22.10.2019

Nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG) verfassungswidrig?

Mit dem bereits diese Woche im Bundeskabinett zur Verabschiedung anstehenden Entwurf eines Gesetzes über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG) leitet die Bundesregierung einen weiteren Schritt der Umsetzung des am 20. September 2019 vorgelegten Klimaschutzprogramms ein. Dieses sieht als eine zentrale Maßnahme die Einführung einer CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr ab dem Jahr 2021 vor. Das Instrument für diese CO2-Bepreisung soll ein nationales Brennstoff-Emissionshandelssystem sein. Es soll ab 2021 für die Sektoren Verkehr und Wärme (Non-ETS-Sektoren) eingeführt werden und neben dem europäischen Emissionshandelssystem bestehen.

Hintergrund

Der erst am letzten Samstagabend den Verbänden übermittelte Referentenentwurf des BEHG weist in seiner Grundstruktur eine Ähnlichkeit mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz auf: Überwachungspläne, Härtefallregelungen, jährliche Berichterstattungen mit Verifizierungspflichten und Sanktionen einschließlich spürbarer Bußgelder sowie die Vollzugszuständigkeit der Deutschen Emissionshandelsstelle lassen erneut die Entstehung eines Bürokratiemonsters befürchten. Auf die nach den Vorstellungen des Bundesumweltministeriums ca. 4.000 zukünftigen Teilnehmer des nationalen Emissionshandels werden erhebliche administrative Lasten zukommen.

Während die Details des Gesetzentwurfs noch einer näheren juristischen Betrachtung bedürfen, kristallisiert sich bereits jetzt eine grundlegende verfassungsrechtliche Frage hinaus: Wäre das BEHG in seiner jetzt vorgestellten Form überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar? Bedenken bestehen insbesondere im Zusammenhang mit den Anforderungen der Finanzverfassung. Die Emissionszertifikate des nationalen Emissionshandelssystems sollen bis 2025 für einen Festpreis verkauft und später dann versteigert werden. Die Erlöse werden dem Bund zukommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Emissionshandel ist ein solcher Mechanismus mit der Erzielung signifikanter Einnahmen zugunsten des Bundeshaushalts am Maßstab der grundgesetzlichen Finanzverfassung zu messen. Die obersten Richter sehen hierin eine nichtsteuerliche Abgabenerhebung, die nur bei einer besonderen sachlichen Rechtfertigung verfassungsgemäß ist.

Beim EU-Emissionshandel erkannte Karlsruhe diese in der durch die Mengenfestlegungen klar definierten CO2-Emissionsobergrenze, durch die die Reinheit der Luft zu einer knappen natürlichen Ressource geworden sei. Die verfassungsgerichtliche Entscheidung enthielt dabei allerdings eine wichtige Einschränkung: „Entscheidet sich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber für eine Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen, muß allerdings das als knapp definierte Gut mengenmäßig begrenzt werden. Denn nur wenn die Zahl der ausgegebenen Berechtigungen hinter dem Bedarf zurückbleibt, kann sich ein Marktpreis bilden, der die Marktteilnehmer zu kosteneffizientem Verhalten veranlaßt. Ohne diese staatliche Festlegung der Nutzbarkeit der Luft wäre das Emissionshandelssystem funktionslos.“ (BVerfG, Beschluß vom 5. März 2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 ff., Rn. 35).

Diese Rechtsprechung läßt erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des jetzt vorgelegten Entwurfs des BEHG aufkommen. Denn es fällt auf, daß die Bundesregierung jedenfalls für die ersten Jahre bis 2025 überhaupt nicht beabsichtigt, die nationalen Emissionszertifikate mengenmäßig zu beschränken. Vielmehr sieht § 5 des Entwurfs vor, bei Überschreitungen des nationalen Emissionsbudgets in der von § 11 Abs. 2 BEHG-E festgelegten Einführungsphase der Jahre 2021 bis 2025 die Flexibilisierungsinstrumente nach der EU-Klimaschutzverordnung zu nutzen. Oder im Klartext: Ein leeres Budget des nationalen Emissionshandelssystems würde durch den Bund bedarfsgerecht wiederaufgefüllt werden. Damit dürfte es aber an der verfassungsgerichtlich geforderten Notwendigkeit eines knappen und mengenmäßigen Guts fehlen.

Tatsächlich zeigt sich hier der wahre Kern des nationalen Emissionshandelssystems: Es geht darum, die Verursacher von CO2-Emissionen finanziell zu belasten, ohne daß dies durch eine von Teilen der Großen Koalition abgelehnte Erhöhung der Energiesteuersätze erfolgt. Verfassungsrechtlich kann dies valide juristische Angriffspunkte bieten.

 

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Partner
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