22.12.2023
Am 14. Dezember 2023 haben sich der Europäische Rat und das EU-Parlament auf einen Kompromiss betreffend die Ausgestaltung der künftigen EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette verständigt. Ob diese Einigung final ist oder im nächsten Schritt noch mit der EU-Kommission abzustimmen ist, ist zunächst nicht bekannt geworden. Der konkrete Regelungstext liegt noch nicht vor, allerdings sind die wesentlichen Eckpunkte der Richtlinie kommuniziert – daraus ergeben sich die nachfolgenden Schlussfolgerungen für deutsche Handelsunternehmen:
Eine Anpassung hat sich bei dem Anwendungsbereich der Richtlinie ergeben. Nunmehr sollen die in der Richtlinie niedergelegten Pflichten greifen bei einem weltweiten Umsatz des Unternehmens von über EUR 150 Mio. sowie einer Größe von mindestens 500 Beschäftigten. Die Anwendbarkeit soll ebenfalls eröffnet sein, wenn das Unternehmen mindestens 250 Beschäftigte und einen Umsatz von mindestens EUR 40 Mio. hat, wenn mindestens 20 Millionen davon in bestimmten Risikosektoren verdient werden.
An dieser Stelle ist der Entwurf gegenüber der vom EU-Parlament erarbeiteten Fassung ein wenig entschärft worden. Angesichts der Tatsache allerdings, dass die in die Anwendbarkeit fallenden Unternehmen die bestehenden Pflichten betreffend ihre Lieferkette im Rahmen des Möglichen auch an ihre Handelspartner vertraglich weitergeben werden, führt dieser Aspekt nicht zu einer Absenkung an Relevanz für die auch kleineren im Handelsgeschäft tätigen Unternehmen.
Von Relevanz ist allerdings die vereinbarte vorübergehende Ausnahme für die im Finanzsektor tätigen Unternehmen – sie sollen vorerst vom Anwendungsbereich der Lieferkettensorgfaltspflichten herausgenommen werden. Genaueres ist hierzu noch nicht bekannt.
Zur Durchsetzung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette ist geplant, dass die Mitgliedstaaten Aufsichtsbehörden mit der Überwachung der Einhaltung beauftragen, welche im Einzelfall Ermittlungen bei den Unternehmen anstellen dürfen. Als mögliche Sanktionen sind Geldbußen in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes vorgesehen.
Hinzu kommt voraussichtlich ein "naming and shaming". Es ist noch nicht ersichtlich, was damit konkret gemeint ist. Es lässt sich allerdings annehmen, dass die Namen der sorgfaltswidrig handelnden Unternehmen öffentlich in einem EU-Portal bekannt gemacht werden sollen.
Der Kompromiss sieht vor, dass Opfer der Verletzungen von Sorgfaltspflichten in der Lieferkette einen direkten Anspruch auf Kompensation ihrer Schäden erhalten sollen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die finale EU-Richtlinie eine konkrete Anspruchsgrundlage für Betroffene vorsieht, welche sodann in nationales Recht zu übertragen ist. Wenn die Gestaltung dem Art. 22 des EP-Entwurfs entspricht, dann ist hierzu außerdem eine Verjährungsfrist von mindestens 10 Jahren vorzusehen.
Die geplante EU-Richtlinie wird keine unmittelbare Geltung in Deutschland haben – sie muss in einem nationalen Rechtsakt umgesetzt werden. Die Ergebnisse des Kompromisses zum Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie haben aber zur Konsequenz, dass das erst seit Kurzem in Deutschland geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) an einigen Stellen wird an das künftig geltende EU-Recht angepasst werden müssen.
Der Anwendungsbereich des nunmehr finalen Entwurfs der EU-Lieferkettenrichtlinie ist weiter als der aktuell in § 1 des LkSG vorgesehene – künftig sollen Unternehmen mit 500 Beschäftigten und bei Erfüllen zusätzlicher Voraussetzungen sogar Unternehmen mit 250 Beschäftigten in den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten im Hinblick auf ihre Lieferketten unterfallen. In Deutschland ist der Anwendungsbereich ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigter eröffnet.
Das deutsche LkSG sieht in § 24 Geldbußen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes vor. Insofern ist der nunmehr vorgesehene Rahmen der Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eine gewaltige Verschärfung und damit ein bedeutendes wirtschaftliches Risiko für betroffene Unternehmen.
Die EU-Richtlinie wird die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vorsehen, welche bislang im deutschen LkSG ausdrücklich ausgeschlossen ist. Hinzu kommt eine für das deutsche Recht ungewöhnlich lange Verjährungsfrist von mindestens 10 Jahren. Damit geht ein enormes rechtliches und wirtschaftliches Risiko für die betroffenen Unternehmen einher.
Der konkrete Regelungstext des finalen Entwurfs der EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette liegt noch nicht vor. Die genaue Gestaltung der zentralen Vorgaben und Rechtsfolgen dieser Richtlinie kann daher noch nicht abschließend bewertet werden. Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass das deutsche LkSG an einigen Stellen nachgeschärft wird. Hierauf sollten sich die Entscheidungsträger in den Unternehmen bereits jetzt einstellen und ihre Prozesse bereits jetzt darauf einstellen und überprüfen.
Jens-Uwe Heuer-James
Partner
Hannover
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Dr. Paul Derabin