31.07.2017
31.07.2017
Bereits unmittelbar nach dem Putsch letztes Jahr haben wir auf die möglichen Risiken für deutsche Unternehmen hingewiesen. Seitdem hat sich die Situation in der Türkei massiv verschlechtert. Die Aufnahme deutscher Unternehmen auf eine Liste angeblicher Terrorunterstützer, die nach politischen Protesten rückgängig gemacht wurde, ist beispielhaft für das anscheinend willkürliche Handeln türkischer Behörden und sind nur die Spitze des Eisbergs. Inwieweit sind deutsche Investitionen gefährdet und welcher Schutz besteht vor staatlichen Eingriffen durch die Türkei?
Verträge können aufgehoben, Lizenzen widerrufen, Sondersteuern eingeführt, Geschäftsführer inhaftiert oder im Extremfall Investitionen enteignet werden. Dabei mag vordergründig nicht der Investor, sondern vielleicht sein türkischer Geschäftspartner das Ziel sein. Die Auswirkungen für den deutschen Investor werden genauso hart sein als wenn die Türkei als Reaktion auf Maßnahmen der EU direkt Sanktionen gegen deutsche Unternehmen verhängt. Bei solchen Maßnahmen müssen sich ausländische Investoren in der Türkei nicht nur auf die türkische Justiz verlassen. Vielmehr stehen solche Investitionen auch unter dem Schutz zwischenstaatlicher Investitionsschutzabkommen („BIT“), die einen Schutz bieten, der über die nationalen Gesetze der Türkei hinausgehen:
Veraltetes deutsch-türkisches Investitionsschutzabkommen
Investitionen deutscher Unternehmen in der Türkei sind zwar durch einen BIT von 1962 gegen politische Risiken wie beispielsweise Enteignung oder Vertragsbruch geschützt. Das Abkommen ist jedoch veraltet und bietet Unternehmen nicht die Möglichkeit, unmittelbar selber Rechte in einem Schiedsverfahren gegen die Türkei geltend zu machen. Deutsche Unternehmen sind auf die politische Unterstützung der Bundesregierung angewiesen. Besser steht es um Investitionen im Energiesektor, weil hier der modernere, internationale Energiecharta-Vertrag anwendbar ist, der die Möglichkeit eines solchen Investitionsschiedsverfahrens beinhaltet.
Investitionen nach Möglichkeit umstrukturieren
Über 90 bilaterale Investitionsschutzabkommen hat die Türkei abgeschlossen, mit teils umfassenden Schutzstandards und Schadenersatzregelungen. Es ist möglich und zulässig, bestehende Investitionen so umzustrukturieren, dass sie in den Anwendungsbereich von Abkommen fallen, deren Umfang über das deutsch-türkische BIT hinausgehen. So könnten z. B. Investitionsanteile an eine Tochtergesellschaft übertragen werden, die ihren Sitz in einem Staat mit besserem Abkommen hat. Unter anderem wurden mit England, den Niederlanden und der Schweiz umfassende Schutzstandards vereinbart. In diesen hat sich die Türkei u. a. verpflichtet, Investoren stabile und transparente Konditionen zu gewährleisten und ihr schutzwürdiges Vertrauen nicht zu verletzen. Investoren sind zudem vor Enteignungen ohne Entschädigung in Höhe des Marktpreises und vor diskriminierenden Maßnahmen geschützt. Der türkische Staat haftet ferner für Verletzungen vertraglicher Pflichten, die er gegenüber Investoren aus diesen Ländern eingegangen ist. Ob und wie umstrukturiert werden kann, ist stets eine Frage des Einzelfalls und sollte geprüft werden. Damit eine solche Umstrukturierung rechtmäßig ist, müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Jüngst ist die Klage von Philip Morris gegen Australien daran gescheitert, dass Philip Morris diese Bedingungen nicht eingehalten hat.
Beilegung von Rechtsstreitigkeiten
Die Entlassung tausender Richter wirft erhebliche Zweifel an der künftigen Leistungsfähigkeit und Kompetenz türkischer Gerichte auf. Daher sollte man in Verträge mit türkischen Partnern möglichst immer eine Schiedsklausel aufnehmen. Rechtsstreitigkeiten mit türkischen Geschäftspartnern können damit grundsätzlich der Zuständigkeit staatlicher türkischer Gerichte entzogen und vor Schiedsgerichte gebracht werden. Die Türkei hat selber ein relativ modernes nationales Schiedsrecht und ist auch Vertragsstaat der New Yorker Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Damit können Schiedsverfahren in der Türkei geführt und Schiedssprüche, die aus Verfahren im Ausland resultieren, vollstreckt werden. Möchte man vorsorglich Risiken ausschließen, die sich aus der Kontrollmöglichkeit türkischer Gerichte ergeben, sollte man den Sitz des Schiedsgerichts ins Ausland, z.B. in die Schweiz oder nach Paris, verlegen. Das ist grundsätzlich möglich.
Dr. Richard Happ |