30.09.2022
Rechtliche Streitigkeiten zu vertraglichen Verhältnissen auf eBay sind keine Neuheit. Ungeklärt ist bislang, wann die zugehörige negative Bewertung eines Verkäufers durch den Käufer zu entfernen ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage nun zu Gunsten des Käufers höchstrichterlich entschieden.
Der Käufer erwarb über die Plattform eBay vier Gelenkholzscheiben von der Verkäuferin. Der Preis für die Gelenkholzscheiben betrug 19,26€. Die zusätzlichen Versandkosten betrugen 4,00€. Das Vertragsverhältnis schlossen die Parteien unter Einbeziehung der AGB von eBay. Die AGB von eBay regelten folgenden Passus von Relevanz für die anschließende Bewertung:
„Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.“
Nach Abwicklung des Kaufs hinterließ der Käufer folgende Bewertung des Verkäufers auf dessen Benutzerprofil:
„Ware gut, Versandkosten Wucher!“
Der Käufer ist der Ansicht, der Teil der Bewertung „Versandkosten Wucher“ sei unzulässig und erhob Klage hiergegen. Das Amtsgericht hat die Klage zunächst abgewiesen. In seinem Urteil hat es darauf abgestellt, dass ein Werturteil nur in Fällen von Schmähkritik unzulässig ist. Schmähkritik beinhalte die Besonderheit, dass die Äußerung keinen sachlichen Anknüpfungspunkt aufweist. Schmähkritik liege damit erst vor, wenn die Äußerung nicht der sachlichen Auseinandersetzung dient und zum Zweck der Herabwürdigung und Diffamierung erfolgt. Das Amtsgericht wies die Annahme einer Schmähkritik unter Verweis auf den Bezug zu den gegenständlichen Versandkosten zurück, da dieser einen ausreichenden Sachbezug beinhalte.
Hat das zuständige Amtsgericht die Klage noch unter dem Aspekt eines zulässigen Werturteils abgelehnt, gab das Landgericht der Klage auf Unterlassung unter Verweis auf die Verletzung einer Nebenpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB statt. Dabei stellte es primär auf den oben genannte Passage der AGB von eBay ab, die einen über die Schmähkritik hinausgehenden Schutz beinhalte. Es reiche bereits aus, dass die Bewertung nicht sachlich gehalten sei. Nach Ansicht des Landgericht fehlte es der Bewertung bereits an ausreichender Sachlichkeit aufgrund überspitzter Formulierung. Auch sei ein Anknüpfungspunkt für die Bewertung als „Wucher“ für den Leser der Bewertung nicht erkennbar.
Die Verkäuferin begehrte nun mit der Revision die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Der BGH schließt sich mit seiner Entscheidung vom 28.09.2022 im Ergebnis der Ansicht des Amtsgerichts an. Im Wesentlichen stellt der Kunde wie das Amtsgericht auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz ab. Die Freiheit der Meinungsäußerung umfasse nach dem BGH auch Kritik, die ein überzogenes oder überspitztes Ausmaß erreicht. Erst die Schmähkritik setze der Meinungsfreiheit des Käufers eine Grenze. Diese Grenze überschreite der Käufer hier nicht, da er sich mit seiner Äußerung über die Kosten der Lieferung zumindest teilweise mit der Leistung des Verkäufers sachlich auseinandersetzt und eine Diffamierung nicht im Vordergrund stehe. Eine fehlende Begründung dieser Bewertung stehe der Zulässigkeit ebenfalls nicht entgegen, da eine Begründung für eine zulässige Meinungsäußerung nicht erforderlich sei.
Die Entscheidung schafft Klarheit in Bezug auf negative Bewertungen von Händlern durch ihre Kunden auf Onlineplattformen. Der BGH belässt es im Wesentlichen bei den zentralen Anknüpfungspunkten einer unzulässigen Bewertung, indem er weiterhin auf die Grenze der Schmähkritik abstellt. Insbesondere legt er die maßgebliche Regelung der AGB von eBay dahin aus, dass diese keine über die Schmähkritik hinausgehende Grenze enthalten. Diese Einschätzung stützt er auf die Auslegung der AGB, denen sich kein zusätzliches Sachlichkeitsgebot entnehmen lasse. Diese Wertung stützt der BGH auf drei zentrale Punkte:
Erneut nutzt der BGH somit die Möglichkeit, um die Meinungsfreiheit auch von Äußerungen auf Onlineplattformen zu stärken. Die Entscheidung ist insoweit nicht gänzlich überraschend, da bereits zuvor obergerichtliche Rechtsprechung auf die Schmähkritik als Grenze einer zulässigen Bewertung abgestellt hatte. So hatte in der Vergangenheit bereits das OLG Düsseldorf ein Werturteil in einem vergleichbaren Kontext einer Negativbewertung auf eBay unter Verweis auf die fehlende Schmähkritik nicht ausreichen lassen. Es hatte vielmehr darauf abgestellt, dass die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit einen strengen Maßstab bei der Bejahung eines Unterlassungsanspruchs bezogen auf eine negative Bewertung erfordere.
Es handelt sich um eine Entscheidung mit vordringlicher Relevanz für sämtliche Kunden und Händler auf der Plattform eBay. Darüber hinaus lässt sich auch für andere Onlineplattformen der Schluss ziehen, dass auch hier die Rechte des Kunden auf negative Bewertung eines Händlers weitreichend sind und erst in der Schmähkritik ihre Grenze finden.
Zukünftig dürften die ordentlichen Gerichte bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit negativer Bewertungen auf Onlineplattformen dem Verlangen des Händlers erst stattgeben, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist.
Für Händler auf Onlineplattformen bedeutet die Entscheidung, dass sie auch bei negativen Bewertungen diese grundsätzlich hinnehmen müssen, sofern die Äußerung nicht jeglicher sachlichen Auseinandersetzung entbehrt.
Offen bleibt die Frage, inwieweit ein ausdrückliches Sachlichkeitsgebot in den AGB von eBay zu bewerten wäre. Denn der BGH stellt zumindest nach der aktuellen Pressemitteilung darauf ab, dass sich den AGB von eBay ein Sachlichkeitsgebot nicht entnehmen lasse. Insofern bleibt die Frage bestehen, ob ein Sachlichkeitsgebot sich über AGB überhaupt wirksam einbeziehen ließe. Eine Beantwortung dieser Frage liefern womöglich in naher Zukunft die Urteilsgründe.