23.08.2019
Wer sich auf ein Geschäftsgeheimnis berufen möchte, muss nicht nur die konkreten Schutzmaßnahmen darlegen, sondern auch vortragen, welche konkreten Nachteile aus einem Bekanntwerden des Geheimnisses erwachsen würden. Ein pauschaler Verweis auf die Nachteile die aus einer Urheberrechtsverletzung resultieren, genügen diesen Anforderungen nicht.
Seit Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) häufen sich die Unsicherheiten der Geschäftsgeheimnisinhaber. Bereits das Kriterium des Geschäftsgeheimnisses wirft Fragen auf. In der Praxis ist oft noch unklar, wie ein Geschäftsgeheimnis im Prozess konkret nachgewiesen werden soll bzw. kann.
Das LG München I (Beschluss v. 13. August 2019, Az. 7 O 3890/19) hat nun in einem ursprünglich patentrechtlichen Verfahren zu den Darlegungs- und Beweislasten eines Geschäftsgeheimnisses Stellung genommen.
Die Beklagte hat verschiedenen Dritten den Streit verkündet. Eine Nebenintervenientin ist der Beklagten schließlich als sog. Streithelferin beigetreten. Zur umfassenden Verteidigung gegen die Klage beantragte die Streithelferin Akteneinsicht, welche ihr vom Gericht zugestanden wurde. Hiergegen hat sich die Klägerin mit dem Einwand des Geschäftsgeheimnisses bezüglich einzelner Unterlagen gewandt. Sie wollte nur Einblicke in die Akten gewähren, wenn diese vorher geschwärzt werden oder sich die Streithelferin einer Geheimhaltungsvereinbarung unterwerfe. Bei den streitgegenständlichen Informationen handelte es sich zum einen um Daten zu einem sog. FRAND-Lizenzvertrag (Fair Reasonable And Non-Discriminatory), als auch zweier Studien an denen die Klägerin zumindest Urheberrechte besitzt.
Dem Antrag der Klägerin steht jedoch der Grundsatz entgegen, dass ein Nebenintervenient/Streithelfer grundsätzlich das uneingeschränkte Akteneinsichtsrecht hat, auch wenn Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Eine Ausnahme soll nur gelten, wenn die nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss v. 25. April 2018, Az. I-2 W 8/18) entwickelten folgenden Voraussetzungen kumulativ gegeben sind:
Da die ersten drei Voraussetzungen gegeben waren, lag der Schwerpunkt der Entscheidung auf der Frage, ob das Geheimhaltungsbegehren der Klägerin berechtigt gewesen ist. Diese Überlegungen sind konkret ebenfalls auf das GeschGehG entsprechend anzuwenden, da auch § 20 Abs. 3 GeschGehG die Anforderung stellt, dass ein Geschäftsgeheimnis glaubhaft gemacht wird.
Das Landgericht war der Ansicht, dass die Klägerin keine, ein Geheimhaltungsbegehren begründende, Umstände vorgetragen hat. Ein berechtigtes Geheimhaltungsbegehren setze voraus, dass die vertraulichen Informationen identifiziert werden und dargelegt wird, dass und warum betreffende Informationen schützenswerte Geschäftsgeheimnisse darstellen.
Diese Kriterien können nur erfüllt werden, wenn die konkreten Maßnahmen, die die Vertraulichkeit gewährleisten sollen, dargelegt werden. Zusätzlich bedarf es eines Vortrages dahingehend, welche Nachteile für den Geheimnisinhaber im Falle eines Bekanntwerdens der jeweiligen einzelnenInformationen entstehen und einer Angabe eines entsprechenden Wahrscheinlichkeitsgrades hierfür.
Das Landgericht rechtfertigt diese hohen Anforderungen mit dem Interesse des Prozessgegners, dem es ermöglicht werden soll, selbst eine Bewertung vorzunehmen, ob eine Pflicht zur vertraglichen Geheimhaltung bestehe. Zumal auch die Höhe einer ggf. vereinbarten Vertragsstrafe unmittelbar mit der Höhe der jeweiligen Schutzbedürftigkeit zusammenhänge.
Diese Argumentation leitet das Landgericht aus dem im vorliegenden Fall geschlossenen FRAND-Lizenzvertrag ab, welchen die Klägerin als Geheimnis einstufen wollte. Die FRAND-Lizenzbedingungen müssen nach Ansicht des LG München transparent sein, um die Angemessenheit und Diskriminierungsfreiheit feststellen zu können. Hieran bestehe deshalb oftmals ein erhöhtes öffentliches Interesse, welches bei der Bewertung, ob ein berechtigtes Geheimnisbegehren vorliegt oder nicht, in die Bewertung mit einfließen soll.
Das Landgericht hat auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – angenommen, dass aus einem Urheberschutz allein kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Vielmehr bedarf es diesbezüglich eines weitergehenden substantiierten Vortrags anhand der oben aufgestellten Kriterien.
Der Beschluss des Landgerichts gibt den Unternehmen erste konkrete Voraussetzungen für den Nachweis eines Geschäftsgeheimnisses mit auf den Weg. Die Geschäftsgeheimnisinhaber sind in Zukunft angehalten, zum einen die Maßnahmen der Geheimhaltung nachzuweisen, zum anderen aber auch konkrete Nachweise vorzulegen, aus denen hervorgeht, welche Nachteile aus einem Bekanntwerden der Informationen entstehen können.
Soweit das Landgericht jedoch auch auf ein zu berücksichtigendes entgegenstehendes öffentliches Interesse abstellt, ist dem entgegenzutreten. Nur weil ein öffentliches Interesse an dem Bekanntwerden einer Information besteht, darf dies nicht den Status als Geschäftsgeheimnis vereiteln. Daher dürften die Ausführungen des Gerichts in dieser Hinsicht nur auf die FRAND-Lizenzgrundlagen anwendbar sein.