem Interesse der Drittbetroffenen an einer Überprüfung essentieller Genehmigungsvoraussetzungen Rechnung tragen und zugleich den Geheimnisschutz wahren.

Bislang ist die Erweiterung des In-Camera-Verfahrens nur für den Bereich des Atomrechts geplant. Wie die genaue Ausgestaltung der Neuregelung aussieht, ist noch nicht absehbar. Ob sie die im Koalitionsvertrag postulierten Erwartungen in der Praxis erfüllen wird, bleibt ebenfalls abzuwarten. Schon jetzt drängt sich allerdings die Frage auf, warum eine solche Regelung – ihre Vollzugsfähigkeit unterstellt – auf das Atomrecht beschränkt bleiben sollte. Geheimhaltungsbedürftige Informationen (z.B. zur Gewährleistung eines effektiven Terrorschutzes) können auch in anderen Bereichen des Umweltrechts eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung erfüllt sind. Das spricht dafür, den Anwendungsbereich eines erweiterten In-Camera-Verfahrens nicht auf den Bereich des Atomrechts zu beschränken.

 

 

Prof. Dr. Tobias Leidinger
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
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