13.12.2019

Online-Händlern droht Haftung wegen Markenrechtsverletzungen Dritter

Für Online-Händler, die auch den Verkauf von Produkten durch Drittanbieter zulassen (z. B. der sog. Marketplace bei Amazon), könnte es schon bald sehr unangenehm werden. In einem Ver-fahren gegen Amazon vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Az. C-567/18) soll nach Ansicht des Generalanwalts der Versandriese künftig verstärkt für Markenrechtsverletzungen Dritter auf seinem Marketplace zur Verantwortung gezogen werden. Folgt der EuGH der Auffassung des Generalanwalts, könnte dies zu einer grundlegenden Veränderung im gesamten Onlinehandel mit Drittanbietern führen.

Hintergrund

Hintergrund des Gutachtens des Generalanwalts ist ein Rechtsstreit in Deutschland zwischen dem Parfum- und Kosmetikkonzern Coty Germany und der Online-Handelsplattform Amazon. Im Rahmen von Testkäufen hatte Coty festgestellt, dass Drittanbieter über den Amazon-Marketplace das Parfum „Davidoff Hot Water“ verkauften. Coty hält die Lizenz an der Marke „Davidoff“ und hatte dem Verkauf des Parfums zuvor nicht zugestimmt. Coty hatte daraufhin die Drittanbieter sowie Amazon auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt.

Das Angebot selbst war Teil des Programms „Versand durch Amazon“, welches Drittanbietern ermöglicht, ihre Waren in Amazon-Logistikzentren zu lagern. Diese werden dann im Anschluss an eine Bestellung durch Amazon verpackt und an den Kunden versendet. Der Kaufvertrag kommt hierbei nicht zwischen dem Kunden und Amazon, sondern zwischen dem Kunden und dem Drittanbieter zustande. Nach Auffassung des Parfumkonzerns ist Amazon durch das Lagern und Verpacken der Ware für etwaige Markenrechtsverletzungen des Drittanbieters zumindest mitverantwortlich. Eine Inanspruchnahme des Versandkonzerns blieb jedoch bislang ohne Erfolg. Sowohl das Landgericht als auch Oberlandesgericht München ließen ein bloßes Verwahren oder Versenden markenrechtsverletzender Waren für einen Dritten, der die Waren vertreibt, für eine Inanspruchnahme nicht ausreichen. Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte schließlich das Verfahren aus und suchte Rat beim EuGH.

Vorlagefrage des BGH und Gutachten des Generalanwalts des EuGH

Der BGH hatte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Art. 9 der Unionsmarken-Verordnung ((EU) 2017/1001) vorgelegt. Konkret sollte der EuGH klären, ob Personen bzw. Unternehmen, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagern, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, die Ware im Sinne der Verordnung "besitzen", wenn nicht die Person bzw. das Unternehmen selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

Amazon beruft sich darauf, dass das bloße Verwahren oder Versenden von Waren für einen Dritten regelmäßig nicht zu dem Zwecke erfolge, die Waren selbst anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Eine verbotene Benutzungshandlung setze einen solchen qualifizierten Zweck jedoch voraus. Eine Haftung sei damit in der vorliegenden Konstellation ausgeschlossen.

Aus Sicht des Generalanwalts am EuGH, Manuel Campos Sánchez-Bordona, soll Amazon unter Umständen jedoch für Markenrechtsverletzungen auf dem Amazon-Marketplace haften. Dies geht aus seinen Schlussanträgen hervor, die am 28. November 2019 veröffentlicht wurden (Rechtssache C-567/18). Reine Lagerhalter, die lediglich Hilfsaufgaben übernehmen, seien von der Haftung befreit, nicht jedoch solche Unternehmen, die sich aktiv am Vertrieb der Ware beteiligen. Bei Amazon betreffe dies solche Waren, die im Rahmen des Programms „Versand durch Amazon“ vertrieben werden. In diesem Zusammenhang trete Amazon nicht als neutraler Lagerhalter auf, sondern beteilige sich aktiv am Vertrieb der Waren und lagere die Waren zum Zweck des Anbietens und Inverkehrbringens. Auch die fehlende Kenntnis von Markenrechtsverletzungen führe nicht zur Haftungsbefreiung des Versandkonzerns. Aufgrund der „wesentlichen Beteiligung am Vertrieb“ werde das Unternehmen stets aufgefordert, besonders sorgfältig die Rechtmäßigkeit der dort gehandelten Waren zu überprüfen. Nach Ansicht des Generalanwalts sollten sich Betreiber von Onlineplattformen bewusst sein, dass sie ohne Kontrolle der Waren als Vertriebskanal für illegale, gefälschte, gestohlene oder unethische Produkte dienen können. Damit distanziert sich der Generalanwalt des EuGH deutlich von der bisherigen Rechtsprechung der nationalen Gerichte.

Es bleibt abzuwarten, welcher Auffassung sich der EuGH in dieser Sache anschließt. Sein Grundsatzurteil, auf dessen Basis sodann der BGH den Einzelfall entscheiden wird, wird innerhalb der nächsten Monate erwartet.

Unser Kommentar

Folgt der EuGH, wie so häufig, der Ansicht des Generalanwalts, könnte dies zu grundlegenden Veränderungen im Onlinehandel führen, die sich nicht nur auf Amazon, sondern auch auf ähnlich agierende Unternehmen wie z.B. Ebay auswirken könnten.

Für Amazon stellt das Programm „Versand durch Amazon“ bislang einen wesentlichen Teil des Geschäftsmodells dar, da es nicht nur Amazon selbst, sondern auch den Verbrauchern Vorteile bringt und zusätzlich die Umwelt schont. Das Programm ermöglicht beispielsweise, dass bei der Bestellung mehrerer Teile durch den Kunden die Ware in nur einer Paketsendung verschickt werden kann. Obgleich eine verschärfte Haftung der Onlineplattformen verhindern würde, dass sich Onlinehändler, die sich an einem Verkaufsprozess beteiligen, aus der Verantwortung ziehen können, könnten die erhöhten Haftungsrisiken im Ergebnis dazu führen, dass derartige Leistungen  zukünftig nicht mehr angeboten werden. Um das Haftungsrisiko so gering wie möglich zu halten, wären Handelsplattformen, die Produkte von Drittanbietern vertreiben, dazu angehalten, die gehandelten Produkte regelmäßig und fortlaufend auf ihre Legalität hin zu überprüfen. Die betroffenen Unternehmen kämen insofern nicht umhin, weniger zusätzliche Leistungen (wie die Übernahme des Versands) anzubieten oder mehr Mittel zur Verfolgung von Markenrechtsverletzungen aufzuwenden, um höhere Schadensersatzzahlungen zu vermeiden.

Einen positiven Effekt verspricht das Gutachten des Generalanwalts allerdings für die Inhaber der verletzen Marken: etwaige Ansprüche könnten dann nicht mehr nur gegenüber dem Händler, sondern auch gegenüber Amazon durchgesetzt werden. In Anbetracht der Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung gegen ausländische Händler, dürfte dies eine ganz erhebliche Erleichterung in der Verteidigung der eigenen Marken bedeuten. Die Entscheidung des EuGH ist daher mit Spannung zu erwarten.

 

Dr. Jennifer Velz
Associate
Köln

Ann Cathrin Müller
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Köln