20.03.2019
20.03.2019
Die Europäische Kommission hat am 25. April 2018 das „Company Law Package“ vorgelegt und will damit das Gesellschaftsrecht digitalisieren. Kernanliegen ist die europaweite Zulassung der Online-Gründung von Kapitalgesellschaften, sodass ein persönliches Erscheinen vor einer öffentlichen Stelle zukünftig nicht mehr zwingend erforderlich sein könnte.
Schneller, einfacher, günstiger – Die Online-Gründung soll die Eintragung der Gesellschaft innerhalb von nur fünf Tagen ermöglichen, ohne dass die physische Anwesenheit des Gründers bei einem Notar zur Handelsregisteranmeldung erforderlich ist. Die benötigten Dokumente sollen in elektronischer Form übermittelt werden können und die Identifikation soll entweder mit einem Personalausweis mit eID-Funktion oder per Videokonferenz erfolgen.
Aber erleichtert das Online-Verfahren tatsächlich den Geschäftsverkehr oder verursacht der technische Fortschritt mehr Rechtsunsicherheit?
Besonders bei einer Ein-Personen-GmbH soll die Online Gründung eine bequeme und kostengünstige Alternative darstellen. Online sollen standardisierte Mustersatzungen bereitgestellt werden, aus denen der Gründer die für sein Unternehmen passende auswählen kann.
Aber auch die Mehrpersonengründung soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission zulässig sein. Mit der Beteiligung mehrerer Personen steigt gleichzeitig aber auch der Beratungsbedarf und die Notwendigkeit einer individuellen Satzungsgestaltung, um Interessenkonflikte und zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Ohne eine persönliche Beratung kann in diesem Fall nicht sichergestellt werden, dass die Verwendung der Mustersatzung überhaupt sachgerecht ist, Minderheitsinteressen gewahrt und der Güterstand der Gründer zutreffend berücksichtigt werden oder anderweitige Rechtsunsicherheiten ausgeschlossen werden.
Der Vorschlag der EU-Kommission bezieht sich aber nicht nur auf die GmbH (und mit ihr die Unternehmergesellschaft (UG)), sondern auch die Gesellschaftsformen der Aktiengesellschaft (AG) und der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die sich durch eine komplexere und regelungsintensivere Organisationsstruktur und Finanzverfassung auszeichnen. Bei diesen Gesellschaftsformen erscheint eine umfassende rechtliche Beratung notwendig. Daher eröffnet der Richtlinienvorschlag die Möglichkeiten, dass die Mitgliedstaaten für komplexere Gesellschaftsformen keine vollständige Online-Gründung ermöglichen.
Vor dem Hintergrund des deutschen Systems der vorsorgenden Rechtspflege ist davon auszugehen, dass Deutschland bei der Umsetzung der Richtlinie von der Möglichkeit einer verpflichtenden Fernmitwirkung eines Notars für alle Online-Gründungen Gebrauch machen wird. Der Notar soll dabei als „Gatekeeper“ fungieren und nur zulässige Gründungsdokumente an das zuständige Registergericht weiterleiten.
Probleme treten insbesondere bei der Vollmachtsgründung auf, da es noch keine „E-Apostille“ gibt, die die Echtheit der Vertretungsmacht der auftretenden Person bestätigt. Zudem könnte der Gründer die Gesellschaft ohnehin selbst online gründen, sodass schon keine Notwendigkeit besteht, eine Online-Vollmachtsgründung zu ermöglichen.
Weiterhin bringt die Online-Gründung auch wesentliche Sicherheitsrisiken mit sich, die zum Missbrauch anregen. Damit keine Angaben verfälscht werden können, müssen alle erforderlichen Dokumente und Urkunden in beglaubigter elektronischer Form vorliegen. Das bloße Einscannen von Amtsblättern als PDF-Dokument kann keine ausreichende Rechtssicherheit gewährleisten.
Ähnliche Schwierigkeiten treten bei der Gesellschaftsgründung durch (ausländische) juristische Personen auf, da es noch keine tauglichen elektronischen Nachweise über deren Existenz oder Vertretungsverhältnisse gibt.
Zudem muss ein Identitätsbetrug effektiv verhindert werden. Zwar ist der Personalausweis mit eID-Funktion ein in Deutschland zulässiges Identifikationsmittel, andere Mitgliedsstaaten haben ein solches Notifizierungsverfahren allerdings noch nicht durchlaufen. Die Anerkennung elektronischer Identifizierungsmittel aus Drittstaaten ist ohnehin nicht zwingend, insofern wird wohl zumindest für Drittstaatenangehörige das Erscheinen vor einer öffentlichen Stelle erforderlich bleiben. Bei einem konkreten Betrugsverdacht soll die Anwesenheit der Gründer vor der zuständigen Behörde angeordnet werden können. Problematisch ist, dass dies zum Regelfall werden könnte und die Online-Gründung wiederum überflüssig machen würde.
Ein zukunftsorientiertes Verfahren zur Gesellschaftsgründung erscheint im Zuge der Digitalisierung und der Wettbewerbsfähigkeit in der EU unerlässlich. Trotzdem wird in vielen Fällen die physische Gründung eines Unternehmens weiterhin sinnvoll und notwendig sein, um die individuellen Bedürfnisse der Gründer vollständig zu erfassen und eine hinreichende Rechtssicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Online-Gründung in Deutschland im Wesentlichen auf die GmbH und die UG beschränkt wird sowie Vollmachts- und Sachgründungen ausgeschlossen werden.
Schwierigkeiten ergeben sich ebenso aus der Vereinbarkeit mit Datenschutzrichtlinien, den steigenden Anforderungen an die Geldwäscheprävention und wie erläutert den Nachweisschwierigkeiten bei Gründungen durch juristische Personen.
Erst wenn ausreichende Sicherheits- und einheitliche Nachweisstandards in der gesamten EU gewährleistet werden, kann die Online-Gründung in Europa wirkungsvoll etabliert werden. Im Ergebnis muss stark bezweifelt werden, dass die geringeren Gründungskosten und die beschleunigte Gründungsphase eine individuelle, bedarfsorientierte anwaltliche Beratung überwiegen können.
Patrick-Lukas Mamok |