26.01.2024
Teil 2: Konzerninternes Dienstleistungs- und Softwareverbot – Termine: 18. Dezember 2023 / 20. März 2024 / 20. Juni 2024
Am 18. Dezember 2023 hat die EU mit den drei Verordnungen (EU) 2023/2873, 2023/2875 und 2023/2878 ihr 12. Sanktionspaket zur Verschärfung der Embargo-Maßnahmen gegen Russland veröffentlicht. Darin enthalten ist unter anderem eine Neuerung, die alle Unternehmen betrifft, die noch Tochtergesellschaften in Russland unterhalten.
Gemäß dem bereits bekannten Artikel 5n der maßgeblichen Russland-Embargo-Verordnung (EU) Nr. 833/2014 war es bisher schon verboten, für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen (oder für die Regierung Russlands) unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den folgenden Bereichen zu erbringen:
Auf den ersten Blick scheinen hiervon nur „externe“ Erbringer von derartigen Dienstleistungen betroffen zu sein. Tatsächlich ist dies jedoch auch für konzerninterne Leistungen relevant. Ob z.B. die „Unternehmensberatung“, „Rechtsberatung“ oder „IT-Beratung“ durch ein selbständiges Beratungsunternehmen für eine russische Kundin erfolgt oder durch eine EU-Muttergesellschaft für eine russische Tochtergesellschaft, ist nach dem Wortlaut des Verbotes unerheblich.
Dies gilt nach dem Ausnahmetatbestand gemäß Artikel 5n Absatz 7 jedoch nicht für die Erbringung solcher Leistungen, die zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene Unternehmen bestimmt sind, welche sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle eines EU-Unternehmens befinden; entsprechendes gilt für russische Tochterunternehmen von Muttergesellschaften aus dem Europäischen Wirtschaftsraum oder aus einem Partnerland gemäß Anhang VIII der Verordnung (derzeit USA, UK, Japan, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz).
Mit der Verordnung (EU) 2023/2878 vom 18. Dezember 2023 wurde der Artikel 5n allerdings in wesentlichen Punkten geändert. So ist es nach dem neuen Artikel 5n Absatz 2b nunmehr auch verboten, unmittelbar oder mittelbar „Software für die Unternehmensführung und für Industriedesign und Fertigung“ gemäß dem neuen Anhang XXXIX für in Russland niedergelassene Unternehmen (oder die Regierung Russlands) zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen, auszuführen oder auch nur bereitzustellen. Der in dem betreffenden Anhang aufgeführte Katalog sanktionierter Software ist umfassend und beinhaltet beispielsweise:
Flankiert wird dies von dem mit Artikel 5n Absatz 3a neu eingefügten Verbot, unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit den bislang bereits verbotenen Dienstleistungen oder der vorgenannten Software zu erbringen bzw. bereitzustellen.
Unternehmen, welche die nunmehr sanktionierte Software vertreiben, können sich gegebenenfalls noch auf die Übergangsregelung gemäß Artikel 5n Absatz 4b berufen, nach welcher das Verbot gemäß dem neuen Absatz 2b nicht für vor dem 19. Dezember 2023 geschlossene Verträge gilt, sofern die Erfüllung vor dem 20. März 2024 erfolgt ist.
Entscheidend ist jedoch, dass der Ausnahmetatbestand gemäß Artikel 5n Absatz 7, also die Befreiung von den bislang bestehenden Dienstleistungsverboten einschließlich des neuen Softwareverbots in Bezug auf russische Tochtergesellschaften jetzt nur noch bis zum 20. Juni 2024 gilt! Für die Zeit danach besteht gemäß Artikel 5n Abs. 10 lit. h) die Möglichkeit, bei der zuständigen Behörde (in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA) eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.
Ebenso bedeutsam ist, dass das neue Verbot der Erbringung von (unter anderem) technischer Hilfe und anderen Diensten im Zusammenhang mit den sanktionierten Dienstleistungen oder der relevanten Software (neuer Absatz 3a) von dem derzeit noch geltenden Ausnahmetatbestand des Artikel 5n Absatz 7 offenbar gar nicht umfasst sein soll: Solche (auch konzerninternen) Dienstleistungen für russische Töchter wären demnach und bei wörtlicher Anwendung der Regelung seit dem Inkrafttreten des 12. Sanktionspaketes am 18. Dezember 2023, also ab sofort verboten! Der neue Genehmigungstatbestand gemäß Artikel 5n Abs. 10 lit. h) gilt zwar auch hier, aber eben ohne Übergangsfrist.
Bislang haben sich weder die Kommission, noch das BAFA, noch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zu den Neuerungen in Bezug auf Artikel 5n der Russland-Embargo-Verordnung geäußert. Deutschen (und europäischen) Unternehmen, die noch Tochtergesellschaften in Russland unterhalten und von den Dienstleistungs- und Softwareverboten betroffen sind, bleibt kaum etwas anderes übrig, als einen Antrag auf Genehmigung gemäß Artikel 5n Abs. 10 lit. h) bei den zuständigen Behörden zu stellen. Aufgrund der bekanntermaßen langen Bearbeitungszeiten des BAFA – und in Bezug auf das möglicherweise bereits jetzt geltende Verbot der Erbringung von technischer Hilfe und anderen Dienste – sollte dies auch kurzfristig geschehen, damit die Genehmigung im besten Falle zum Stichtag 20. Juni 2024 auch tatsächlich vorliegt.
Unbestätigten Meldungen aus dem Markt zufolge soll das BAFA über eine Allgemeine Genehmigung nachdenken. Welchen Inhalt diese haben könnte und unter welchen Auflagen sie stehen mag, bleibt abzuwarten. An der vorsorglichen Beantragung einer Individual-Genehmigung geht aber wohl kaum ein Weg vorbei.
Ole-Jochen Melchior
Partner
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