07.09.2018

Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet – Welches Gericht ist zuständig?

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Hintergrund

07.09.2018

Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet – Welches Gericht ist zuständig?

Für eine auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Unterlassungsklage gegen die Berichterstattung auf der Internetseite einer ausländischen Rundfunkanstalt wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten sind die deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (kurz Lugano-Übereinkommen, im Folgenden: LugÜ) international zuständig. Dies entschied der Bundesgerichtshof (im Folgenden: BGH) mit Urteil vom 25. Oktober 2016 (Az. VI ZR 678/15). Demnach kann der Geschädigte unter Verweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (im Folgenden: EuGH) zum eDate-Advertising (Entscheidung vom 25. Oktober 2011, Az. C-509/09 u.a.) u.a. vor dem Gericht eines jeden Mitgliedsstaats Klage erheben, in dessen Hoheitsgebiet der im Internet veröffentlichte Inhalt zugänglich ist, sofern sich die Klage auf dieses Hoheitsgebiet beschränkt.
 

Hintergrund der Entscheidung

Obwohl der vom BGH entschiedene Themenkomplex zunächst an die berühmten Caroline von Monaco-Entscheidungen erinnert, lag dieser Entscheidung ein nicht weniger medienträchtiger Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin, Corinna Schumacher, erhob Klage gegen eine öffentlich-rechtliche Schweizer Rundfunkanstalt wegen der Veröffentlichung von Bildern und Videos im Internet, welche im Zusammenhang mit einem Krankenhausbesuch der Klägerin nach dem Skiunfall ihres Ehemannes, Michael Schumacher, entstanden sind. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. In Ihrer Klage begehrt sie die Unterlassung der Veröffentlichung in Deutschland und beruft sich auf ihr Recht am eigenen Bild.

Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht Köln hatte seine Zuständigkeit angenommen und die Klage mit Zwischenurteil für zulässig erklärt. Die Berufung der Beklagten hiergegen, in der sie die Unzuständigkeit des Landgerichts rügte, wurde zurückgewiesen, woraufhin sie Revision zum BGH einlegte.
 

Deutsche Gerichtsbarkeit

Der BGH hatte neben der Frage der internationalen Zuständigkeit zunächst von Amts wegen über den Grundsatz der Staatenimmunität nach § 20 Abs. 2 GV, Art. 25 GG zu entscheiden. Nach Art. 27 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität kann die Beklagte als Schweizer Rundfunkanstalt des Öffentlichen Rechts vor dem Gericht eines anderen Mitgliedsstaats wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden, soweit sie nicht hoheitlich gehandelt hat. Hoheitlich handelte sie – laut den Bundesrichtern – jedoch nicht. Nach dem zugrunde zu legenden deutschen Recht sei die Berichterstattung im Verhältnis zu dem von den hochgeladenen Bildern und Videos betroffenen Bürger dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen. Bei der Frage der Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Berichterstattung handele es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit. Der Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit sei nicht berührt.
 

Internationale Zuständigkeit

Hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit stellt sich zunächst die Frage nach den anwendbaren Vorschriften. Ausgangspunkt ist hierbei stets der Wohnort bzw. die Niederlassung der Beklagten. Liegt dieser / diese in einem Mitgliedsstaat der EU (mit Ausnahme von Dänemark), richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (kurz: EuGVVO). Liegt der Wohnsitz / die Niederlassung hingegen in Norwegen, Dänemark, Island oder – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall – in der Schweiz, findet das LugÜ Anwendung, welches der EuGVVO nachempfunden ist.

Gemäß Art. 5 Nr. 3 LugÜ kann eine Person in einem anderen Staat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden und das schädigende Ereignis in einem Ort dieses anderen Staates eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH fallen auch Persönlichkeits- und Ehrverletzungen unter den einheitlich auszulegenden Begriff der unerlaubten Handlung.

Sodann stellt sich die Frage, wie das Merkmal des Ortes, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht, im Lichte der Berichterstattung auf einer Internetseite auszulegen ist. Hierbei konnte der BGH auf die Entscheidung des EuGH zum eDate-Advertising (Az. C-509/09 u.a.) zurückgreifen, welche auf der Vorlagefrage des BGH zur Auslegung der Parallelvorschrift des Art. 5 EuGVVO a.F. beruhte. Der EuGH hatte entschieden, dass dem Kläger im Falle einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Veröffentlichungen im Internet mehrere Möglichkeiten offenstehen. Entweder kann die Klage vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber der Inhalte niedergelassen ist, vor den Gerichten des Mitgliedsstaats, in dem sich der Mittelpunkt der Interessen des Klägers befindet, oder vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich und der Schaden in diesem Hoheitsgebiet verursacht worden ist (EuGH NJW 2012, 137).

Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt hat, nahm der BGH basierend auf der dritten vom EuGH entwickelten Möglichkeit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Sinne einer „Teilerfolgsortzuständigkeit“ an.
 

Fazit und offene Frage

Die Entscheidung des EuGH zum eDate-Advertising eröffnet Geschädigten mehrere Möglichkeiten bezüglich des Ortes der Klageerhebung bei grenzüberschreitenden Persönlichkeitsverletzungen durch Veröffentlichungen im Internet. Das Urteil des BGH zur internationalen Zuständigkeit bei Klagen mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland schafft weitere Klarheit. Welcher Gerichtsstand für den Kläger am günstigsten ist, ist im Einzelfall genau zu prüfen.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH die interessante Frage, ob sich die begehrte Unterlassung mittels sog. „Geo-Blockings“ technisch tatsächlich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränken lässt, mithin, ob dem Anspruch nicht etwa der materiell-rechtliche Einwand der Unmöglichkeit entgegengehalten werden kann. Dies hat nun das LG Köln im Rahmen der Begründetheit der Klage zu entscheiden.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
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Stephanie Quaß
Rechtsanwältin
Associate
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