10.12.2020
Der Gesetzgeber plant die Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Kernbestandteil ist hierbei die Einführung eines neuen Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetzes. Dieses Gesetz soll Unternehmen ein Instrumentarium bieten, um außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine Sanierung durchführen und sich so entschulden zu können. Tritt das Gesetz wie geplant zum Jahreswechsel in Kraft, wird dieses auch Auswirkungen auf den Immobiliensektor haben.
Der Entwurf des „Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechtes“ (kurz: SanInsFoG) enthält ein Paket von Änderungen und Neuerungen in den Bereichen des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Es dient in erster Linie der Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht. Hierfür plant der Gesetzgeber die Einführung eines neuen „Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (kurz: StaRUG), das bereits zum 1.1.2021 in Kraft treten soll.
Das StaRUG schafft die verfahrensrechtlichen Grundlagen für die Durchführung von Unternehmenssanierungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Die erfolgreiche Umsetzung von außerinsolvenzlichen Sanierungsvorhaben setzt bislang voraus, dass mit sämtlichen betroffenen Gläubigern auf die Restrukturierung gerichtete, einvernehmliche Vereinbarungen erzielt werden. Gelingt dies nicht, bleibt dem sanierungswilligen Unternehmen nur der Weg in das Insolvenzverfahren mit seinen streng verfahrensgebundenen Sanierungsmöglichkeiten. Das StaRUG eröffnet für Unternehmen nunmehr einen Mittelweg: Stimmt eine relevante Gläubigermehrheit dem vom Unternehmen erstellten Restrukturierungsplan zu und wird dieser vom zuständigen Gericht bestätigt, so kann auch gegen den Widerstand von Gläubigern und ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens eine Sanierung des Unternehmens gelingen.
Zur Sicherung ihres Fortbestands können Unternehmen auf verschiedene Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente zugreifen, die ihnen das StaRUG einem Werkzeugkoffer gleich zur Verfügung stellt. Es gibt daher nicht „das eine“ Verfahren, das stets nach demselben Schema abläuft. Stattdessen kann das sanierungswillige Unternehmen wählen, welche Werkzeuge des StaRUG im jeweiligen Fall am besten geeignet sind und daher zum Einsatz kommen. Unter Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts können z.B. Vollstreckungs- und Verwertungssperren angeordnet oder gegenseitige, noch nicht vollständig erfüllte Verträge beendet werden.
Das zentrale Element einer präventiven Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan. Seine Struktur ist vergleichbar mit derjenigen eines Insolvenzplans: Auch im Restrukturierungsplan werden die Hintergründe, Grundlagen und Auswirkungen der Restrukturierung auf die Forderungen der Gläubiger dargestellt und die Positionen derjenigen Gläubiger, die in den Plan einbezogen werden, im Rahmen eines Restrukturierungskonzepts gestaltet.
Der Restrukturierungsplan wird von dem Unternehmen in Eigenregie erstellt und mit den betroffenen Gläubigern abgestimmt, die – aufgeteilt in Gläubigergruppen - über den Plan beschließen müssen. Zur Annahme des Plans muss im Grundsatz jede Gläubigergruppe mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmrechte diesem zustimmen. Zum Schutz der Gläubiger sieht das StaRUG zum Teil besondere Regelungen zur Bildung der Gläubigergruppen und gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidungen vor. Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan kann privatautonom erfolgen und der Beschluss anschließend gerichtlich bestätigt werden; alternativ kann die Abstimmung sogleich in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen. Wird der Restrukturierungsplan mit der erforderlichen Mehrheit angenommen und dies vom Gericht bestätigt, so entfaltet er seine Wirkung auch gegenüber Planbetroffenen, die gegen ihn gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen haben.
Das folgende Fallbeispiel zeigt exemplarisch den möglichen Ablauf eines Restrukturierungsverfahrens für ein Unternehmen, das als Mieter von Gewerbeflächen mit Mietzahlungen im Rückstand und drohend zahlungsunfähig ist. Bei diesem Szenario wird der Mieter voraussichtlich folgende Schritte zum Ziel der erfolgreichen Restrukturierung unternehmen:
Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Rechte des Vermieters durch das Restrukturierungsverfahren des Mieters erheblich berührt werden können. Das Verfahren bietet dem Vermieter aber auch die Chance die Restrukturierung aktiv mitzugestalten und sich in den Verhandlungen und der Abstimmung einzubringen. Dabei sollte der Vermieter als Gläubiger des Mieters stets abwägen, wie sich die Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf seine Vermieterforderungen im Vergleich zu einem klassischen Insolvenzverfahren verhalten.
Beachten sollte der Vermieter insbesondere, dass der Mieter die Beendigung des Mietvertrags durch das Gericht als letzten Ausweg erreichen kann. Die Möglichkeit zur Vertragsbeendigung ist ein starkes Werkzeug, welches dem sanierungswilligen Unternehmen durch das StaRUG an die Hand gegeben wird. Dem Vermieter bleibt nach der vorzeitigen Vertragsbeendigung nur eine Forderung wegen Nichterfüllung des Mietvertrags gegen den Mieter. Aber auch diese Forderung kann noch im Rahmen des Restrukturierungsplans „gestaltet“ werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Vertragsbeendigung können daher durchaus erheblich sein. Dies stärkt ohne Zweifel die Verhandlungsposition des Mieters. Da die Vertragsbeendigung aber in ein umfassendes Restrukturierungskonzept eingebunden sein muss, wird der Mieter auf den Vermieter zugehen müssen um nicht den Erfolg der Restrukturierung seines Unternehmens zu gefährden. Schließlich werden in den meisten Fällen sowohl der Mieter als auch der Vermieter ein Interesse an der Fortsetzung eines langjährigen Mietverhältnisses haben.
Wird das StaRUG wie geplant in Kraft treten, bieten die Werkzeuge des präventiven Restrukturierungsrahmens Unternehmen die Möglichkeit, sich außerhalb und ohne den „Makel der Insolvenz“ zu sanieren. Wie in unserem Fallbeispiel gezeigt, können die hierfür geforderten Gläubigerbeiträge wirtschaftlich erheblich sein. Eine Auseinandersetzung mit dem neuen, geplanten Regelwerk und den damit verbundenen Handlungsoptionen zur Optimierung der eigenen Rechtsposition empfiehlt sich daher nicht nur für das sanierungswillige Unternehmen, sondern auch die jeweils betroffenen Gläubiger.
Und zu guter Letzt noch ein Tipp aus der Praxis: In Fällen, in denen ein Mieter in Zahlungsverzug gerät und einen oder mehrere Monate die Miete nicht zahlt, neigen Vermieter dazu, später (ggf. nach Mahnung und Klageandrohung) eingehende Mieten, auf die früheste noch offene Miete zu verrechnen. Dies ist allerdings im Falle der späteren Mieterinsolvenz ein Problem.
Beispiel: Der Mieter zahlt die Mieten für die Monate August, September und Oktober nicht. Nach Mahnung und Androhung der Kündigung geht dann Mitte November eine volle Mietzahlung ein. Wenn keine Tilgungsbestimmung getroffen wird oder besteht, verrechnet der Vermieter die eingehende Zahlungen auf den Monat August, die Mieten September, Oktober und November stehen weiter offen. Die Zahlung im Dezember wird auf September verrechnet und so weiter.
Im Juli des nächsten Jahres stellt der Mieter Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter wird (und zwar mit Erfolg) alle seit November gezahlten Mieten anfechten, mit der Folge, dass der Vermieter einen "Schaden" in Höhe von 11 Mieten hat. Hätte er dagegen die im November eingehende Miete auf den November verrechnet, die im Dezember eingehende auf Dezember und so weiter, könnte dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters mit einiger Aussicht auf Erfolg der Einwand des "bargeschäftsähnlichen Geschäfts" entgegengehalten werden. Der Schaden des Vermieters läge dann nur bei den offen gebliebenen Mieten August bis Oktober, also drei Monatsmieten.
Daher ist aus Vermietersicht darauf zu achten, eingehende Mieten grundsätzlich zunächst auf den Monat zu verrechnen, in dem sie eingehen und erst danach auf Altforderungen.
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