09.06.2017

Pittsburgh, nicht Paris – Trump und der Ausstieg aus dem Pariser Übereinkommen

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Hintergrund

09.06.2017

Pittsburgh, nicht Paris – Trump und der Ausstieg aus dem Pariser Übereinkommen

Nun ist es also doch: nach der Ankündigung – natürlich per Twitter – hat US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Übereinkommen verkündet. In bester Reality-TV-Manier mit dramatischen Kunstpausen und unter Applaus der Anwesenden im Rosengarten des Weißen Hauses. Und zum Entsetzen eines großen Rests der Welt.

Das im Dezember 2015 erarbeitete Pariser Übereinkommen, so der amerikanische Präsident zur Begründung, sei ein schlechter Deal für Amerika. Während es anderen Länder wie China noch über Jahre hinweg ungezügelte Treibhausgasemissionen erlaube, bestrafe es die US amerikanische Wirtschaft. Er repräsentiere aber Pittsburgh, nicht Paris. Ihm liege die Umwelt sehr am Herzen, einen solchen Deal könne er jedoch guten Gewissens nicht unterstützen. Man könnte ja einen neuen Pakt verhandeln. Einen fairen Deal. Überhaupt: Der weltweit führende Umweltschützer seien die Vereinigten Staaten. Die übrigen Länder hätten nach der Unterzeichnung im Jahre 2015 frohlockt, weil das Abkommen die US amerikanische Wirtschaft massiv benachteilige.

Die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft ließen nicht lange auf sich warten. Gewohnt zurückhaltend äußerte zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Bedauern über diesen Schritt. Am Freitag darauf war die Wortwahl schon lebendiger und nahezu ebenso dramatisch wie die des amerikanischen Präsidenten: Es gehe um die Bewahrung der Schöpfung. Der frisch gewählte französische Staatspräsident Macron konterte: "Make our planet great again". Ein viraler Hit in den sozialen Medien. Die Presse redet vom Mittelfinger, den Trump der Welt gezeigt habe. Die USA befinde sich in der zweifelhaften Gesellschaft solcher Nichtunterzeichner wie Nicaragua (die angaben, ihnen gehe das Abkommen nicht weit genug) und Syrien (die aus offensichtlichen Gründen andere Probleme haben).

Im eigenen Land verkündete der visionäre Elektro-Autobauer Elon Musk (Tesla) seinen sofortigen Rückzug aus einem Beratergremium des Präsidenten. Tim Cook, CEO der Apple Inc., tat ihm gleich. Bemerkenswert auch die Reaktion von Bill Peduto, demokratischer Bürgermeister von Pittsburgh: Seine Stadt, die sich bei den Wahlen 2016 überwiegend die Konkurrentin Hillary Clinton ausgesprochen hätte, habe ihren Aufschwung der Ausrichtung auf die Themen der Zukunft und nicht der Vergangenheit zu verdanken.

Was steckt wirklich dahinter?

Der Entscheidung scheint nach Medienberichten ein Lagerkampf vorausgegangen. Der eher liberale Flügel um Tochter Ivanka Trump, Schwiegersohn Jared Kushner und dem ehemaligen CEO von Exxon Mobile und jetzigen Außenminister Rex Tillerson habe auf einen Verbleib in der Vereinbarung gedrängt. Auf der anderen Seite stand der Vorsteher der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA, Scott Pruitt, erklärter Gegner von Klimaschutzmaßnahmen und langjähriger Skeptiker des Klimawandels. Und die strategischen Berater Stephen Miller sowie der ehemalige Chef von Breitbart News Stephen Bannon. Ihrer Empfehlung folgte Trump augenscheinlich. Der Ausstieg aus dem Klimaabkommen war ein Wahlversprechen; immer wieder hat er auf seinem Kampagnenzug den Ausstieg aus diesem "bad deal" beschworen. Mit der Ankündigung vom letzten Donnerstag möchte Trump sein Versprechen, die Jobs der fossilen Energiewirtschaft zurückzubringen, nun erfüllen; sie kommt daher nicht überraschend.

"The forgotten men and women will no longer be forgotten". "America first". - Aus der Antrittsrede des US-Präsidenten Trump am 21. Januar 2017

Das Pariser Übereinkommen

Mit dem Pariser Übereinkommen haben 197 Staaten zugesagt, den Klimawandel zu bekämpfen. Das vorrangige Ziel ist die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst unter 1,5 Grad Celsius. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts soll die Weltwirtschaft treibhausgasneutral sein. Ärmere Staaten sollen ab dem Jahre 2020 mit 100 Mrd. Dollar (Green Climate Fund) zur Ergreifung von Klimaschutzmaßnahmen unterstützt werden. Insbesondere Letzteres kritisierte Trump als unfair, weil es den amerikanischen Steuerzahler ein Vermögen koste.

Die Ziele sollen über national festgelegte Beiträge erfolgen, "gemeinsam, aber nach unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Begebenheiten" (Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens). Deutschland hat hierzu im November 2016 seinen Klimaschutzplan 2050 verabschiedet, ein - nicht unumstrittenes - Inventar nationaler Klimaschutzmaßnahmen. Der zentrale Beitrag zu den Pariser Klimaschutzzielen ist und bleibt aber europäische Emissionshandel, an dem sämtliche Mitgliedstaaten teilnehmen. Der gemeinsame national festgelegte Beitrag der EU, die dem Abkommen ebenso beigetreten ist, besteht in der unionsweiten Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 40 % bis 2030.

Die Vereinigten Staaten, nach China zweitgrößter Emittent des weltweiten Treibhausgasausstoßes, haben bislang keine national festgelegten Beiträge übermittelt. Es existieren lediglich die bislang die sog. "Intendend Nationally Determined Contributions", eine vorbereitende Absichtserklärung also, die die Vorgängerregierung unter Barack Obama zur Pariser Klimakonferenz mitgebracht hatte. Das Paket sah eine Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um 26-28 % gegenüber dem Niveau von 2005 vor. Im Energiesektor soll hierfür insbesondere der Clean Power Plan der Obama-Administration sorgen, ein Plan, mit dem die Bundesstaaten den Einsatz fossiler Brennstoffe mindern und die Erneuerbaren ausbauen sollen. Das Gesetz ist gegenwärtig Gegenstand bundesgerichtlicher Verfahren und wird von Trump und EPA-Behördenleiter Pruitt als "job-killing regulation" betitelt. Sein Fortbestand ist mehr als fraglich.

National festgelegte Beiträge aus den Vereinigten Staaten zum Pariser Übereinkommen gab es also bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Nach der Entscheidung des Präsidenten ist klar, dass dies ebenso wenig erfolgen wird, wie der unter Obama intendierte finanzielle Beitrag zum Green Climate Fund in Höhe von 3 Mrd. Dollar.

Austritt mit sofortiger Wirkung?

Juristisches...

Dennoch bleiben die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Übereinkommen vorerst verpflichtet. Ex-Außenminister John Kerry hatte das Abkommen am 22. April 2016 feierlich mit seiner Enkelin auf dem Schoß unterzeichnet. Es wurde am 3. September 2016 ratifiziert.

Bemerkenswertes Detail: Die offizielle Bezeichnung "Abkommen" bzw. "Übereinkommen" und nicht "Vertrag" ist bewusst gewählt. Im amerikanischen Recht wird zwischen internationalen Agreements (also Abkommen) und Treaties (also Verträgen) unterschieden. Für internationale Verträge ist zur Ratifikation die Zustimmung des Senats erforderlich (Article 2 Section 2 Clause 2 der US-Verfassung). Für die Ratifikation hätte die Obama-Adminstration allerdings im Senat keine Mehrheit gehabt. Die Ratifikation eines Agreements geschieht mittels einer sog. executive order und untersteht damit der alleinigen Exekutivbefugnis des US-Präsidenten. Diese executive orders dürften noch aus der Anfangszeit der Trump-Administration bekannt sein (Stichwort: Travel Ban). Agreements und Treaties sind allerdings gleichermaßen rechtsverbindlich.

So führt die Entscheidung auch keinen unmittelbar wirksamen Austritt herbei. Die Austrittsregelung des Art. 28 des Pariser Übereinkommens sieht vor, dass ein Rücktritt frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens erklärt werden kann. Die Erklärung erfolgt durch eine schriftliche Notifikation an den Generalsekretär der UN als Verwahrer des Einkommens. Nach der Erklärung wird der Austritt dann frühestens ein Jahr später wirksam. Die Möglichkeit eines früheren Austritts besteht theoretisch dennoch: Würden die Vereinigten Staaten den Austritt aus der Klimarahmenkonvention von 1992 erklären, würde automatisch der Austritt aus dem Pariser Übereinkommen folgen, vgl. Art. 28 Abs. 3 des Pariser Übereinkommens. Hiervon war allerdings in der Erklärung des Präsidenten keine Rede.

Daraus folgt: Ein Austritt kann frühestens zum 4. November 2020 wirksam werden. Denn das Pariser Übereinkommen trat am 4. November 2016 in Kraft. Damit kann die schriftliche Notifizierung erst am 4. November 2019 an den Generalsekretär der UN gerichtet und ein Jahr danach wirksam werden.

Diese zeitlichen Regelungen des Übereinkommens werfen die Frage auf, wie endgültig die Ankündigung vom 1. Juni 2017 zu nehmen ist:

Rücktritt vom Rücktritt oder Wiedereintritt?

Angenommen die US-Regierung erklärt schriftlich den Rücktritt nach dem 4. November 2019, könnte ein neuer US-Präsident diese Erklärung nach seiner Amtseinführung zurücknehmen. Oder könnten die Vereinigten Staaten nach einem wirksamen Austritt gar wiedereintreten?

Für beide Fragen enthält das Pariser Übereinkommen keine ausdrückliche Regelung. Ob ein Rücktritt vom Rücktritt oder der Wiedereintritt möglich ist, dürfte vom politischen Willen der Vertragsparteien abhängen. Angesichts der überragenden Bedeutung, die die internationale Staatengemeinschaft dem Übereinkommen bzw. dem Klimaschutz beimisst, dürfte wahrscheinlich sein, dass der zweitgrößte Emittent grundsätzlich wieder willkommen ist.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen muss nun also damit gerechnet werden, dass die Vereinigten Staaten nach dem 4. November 2019 den Rücktritt aus dem Pariser Übereinkommen erklären und ein Jahr später austreten werden.

Ausblicke

Tatsächlich bleiben die USA aus dem Pariser Übereinkommen vorerst verpflichtet. Generell ist jedoch zu beachten, dass die Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen maßgeblich vom politischen Willen der jeweiligen Vertragspartei abhängt. Sie sind in der Regel nicht gerichtlich durchsetzbar oder gar vollstreckbar. Das Pariser Übereinkommen setzt auf den politischen Druck der (Welt-)Öffentlichkeit.

Die internationale Staatengemeinschaft, allen voran die größten Treibhausgasemittenten China, die EU und Indien, haben als Reaktion auf die Entscheidung von Präsident Trump nachdrücklich ihr Engagement zum Klimabeitrag erklärt. Auch die britische Premierministerin Theresa May will an dem Übereinkommen unverändert festhalten. Auch nach den Wahlen zum britischen Unterhaus dürfte dies so bleiben. Die maßgeblichen politischen Kräfte im Vereinigten Königreich, Conservative Party, Labour Party und die Scottish National Party, sind Befürworter des Übereinkommens, Es scheint, die Welt ist entschlossen, fürs Erste auch ohne die Vereinigten Staaten die Bekämpfung des Klimawandels voranzutreiben. Auch in den USA selbst haben mehrere Bundesstaaten inzwischen angekündigt, ihre Klimaschutzziele nicht aufzugeben. Hinzu kommt ein Wandel des amerikanischen Energiesektors. Noch im Jahre 2005 lag der Anteil der Kohle bei der Stromerzeugung bei knapp 50 %. Mittlerweile sind es 30 % mit sinkender Tendenz. Während der Anteil der nuklearen Stromerzeugung bei konstanten 20 % liegt, haben die Erneuerbaren auf rund 15 % im Jahre 2016 zugelegt. Mit knapp 33 % ist Erdgas nun der Energieträger Nummer eins im amerikanischen Strommix. Zu verdanken ist der Erdgasboom der letzten 12 Jahre auch dem Einsatz der Fracking-Technologie. Erdgas verbrennt deutlich CO2-effizienter als etwa Kohle; der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Strom ist bei Erdgas rund 50 % niedriger. Günstiger Strom aus Erdgas und Erneuerbaren Energiequellen verdrängt die Kohle als Energieträger in den Vereinigten Staaten und führen zu geringeren Treibhausgasemissionen. Damit verlagern sich auf die Jobpotenziale in den jeweiligen Branchen. Im Verkehrssektor treiben die Ballungszentren in den Küstenstaaten die emissionsfreie Mobilität voran. Tesla verzeichnet mit seinem Mittelklasse-Modell 3 Verkaufsrekorde in den Vorbestellungen. Die Autos lösen eine Begeisterung aus, die stark an die Einführung des iPhones im Jahre 2007 erinnern. Obwohl noch nicht ein einziges Fahrzeug dieser Reihe gebaut und ausgeliefert wurde.

Allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten auch in anderen Ländern jene Kräfte in Politik und Wirtschaft stärkt, die Zweifel am bisherigen klimapolitischen Kurs etwa der Europäischen Union haben, finanzielle Überforderungen und Wettbewerbsnachteile für die heimische Industrie sowie zu große soziale Lasten fürchten.

Erste Signale einer politischen Bereitschaft, bisherige klimapolitische Zielsetzungen zu überdenken und in letzter Konsequenz abzuschwächen, zeigen sich dabei auch bereits in Deutschland: So diskutieren CDU und FDP derzeit bei den Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen darüber, die im Bereich des Wohnungsbaus häufig gerade von jungen Familien als belastend empfunden Vorgaben der auf den Klimaschutz zielenden Energieeinsparverordnung per Bundesratsinitiative für einige Jahre außer Kraft zu setzen, um die Verwirklichung preiswerterer Bauvorhaben zu ermöglichen. In der Bundes-CDU hat am Wochenende der konservative Berliner Kreis den klimapolitischen Kurs der Bundeskanzlerin angegriffen und eine Abkehr vom Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens gefordert.

Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass der großen politischen Empörung über den Schritt der USA eine Phase folgen wird, in der man auch in Europa neu darüber nachdenkt, wie ein gerechter Ausgleich zwischen klimapolitischen Zielen und den ökonomischen Interessen einer im internationalen Wettbewerb befindlichen europäischen Industrie aussehen kann.

 

Philipp-Alexander Schütter
Senior Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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