19.04.2023
Der Schutz vor den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft beginnt bei der Vertragsgestaltung!
Der Blick auf den Kassenbon im Supermarkt oder die Preisanzeige an der Tankstelle bestätigt das Offensichtliche: Alles ist teurer geworden. Die Kosten der privaten Lebensführung und von Unternehmen im In- und Ausland sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Während der Einkauf im Supermarkt zumeist innerhalb weniger Minuten vollständig abgewickelt ist, vergehen für Unternehmen zwischen dem Eingang eines Auftrags und der Herstellung und Lieferung eines Produktes häufig Wochen oder Monate, manchmal sogar Jahre. Der Kostenaufwand zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung und das Verhältnis zum vereinbarten Kaufpreis können hierbei erheblichen Schwankungen unterliegen, sodass ursprünglich kalkulierte Gewinne am Ende ausbleiben.
Die Coronapandemie, der Ukraine-Konflikt, daraus entstandene Lieferengpässe und natürlich die Energiekrise gelten als Hauptursachen der aktuellen Inflation. Die Preise in Deutschland sind im März 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um ca. 7,4 % gestiegen.
Die vergangenen Jahre und Monate haben gezeigt, wie plötzlich und unvorhergesehen Engpässe eintreten, einzelne Kostenfaktoren in die Höhe schnellen oder wie unverhofft langjährige Geschäftspartner ihr bis dato loyales und transparentes gegenseitiges Verhalten aufgrund wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen ändern können.
Die schlechte Nachricht ist, dass auch zukünftig Entwicklungen vergleichbarer Art und Weise eintreten werden, deren Reichweite und Konsequenzen im Vorhinein nicht abzuschätzen sind. Produzenten und Verkäufer tragen das Risiko, selbst nicht beliefert zu werden, oder dass ihre Kosten höher ausfallen als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kalkuliert. Entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens ist daher, einen Weg zu finden, um mit Preisanpassungen gegenüber Kunden auf solche Entwicklungen reagieren zu können.
Die Option, einseitig neue Preise gegenüber Vertragspartnern festzulegen, besteht meist nicht. Selten werden sich Geschäftspartner freiwillig bereiterklären, höhere Preise zu akzeptieren, ohne hierzu vertraglich verpflichtet zu sein. Ein Rückgriff auf gesetzliche Regelungen wie die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB ist oftmals nicht erfolgversprechend. Diese gesetzliche Vorschrift ist nämlich nur dann einschlägig, wenn ein unzumutbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, das bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war. Das bedeutet im Umkehrschluss: Hätten die Vertragsparteien bei Vertragsschluss von den später eintretenden Umständen gewusst, hätten sie den Vertrag zu anderen Bedingungen abgeschlossen.
Hinzu kommt, dass sich aus jedem Vertrag typische Pflichten für die Parteien ergeben, mit denen wiederum Risiken verbunden sind, die in erwartbarer Weise mit der Pflichterfüllung einhergehen. Das Eintreten eines vertraglich übernommenen Risikos kann nicht automatisch bedeuten, dass ein unzumutbarer Zustand vorliegt, der eine Vertragsanpassung rechtfertigt. So trägt beispielsweise ein Käufer typischerweise das Risiko dafür, den vereinbarten Kaufpreis aufbringen zu müssen. Gleichzeitig trägt ein Verkäufer oder Hersteller das Risiko, den Kaufgegenstand beschaffen beziehungsweise produzieren zu müssen, ihn dem Käufer zu den vereinbarten Bedingungen zur Verfügung zu stellen und das Eigentum daran zu übertragen.
Die gute Nachricht ist, dass es viele Möglichkeiten für Unternehmen gibt, sich durch eine geschickte Gestaltung ihrer Verträgegegen künftige Veränderungen zu wappnen. Vor allem Unternehmen, die sich langfristig an ihre Vertragspartner binden (zum Beispiel in Form von Rahmenlieferverträgen), sollten besonderen Wert auf die Vereinbarung wirksamer Preis(anpassungs)mechanismen legen. Kostensteigerungen oder Engpässe, die heute nicht vorhersehbar sind, sich aber massiv auf die Wirtschaftlichkeit des eigenen Betriebs auswirken, müssen auf diese Weise nicht vollständig durch das eigene Unternehmen kompensiert werden, sondern können entlang der Lieferkette an Kunden und wiederum deren Kunden weitergegeben werden.
Die Gestaltung wirksamer vertraglicher Regelungen, die die Anpassung von Preisen an zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbare Entwicklungen und Kostensteigerungen knüpft, ist nicht immer leicht. Das Ziel sollte sein, die gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, ohne gleichzeitig zu riskieren, die strengen regulatorischen Grenzen zu überschreiten. Insbesondere ist das Preisklauselgesetz zu beachten, das äußerst strenge Anforderungen an Bestimmtheit und Transparenz von Preisklauseln stellt. Die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß den §§ 305 ff. BGB begrenzen ebenfalls die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Entscheidend ist bereits die Auswahl der geeigneten Preisklausel. Hierbei sind Eigenschaften der jeweiligen Vertragsparteien, die Vertragsprodukte, die Dauer der Geschäftsbeziehung, aber auch die konkrete Ausgestaltung der Herstellungs- und Lieferprozesse zu berücksichtigen. Relevant ist, welche und wie viele Faktoren bei der Preisfindung berücksichtigt werden und in welcher Art und Weise sie Einfluss auf den Preis und dessen Anpassung haben sollen. Durch diese vielen Variablen ist die Auswahl des passenden Regelungsmechanismus oftmals erschwert.
Alternativ zu einer Verhandlungs- oder Preisvorbehaltsklausel können Vertragspartner eine sogenannte Spannungsklausel vereinbaren, die dazu dient, einen Preis stets in einem gleichbleibenden Verhältnis zu einem Vergleichswert zu halten. Besonders beliebt sind daneben sogenannte Kostenelementeklauseln, die es zulassen, kumulativ verschiedene Produktionsfaktoren oder Indizes heranzuziehen, um Preisanpassungen durchzusetzen. Je dynamischer die Bepreisung eines Vertragsprodukts ausgestaltet werden soll und je mehr Faktoren darin einfließen, desto sachdienlicher kann auch die Vereinbarung eines dynamischen Preises sein.
Die Möglichkeiten, Preisklauseln mit Vertragspartnern zu vereinbaren, sind vielfältig, sei es durch einen Rahmenvertrag, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder einen nachträglichen Änderungsvertrag. Deshalb ist es sinnvoll, rechtzeitig kompetente Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um vorzusorgen und künftigen Entwicklungen mit rechtssicheren Lösungen begegnen zu können.
Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)
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