30.06.2020
In Sachen Smartlaw liegt seit kurzem die Berufungsentscheidung vor. Während das LG Köln in dem streitgegenständlichen Angebot von elektronisch generierten Vertragsdokumenten einen Rechtsverstoß sah, erteilte das OLG Köln in der Berufungsinstanz dieser Auffassung nun eine Absage und entschied mit Urteil vom 19. Juni 2020, dass das Anbieten derart generierter Rechtsdokumente zulässig sei und keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung darstelle.
Anhand eines Frage-Antwort-Systems können Nutzer des Angebots „Smartlaw“ des Verlages Wolters Kluwer individualisierte Rechtsdokumente wie Verträge, Vollmachten oder Vorlagen für Gesellschafterbeschlüsse erstellen und käuflich erwerben. Beworben wurde das Angebot auf der Website mit Slogans wie „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“, „günstiger als ein Anwalt“ und „Unsere Partner: Top-Anwälte und Spitzenkanzleien“. Das Impressum enthielt einen Hinweis auf den Charakter der generierten Dokumente als (lediglich) Verlagserzeugnisse und nicht als Ergebnis einer Rechtsberatung.
Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hielt sowohl den Vertragsgenerator als auch die genutzten Werbeslogans für unzulässig und klagte vor dem LG Köln. Die Rechtsanwaltskammer war der Auffassung, das Angebot biete Dienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz an ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Die zitierten Werbeslogans wären zudem irreführend, da Nutzer über die Rechtmäßigkeit des Leistungsangebots getäuscht würden. Zudem würde der unrichtige Eindruck vermittelt, die Dokumente entsprächen qualitativ den Beratungsprodukten eines Rechtsanwalts. Der Verlag argumentierte dagegen, der Vertragsgenerator wirke ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung der Steuererklärung und die Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten. Das Landgericht folgte den Ansichten der Rechtsanwaltskammer – der Klage wurde stattgegeben. Hiergegen legte „Smartlaw“ mit Erfolg Berufung ein.
Dem OLG Köln nach liege der behauptete Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht vor, da das Generieren von Rechtsdokumenten keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung darstelle. Der Begriff der Rechtsdienstleistung sei nach der Rechtsprechung des BGH zum Mitpreisrechner „wenigermiete.de“ (wir berichteten bereits hier) eng zu verstehen. Es setze die Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit voraus, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordere. Das Angebot von „Smartlaw“ biete jedoch in dem Sinne keine rechtliche Prüfung des Einzelfalls, sondern laufe – für den Anwender erkennbar – nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwort-Schema ab. Zwar möge die Vertragsgestaltung im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Bei dem Vertragsgenerator werde hingegen lediglich ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt, was noch keine Rechtsprüfung darstelle. Vielmehr erstelle der Anwender den Vertrag selbst und dabei leiste der Generator EDV-gestützt lediglich Unterstützung. Der Vertragsgenerator stelle damit ein nutzerfreundliches und attraktives Hilfsangebot für Verbraucher und Unternehmer dar. Bei seiner Entscheidung stützte sich das OLG Köln auf die Ausführungen des BGH zum Mitpreisrechner, welcher sich in Richtung einer Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes für eine großzügige Betrachtung bzw. enge Auslegung des Begriffs einer „Rechtsdienstleistung“ ausgesprochen hat.
Soweit sich die Berufung gegen die oben genannten Werbeslogans richtete, hatte der Verlag diese nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass das Verwendungsverbot diesbezüglich bereits rechtskräftig geworden ist.
Es bleibt spannend in Sachen „Smartlaw“. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen und die Hanseatische Rechtsanwaltskammer kündigte bereits an, Revision einzulegen.
Zwar zeichnet sich nach diesem Urteil auch weiterhin eine Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes ab. Gleichwohl merkt das OLG Köln aber auch an: Formulargeneratoren können eine tatsächlich individualisierte Rechtsberatung nicht ersetzen, sondern erweitern lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formularhandbüchern zur Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit. Offen bleibt die Frage, ab wann ein Hilfsangebot die Grenze zur Rechtsdienstleistung überschreitet – z.B. indem das Angebot ggf. Nutzer denken lässt, eigene Rechtsangelegenheiten durch pauschal generierte Dokumente vollständig und sinnvoll erledigen zu können. Denn ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung, so das OLG Köln, müsse dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Ob die Ansicht des OLG Köln, dass jedem bei Nutzung des Angebots „Smartlaw“ klar sei, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde, revisionssicher ist, wird sich zeigen.
Für die Zulässigkeit derartiger digitaler Lösungen und Hilfsangebote ist maßgeblich, welche Erwartungen der Rechtssuchende bei der Nutzung des Angebots hat. Mit Blick auf die nach einem Hinweis des Senats zurückgenommene Berufung zu den hier fraglichen Werbeslogans sollten derzeit wie auch künftig Legal-Tech Anbieter genau prüfen, wie sie ihre Produkte darstellen und bewerben. Zudem gilt für Legal-Tech Anbieter weiterhin stets die Prüfpflicht, wie „nah“ ihre Angebote einer Rechtsdienstleistung kommen.
Murat Deniz Akgül
Senior Associate
Berlin
Jasmina Hamdi
Referendarin
Berlin