01.03.2018
01.03.2018
Pardon? - Übersetzung bei EU-Auslandszustellung
Im europäischen Rechtsraum werden 24 verschiedenen Amtssprachen gesprochen. Innerhalb der EU ist also mit sprachlichen Hürden zu kämpfen. Für das Zivilverfahrensrecht spielt dieser Aspekt insbesondere bei der Zustellung von Schriftstücken im Ausland eine gewichtige Rolle. Wird etwa ein Gerichtsverfahren mit Beteiligung von Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten eingeleitet, stellen sich unter anderem die Fragen: Ist eine Übersetzung von Schriftstücken überhaupt erforderlich? Welche Anforderungen sind an eine Übersetzung zu stellen und kann der Empfänger des zuzustellenden Schriftstücks die Annahme verweigern, wenn dem Schriftstück keine Übersetzung in die von ihm beherrschte Sprache beigefügt wird?
Wann ist eine Übersetzung erforderlich?
Die Zustellung von Schriftstücken innerhalb der EU ist in der Verordnung zur „Zustellung von Schriftstücken“ (VO (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten; nachfolgend EuZVO) geregelt. Danach kann ein Schriftstück nur wirksam zugestellt werden, wenn es in einer Sprache verfasst ist, die der Empfänger versteht (vgl. Art. 5 Abs. 1 EuZVO). Hintergrund ist das in jedem Mitgliedsstaat verfassungsrechtlich verankerte Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Folglich obliegt es dem Antragsteller, eine wirksame Zustellung herbeizuführen, indem dieser dem Schriftstück eine passende Übersetzung beifügt, sofern der Empfänger der Sprache des jeweiligen Schriftstücks nicht mächtig ist. Ein Gerichtsverfahren wird damit erst rechtshängig, wenn dementsprechend wirksam zugestellt wurde.
Welche Schriftstücke müssen übersetzt werden?
Ist für eine wirksame Zustellung des Schriftstücks seine Übersetzung erforderlich, stellt sich die Frage, welche formellen Anforderungen an eine solche Übersetzung zu stellen sind. Geht es um ein Gerichtsverfahren, muss der Empfänger immer in der Lage sein, sich gegen die Ansprüche der anderen Partei angemessen verteidigen zu können. In welchem Umfang hierfür eine Übersetzung erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich muss zumindest das einleitende Schriftstück für das Gerichtsverfahren (in Deutschland eine Klageschrift) übersetzt werden. Die Anlagen zu einer Klageschrift müssen beispielsweise nicht übersetzt werden, wenn sich Gegenstand und Grund des Antrags auch ohne Anlage für den Empfänger erschließen (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2008:264). Ferner ist eine einfache Übersetzung ausreichend und eine beglaubigte Übersetzung durch einen öffentlich bestellten Dolmetscher nicht von Nöten (vgl. Art. 4 IV EuZVO).
Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers
Erhält der Empfänger ein nicht übersetztes Schriftstück und versteht er dieses nicht in der Sprache, in der es verfasst ist, steht ihm nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO ein sog. Annahmeverweigerungsrecht zu. Nach Anhang II zur EuZVO wird der Empfänger zunächst von der Empfangsstelle darüber aufgeklärt, dass er die Annahme des betreffenden Schriftstücks entweder verweigern oder das Schriftstück innerhalb einer Frist von einer Woche zurücksenden kann. Adressat für die Rücksendung ist nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 EuZVO die Empfangsstelle.
Erweist sich die Annahmeverweigerung als unberechtigt, so sind die Konsequenzen nach der lex fori des Übermittlungsmitgliedstaats zu beurteilen (vgl. BGH NJW 2007, 775). Das Gericht prüft, ob die Zustellung wirksam war. Aus deutscher Sicht dürfte § 179 S. 3 ZPO einschlägig sein, sodass das Schriftstück als zugestellt gelten würde. Bei einer berechtigten Annahmeverweigerung ist die Zustellung grundsätzlich unwirksam, wenn eine Heilung des Mangels nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2007,775). Eine Heilung kann nach Art. 8 Abs. 3 EuZVO bewirkt werden, wenn die Übersetzung so schnell wie möglich zugestellt wird.
Empfehlungen
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Zustellung ohne Übersetzung für den Antragsteller das Risiko einer unwirksamen Zustellung birgt. Diese könnte beispielsweise zur Folge haben, dass eine Klage nicht rechtshängig würde und Ansprüche aus dieser verjähren könnten. Dementsprechend sollte sich bei einer Zustellung innerhalb der EU versichert werden, welche Sprache der Empfänger eines Schriftstücks versteht und eine entsprechende Übersetzung, wenigstens des einleitenden Schriftstücks, beigefügt werden.
Dr. Stephan Bausch, D.U. |
Rita Ehrhardt
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