13.02.2019
13.02.2019
Öffentliche Beschaffungsmärkte stellen für private Unternehmen eine sehr attraktive Absatzmöglichkeit dar. Jährlich werden in Deutschland öffentliche Aufträge in Milliardenhöhe an private Unternahmen vergeben. Dabei steht der Zugang zu den staatlichen Ausschreibungen in Deutschland auch ausländischen Unternehmen – auch aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) – offen.
Aufgrund der Profitabilität ist das Interesse privater Unternehmen an öffentlichen Aufträgen entsprechend groß. Auch die öffentlichen Auftraggeber sind daran interessiert, mit ihren Ausschreibungen eine möglichst große Resonanz zu erzielen, um die Leistungen zu möglichst optimalen Konditionen einzukaufen. Dieses Interesse besteht auch grenzüberschreitend. Während die Teilnahme von Unternehmen aus den EU-Mitgliedsstaaten an öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland an der Tagesordnung ist, hält sich die Beteiligung von Bietern aus Drittstaaten in Grenzen, obwohl ihnen die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland keinesfalls verwehrt ist.
Das deutsche Vergaberecht zeichnet sich dadurch aus, dass sich jedes interessierte Unternehmen an einem Vergabeverfahren beteiligen kann. Dies gilt nicht nur für deutsche Unternehmen und Interessenten aus den EU-Staaten, sondern auch für Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten.
Dies wird bereits durch den im deutschen Vergaberecht verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz gesichert. Danach sind alle Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen gleich zu behandeln, insbesondere ist eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit des potenziellen Bieters oder des Sitzes seines Unternehmens verboten. Das Gesetz enthält keinerlei Einschränkungen dahingehend, dass der Kreis der potenziellen Bieter auf Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten begrenzt ist. Vielmehr ist bereits nach der Gesetzesbegründung zur Novelle 2016 eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft des Bieters auszuschließen und es darf nicht zwischen Bietern aus Deutschland, aus EU-Staaten oder aus Nicht-EU-Staaten unterschieden werden.
Dennoch bestehen wenige berechtigte und nachvollziehbare Ausnahmen von der Beteiligungszulässigkeit von Unternehmen aus Drittstaaten. So können öffentliche Auftraggeber zum einen im Sektorenbereich – Trinkwasserversorgung, Energieversorgung, Verkehrsleistungen etc. – Angebote zurückweisen, bei denen der Warenanteil zu mehr als 50 % des Gesamtwertes aus Ländern stammt, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind und mit denen auch keine sonstigen Vereinbarungen über den gegenseitigen Marktzugang bestehen. Zum anderen kann sich der Markt für Aufträge im Bereich der Sicherheit und Verteidigung aus schützenswerten Erwägungen unter Umständen als schwer zugänglich darstellen.
Im Übrigen gewährt das deutsche Vergaberecht neben den inländischen und europäischen Unternehmen gleichermaßen auch Unternehmen aus Drittstaaten einen Anspruch auf Teilnahme an einem Vergabeverfahren in der Bundesrepublik und sichert die Teilnahme durch verfahrensrechtliche Festlegungen.
So ist es unter anderem unzulässig, die an Ausschreibungen teilnehmenden Unternehmen zur ausschließlichen oder überwiegenden Verwendung inländischer Produkte oder zur Beschäftigung inländischer Arbeitskräfte zu verpflichten, Zertifikate, die nur von deutschen Behörden ausgestellt werden können, zu fordern oder Termine in der Weise festzulegen, dass sie nur von ortsansässigen Teilnehmern wahrgenommen werden können. Dies zeigt, dass die Möglichkeit zur Beteiligung ausländischer Unternehmen an staatlichen Vergaben auch während des Vergabeverfahrens durchgehend gesichert ist.
Das europäische Vergaberecht ist in den Vergaberichtlinien niedergelegt. Diese haben zwar den Schutz vor Diskriminierung vor allem für Wirtschaftsteilnehmer aus Mitgliedstaaten im Blick. Jedoch erstreckt sich das Nichtdiskriminierungsgebot nicht nur auf den europäischen Binnenmarkt, sondern umfasst gleichermaßen auch potenzielle Bewerber und Bieter aus Nicht-EU-Staaten.
Auf internationaler Ebene ist das Government Procurement Agreement (GPA) – das internationale multilaterale Beschaffungsübereinbkommen der Welthandelsorganisation (WTO) – vergaberechtlich relevant. Dieses garantiert seinen Mitgliedern den Zugang zu den Beschaffungsmärkten jeweils anderer Vertragsparteien des Abkommens und legt Grundregeln für die Beschaffungsverfahren fest, die die Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung der Vertragsparteien als Bieter im Vergabeverfahren gewährleisten und deren Teilnahme an den Beschaffungen vereinfachen.
Mittlerweile zählt die EU mit ihren 28 Mitgliedstaaten und weitere 14 Staaten zu den Vertragsparteien des GPA.
Das deutsche Vergaberecht ermöglicht den Zugang zum heimischen Beschaffungsmarkt für alle potenziellen Bieter, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder dem Sitz ihres Unternehmens.Will ein Unternehmen aus einem Nicht-EU-Staat an einem Vergabeverfahren in Deutschland teilnehmen, stehen diesem Ansinnen keine wesentlichen vergaberechtlichen Beschränkungen im Wege. Weder ist hierzu eine Mitgliedschaft in einem Abkommen wie dem GPA erforderlich noch muss der potenzielle Bieter über einen Sitz oder eine Niederlassung in Deutschland verfügen. Nach dem deutschen Vergaberecht wird auch keine Gegenseitigkeit vorausgesetzt, das bedeutet, es ist nicht erforderlich, dass in dem Herkunftsstaat des Bieters eine Möglichkeit für deutsche Bieter besteht, an den dortigen staatlichen Beschaffungsverfahren teilzunehmen.
Weiterlesen: Obwohl es für eine Beteiligung an staatlichen Ausschreibungen nicht erforderlich ist, einen Unternehmenssitz in Deutschland zu haben, kann ein solcher oder eine Niederlassung dennoch hilfreich für die Abwicklung des Auftrages sein. Wie ein Unternehmen oder dessen Niederlassung in Deutschland gegründet werden kann, zeigen wir in unserem weiteren Blogbeitrag auf.
Jenny Tsynn |
Jenny Tsynn
Senior Associate
Leipzig
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