08.06.2020
Am 29. Mai 2020 ist das „Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Planungssicherstellungsgesetz – PlanSiG) in Kraft getreten. Mithilfe dieses Gesetzes soll die Durchführung von Planungs- und Genehmigungsverfahren unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie gewährleistet werden. Die vorgesehenen Erweiterungen sind zwar befristet, lassen sich aber zugleich als positiver Schritt in Richtung digitalisierter Genehmigungsverfahren bewerten.
Aufgrund der Pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen war in vielen Behörden der Publikumsverkehr zu beschränken oder einzustellen. Damit war die verfahrensrechtlich vorgeschriebene öffentliche Auslegung von Genehmigungs- oder Planungsunterlagen praktisch nicht mehr möglich. Auch Erörterungstermine und Antragskonferenzen konnten nicht wie vorgesehen durchgeführt werden. Im Ergebnis drohen dadurch erhebliche Zeitverluste, da Verfahrensschritte abgebrochen oder jedenfalls teilweise wiederholt werden müssen.
Hier setzt das neue Gesetz an: Es sieht für ein Vielzahl von Genehmigungsverfahren digitale Beteiligungsmöglichkeiten, wie die kontaktlose Öffentlichkeitsbeteiligung im Internet oder die neu eingeführte Online-Konsultation vor. Der weite Anwendungsbereich bezieht insbesondere das Immissionsschutzrecht und die Verfahren zur Netzplanung ein, gilt aber auch für Verfahren, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist sowie andere Fachplanungsgesetze, in denen eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben ist (u.a. WHG, BFernStrG, AtG). Ist bislang die öffentliche Bekanntmachung durch Aushang vorgeschrieben, kann diese nun durch die Veröffentlichung des Inhalts der Bekanntmachung im Internet ersetzt werden. Nicht ersetzt werden können allerdings Veröffentlichungen in amtlichen Verkündungsblättern.
Eine Veröffentlichung im Internet ist auch in Bezug auf die sonst auszulegenden Unterlagen oder Entscheidungen, auf die nicht verzichtet werden kann, möglich. Dazu bedarf es in der Bekannt-machung der Auslegung genauer Angaben, dass und wo die Unterlagen online verfügbar sind. Ergänzend sind etwaige fachgesetzliche Vorschriften zum Zugang über ein zentrales Internetportal zu beachten. Zusätzlich soll, soweit möglich, eine physische Auslegung erfolgen. Ist sie nach Bewertung der Behörde nicht möglich, sollen „andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten“ geschaffen werden, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte. In begründeten Fällen können die Unterlagen auch versandt werden, was nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden ist.
Das neue Gesetz ermöglicht nicht nur neue Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern auch Erörterungstermine, mündliche Verhandlungen und Antragskonferenzen können digital abgehalten werden. Das Gesetz führt dafür die neue Beteiligungsform der Online-Konsultation ein. Den Beteiligten muss Zugang zu den in dem ersetzen Präsenztermin behandelten Informationen und die Gelegenheit zur schriftlichen oder elektronischen Äußerung innerhalb einer angemessenen Frist gewährt werden. Diese Online-Konsultation kann mit Einverständnis der Beteiligten auch durch eine Telefon- oder Videokonferenz ersetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Einverständnis in der Praxis tatsächlich erzielbar ist. Handelt es sich indes aufgrund der fachgesetzlichen Vorgaben nur um fakultativ abzuhaltende Erörterungstermine, ist die Ersetzung nach dem Gesetz von vornherein nicht vorgesehen.
Die durch das neue Planungssicherstellungsgesetz eröffneten digitalen Beteiligungsmöglichkeiten sind zunächst bis zum 31. März 2021 befristet. Ob die Pandemie-bedingten Beschränkungen bis dahin obsolet sind oder eine Verlängerung der Geltungsfrist des Gesetzes in Betracht kommt, wird sich noch erweisen. Unabhängig von seinem Anlass und seiner Geltungsdauer lässt sich das Gesetz in jedem Fall als wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens bewerten. Insoweit kommt ihm „Pilotcharakter“ zu. Die Bekanntmachung und Auslegung von Verfahrensunterlagen im Internet ist ein Schritt zur Anpassung der Rechtslage an die Möglichkeiten der Technik. Im Übrigen lassen sich so Erfahrungswerte für zukünftige digitale Instrumente und Formate in Genehmigungsverfahren gewinnen, die ihre Berechtigung und Akzeptanz auch unabhängig von der aktuellen Situation haben oder erhalten können. Insoweit lässt sich das PlanSiG als ein erster konkreter Schritt hin zu einer verstärkten Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens verstehen. Die daraus resultierenden Erfahrungen werden Eingang finden auch in zukünftige Reformüberlegungen zur Vereinfachung und Digitalisierung von Verfahren und der Verwaltung.
Prof. Dr. Tobias Leidinger
Partner
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