06.03.2020

Luther.Rail: Covid19 und die Auswirkungen

Hintergrund

Luther.Rail: Das Corona-Virus hat Deutschland erreicht – die Auswirkungen auf Bürger und Unternehmen werden real. Was als vermeintlich lokales Problem der chinesischen Provinz Hubei begann, hat sich aufgrund der global vernetzten Geschäftsbeziehungen und Reisetätigkeit zu einer Herausforderung auf allen Kontinenten entwickelt. Zwischenzeitlich häufen sich auch in Deutschland nicht nur die bestätigten Krankheitsfälle, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen hieraus werden greifbar – und damit auch die Rechtsfragen, die hiermit verbunden sind. Während in der produzierenden Industrie derzeit das Hauptaugenmerk auf Schwierigkeiten in der Sicherung der Lieferketten liegt, liegt das Augenmerk in den Bereichen Mobilität und Logistik insbesondere auf der Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes für Mitarbeiter, wie auch auf den Auswirkungen von Quarantäne-Situationen.

1. Pflichten zum Gesundheitsschutz

Ein eigenmächtiges Fernbleiben – ohne AU, ohne behördliche Anordnung zur Quarantäne oder ohne Absprache mit dem Arbeitgeber – ist eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht. Auch ein abstraktes Infektionsrisiko berechtigt den Mitarbeiter nicht, seine Arbeit einzustellen. Mit einseitigen Maßnahmen riskiert er jedenfalls eine Abmahnung und im Wiederholungsfalle eine Kündigung. Die eigenmächtige Arbeitsniederlegung ist nur in Ausnahmesituationen denkbar (beispielsweise wenn bisherige Schutzmaßnahmen ohne Erfolg bleiben, es im unmittelbaren Umfeld des betroffenen Mitarbeiters Infektionsfälle gibt oder der Arbeitgeber behördliche Anordnungen nicht befolgt).

Die bestehenden Schutzpflichten gebieten es dem Arbeitgeber, unter anderem angemessene  Maßnahmen zu Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu treffen. Der Arbeitgeber hat insofern dafür Sorge zu tragen, dass seine Mitarbeiter vor einer Ansteckung durch andere erkrankte Beschäftigte – oder durch Dritte, beispielsweise Fahrgäste des ÖPNV – hinreichend geschützt sind.
 

Gesundheitsschutz – was muss der Arbeitgeber tun?

Wie bereits erwähnt, hat der Arbeitgeber die Pflicht, angemessene Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu unternehmen. Sofern daher die konkrete Möglichkeit einer Infektion besteht, müssen Unternehmen geeignete und zumutbare Maßnahmen ergreifen. Denkbar sind hierbei u.a. die folgenden Maßnahmen:

  • Aufklärung über Infektionsrisiko und Minimierung des Risikos,
  • die Versetzung von besonders gefährdeten Mitarbeitern auf andere Arbeitsplätze,
  • die Organisation der Arbeit in kleineren Arbeitsgruppen,
  • wo relevant: die Umsetzung von Mitarbeitern aus Großraum- in Einzelbüros,
  • die Erhöhung der Hygiene-Standards und
  • unter bestimmten Voraussetzungen die Durchführung von Gesundheitskontrollen.

Eine gesetzliche Pflicht zur Umsetzung dieser Maßnahmen besteht für die meisten Arbeitgeber derzeit (noch) nicht. Besonders die Erhöhung der Hygiene-Standards erscheint allerdings aus derzeitiger Sicht sinnvoll. Hierzu bieten die Richtlinien und Tipps des Robert Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine gute Orientierung.

Eine weitere Maßnahme des Gesundheitsschutzes ist die Durchführung von Gesundheitskontrollen am Arbeitsplatz, etwa bei Einlasskontrollen – ähnlich wie an Flughäfen wird hier die Körpertemperatur gemessen. Wo dies organisatorisch möglich ist, stellt dies meist eine sehr pragmatische Lösung dar, die im Interesse der gesamten Belegschaft eines Unternehmens liegt und daher auch bei Betriebsräten auf große Zustimmung stößt. Dabei sollten Arbeitgeber im Zuge der Einführung solcher Maßnahmen auf eine dokumentierte Interessenabwägung achten. Zulässig können diese Maßnahmen entweder auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber obliegenden Rücksichtnahmepflichten sein. Für die Durchführung solcher Kontrollen können folgende Umstände sprechen:

  • es gibt bereits einen oder mehrere bestätigte Infektionsfälle im Betrieb,
  • Mitarbeiter des Betriebs sind aufgrund behördlicher Anordnungen in Quarantäne,
  • enge Geschäftsbeziehungen mit besonders betroffenen Gebieten (z.B. China, Norditalien, Korea etc.) – etwa im Rahmen einer Konzernstruktur, Produktions- oder Logistik-Standorte oder Handelspartner,
  • Betriebe in Kleinstädten oder Ortschaften mit bestätigten Infektionsfällen, wenn nahezu jeder Einwohner auf die eine oder andere Weise mit dem Unternehmen unmittelbar und mittelbar in Verbindung steht (Geschäftspartner, Familienangehörige, Hotel- und Gastronomiegewerbe im Ort etc.).

In diesen Fällen spricht sehr viel dafür, dass der Arbeitgeber Gesundheitskontrollen im Unternehmen anordnen darf. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass durch das kontaktlose Fiebermessen eine Kontrolle letztlich ohne körperliche Beeinträchtigung möglich ist. Verweigert ein Mitarbeiter die nach erfolgter Güterabwägung rechtmäßig eingeführte Gesundheitskontrolle und betritt er deshalb nicht das Betriebsgelände, muss der Arbeitgeber für diese Zeit kein Gehalt an den Mitarbeiter auszahlen.

Auf praktische Schwierigkeiten stößt die Durchführung solcher Gesundheitskontrollen naturgemäß im Bereich des ÖPNV hinsichtlich der zu befördernden Fahrgäste, nicht nur im Hinblick auf die Gewährleistung des Betriebsablaufs, sondern auch im Hinblick auf entsprechende Eingriffsrechte gegenüber den Fahrgästen, gerade auch im Spannungsverhältnis zu den vom Verkehrsunternehmen eingegangenen Beförderungspflichten.

2. Zahlungsansprüche der Mitarbeiter

Ist ein Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt, gelten die allgemein bekannten Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn der Mitarbeiter aufgrund des Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt. Wenn ein Mitarbeiter zwar nicht arbeitsunfähig ist, seine Arbeit aber aus anderen Gründen nicht wieder aufnehmen kann, besteht regelmäßig kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer unter Quarantäne steht oder aufgrund einer Einstellung des (Flug-)Verkehrs eine geplante Rückreise an seinen Einsatzort nicht antreten kann. Eine Ausnahme kann bestehen, wenn die Verhinderung nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ besteht, d.h. nicht länger als 5 Tage. Dies gilt allerdings wiederum dann nicht, wenn die Anwendung von § 616 BGB durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ausgeschlossen ist.

Wenn ein Mitarbeiter aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne ist, besteht zwar kein Anspruch auf Vergütung (siehe oben), dafür allerdings ein Anspruch auf Verdienstausfall nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz). Gewährt werden in diesem Fall folgende Entschädigungen:

  • bis Woche 6: Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls (Netto-Arbeitsentgelt),
  • ab Woche 7: Entschädigung in Höhe des Krankengeldes.

Regelmäßig zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung für die Dauer von 6 Wochen an den Mitarbeiter aus (§ 56 Abs. 5 IfSG). Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde im Nachhinein erstattet. Ein entsprechender Antrag ist jedoch innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Beendigung der Quarantäne zu stellen. Welche Behörde zuständig ist, richtet sich in diesem Zusammenhang nach dem jeweiligen Landesrecht. Weiterhin besteht auch die Möglichkeit, als betroffener Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages zu beantragen, § 56 Abs. 12 IfSG.
 

Checkliste bei Verdienstausfall bei Quarantäne:

  • Erscheint ein Mitarbeiter mit der Begründung nicht zur Arbeit, unter Quarantäne zu stehen, ist die Gehaltszahlung einzustellen,
  • der Arbeitgeber hat sich dann vom betroffenen Mitarbeiter die Anordnung von der zuständigen Behörde über die Untersagung der Ausübung der beruflichen Tätigkeit vorlegen zu lassen (vgl. § 31 IfSG),
  • liegt der Bescheid vor, ist Verdienstausfall für sechs Wochen zu zahlen,

Verdienstausfall = „das Arbeitsentgelt (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (Netto-Arbeitsentgelt)“ (§ 56 Abs. 3 IfSG),

  • Antrag bei der zuständigen Behörde auf Zahlung eines Vorschusses.

 

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/newsletter/detail/coronavirus-rechtliche-auswirkungen-auf-unternehmen

Autor/in
Volker Steimle

Volker Steimle
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Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco)

Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco)
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