11.08.2020
Der Basketballverein Telekom Baskets Bonn hat in dieser Woche seinem Spieler und zugleich Arbeitnehmer Joshiko Saibou fristlos gekündigt. Als Grund für die außerordentliche Kündigung gibt der Verein auf seiner Website an, „ein permanentes Infektionsrisiko, wie es der Spieler Saibou darstellt, weder gegenüber seinen Arbeitskollegen in unserem Team noch gegenüber anderen BBL-Teams im Wettkampf verantworten (zu können)“ (https://www.telekom-baskets-bonn.de/presse/news/artikel/baskets-kuendigen-joshiko-saibou-fristlos.html). Joshiko Saibou hatte am vergangenen Wochenende an einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen und zuvor mehrfach öffentlich die Gefahr des Corona-Virus in Frage gestellt. Gegen die ausgesprochene außerordentliche Kündigung will der Sportler Medienberichten zufolge rechtlich vorgehen.
Sofern der Sportler und der Verein sich nicht außergerichtlich einigen, wird ein Arbeitsgericht entscheiden, ob die außerordentliche Kündigung auf Grundlage dieser Geschehnisse wirksam ist. Im Folgenden werden die allgemeinen sowie die sportspezifischen Grundsätze dargestellt, die bei einer solchen Entscheidung berücksichtigt werden müssen.
Die außerordentliche Kündigung ist das härteste Mittel des Arbeitgebers und führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Kündigung sind entsprechend hoch. Das Gesetz schreibt in § 626 Abs. 1 BGB vor, dass Dienst- und Arbeitsverträge nur dann außerordentlich gekündigt werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung fortzuführen.
Es existiert weder eine Definition des wichtigen Grundes noch ist dies von der Rechtsprechung gewollt. Ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist, soll anhand des Einzelfalles ermittelt werden. Zunächst wird hierfür geprüft, ob der Sachverhalt an sich geeignet ist, einen außerordentlichen Kündigungsgrund darzustellen. In einer zweiten Stufe wird dann festgestellt, ob auch der konkrete Fall und eine Interessenabwägung die außerordentliche Kündigung zulassen. So stellt Doping bei Sportlern einen Sachverhalt dar, der eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigen kann. Im Einzelfall kann die Kündigung dennoch unwirksam sein, wenn der Sportler ohne den Willen und die Kenntnis der Leistungssteigerung ein Dopingmittel eingenommen hatte. Aufgrund der umfangreichen Dopinglisten unter Benennung verschiedenster Wirkstoffe besteht diese Gefahr durchaus (siehe zur Verbotsliste der Nationalen Anti Doping Agentur: https://www.nada.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Listen/Verbotsliste_2019_-_informatorische_UEbersetzung_NADA.pdf).
Um im Fall Joshiko Saibou feststellen zu können, ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gegeben sind, muss zwischen zwei Vorgängen differenziert werden: Die öffentlichen Meinungsäußerungen dürften eine außerordentliche Kündigung nur mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung unter Umständen rechtfertigen; die Teilnahme an der Demonstration hingegen macht die weitere Beschäftigung für die Telekom Baskets Bonn m.E. unzumutbar und eine außerordentliche Kündigung damit zulässig. Dieser Einschätzung liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Die Äußerungen des Sportlers in den sozialen Medien fallen in den Schutzbereichs der Meinungsfreiheit. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG verleiht jedem Menschen die Möglichkeit, seine Meinung – unabhängig zu welchem Thema – frei zu äußern und zu verbreiten. Die Ausübung von Grundrechten darf nur in engen Grenzen beschränkt werden. Deshalb ist es richtigerweise kaum möglich, Arbeitnehmern und auch bekannten Sportlern mit großer Reichweite, Vorgaben bezüglich des Auftretens in der Öffentlichkeit zu machen. Regelungen in Arbeitsverträgen, die die Sportler hinsichtlich der Gestaltung ihrer Social-Media-Kanäle „maßregeln“, sind daher in der Regel unwirksam. Wenn also schon eine vertragliche Regelung bezüglich der Meinungsäußerung unwirksam ist, ist eine außerordentliche Kündigung – die wie dargestellt hohen Anforderungen genügen muss – aufgrund einer Meinungsäußerung kaum zu rechtfertigen. Selbst wenn der Sportler sich damit konträr zur Auffassung des Vereins hinsichtlich der Corona-Pandemie stellt, ist ein solcher Sachverhalt schon dem Grunde nach nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Mit guter und nachvollziehbarer Begründung könnte der Verein gegebenenfalls argumentieren, dass die Äußerungen des Sportlers sich geschäftsschädigend auf die Vereinstätigkeit auswirken. In solchen Fällen kann die konkrete Meinungsäußerung einen Kündigungsgrund darstellen. Hierfür müsste aber belegt werden, inwieweit die kritischen Äußerungen zur Corona-Pandemie sich tatsächlich (finanziell) ausgewirkt haben. Ein andere Anknüpfungspunkt wäre gegebenenfalls die im Team und Betrieb entstandenen Unruhen durch die Äußerungen. Denn eine Kündigung kann dann gerechtfertigt sein, wenn dies der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens dient. Der Berichterstattung lässt sich entnehmen, dass die Kündigung wohl letztlich auf die Teilnahme an der Demonstration gestützt wird. Die Teilnahme an einer Demonstration dient grundsätzlich auch der Ausübung der Meinungsfreiheit und kann daher nicht per se als Kündigungsgrund herangezogen werden. Die Besonderheit liegt aber darin, dass der Joshiko Saibou sich durch die Teilnahme unter Verstoß gegen die allgemeinen Hygieneregeln bewusst einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt hat. Darin liegt jedenfalls ein Verstoß gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten: Arbeitnehmer im Allgemeinen haben die Verpflichtung, sich so zu verhalten, dass ihre Arbeitsfähigkeit möglichst erhalten bleibt. So kann z.B. die Ausübung einer Risikosportart verboten werden. Sportler im Besonderen haben die – meist sogar ausdrücklich im Vertrag geregelte – Pflicht, besonders auf ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu achten.
Gegen diese (Neben-)Pflichten hat Joshiko Saibou verstoßen, indem er sich bewusst dem Risiko einer Erkrankung ausgesetzt hat. Denn die Übertragbarkeit des Virus und die Erhöhung des Übertragungsrisikos bei der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung unter Missachtung der Schutzregeln dürfte unbestritten sein. Ob dieser Pflichtverstoß allein als Grund für eine außerordentliche Kündigung ausreicht, dürfte jedoch fraglich sein.
So hat der Sportler durch die Teilnahme vorsätzlich seine Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt. Der Verein muss aufgrund seiner Fürsorgepflichten gegenüber den anderen Spielern, Joshiko Saibou in den nächsten zwei Wochen vom Mannschaftstraining ausschließen. Und selbst wenn in den nächsten zwei Wochen planmäßig kein Mannschaftstraining stattfindet, ist es für den Verein nicht möglich, den Sportler nach Ablauf der zwei Wochen einzusetzen. Der Verein muss auch künftig davon ausgehen, dass der Sportler sich nicht an die Vorgaben der Behörden sowie des Hygienekonzepts der easyCredit Basketball Bundesliga halten wird. Es wäre gegenüber Mitspielern und gegnerischen Spielern unverantwortlich, Joshiko Saibou in den nächsten Monaten im Training oder Spiel einzusetzen und engsten Körperkontakt zu vielen Personen herzustellen. Der Einsatz im Training und bei Spielen stellt aber gerade die Hauptleistungspflicht des Sportlers dar. Joshiko Saibou hat damit seine Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Dies dürfte vorliegend die außerordentliche Kündigung seines Arbeitgebers rechtfertigen.
Die in der Überschrift benannten Stichworte Sportler, Meinungsfreiheit und Covid-19 bringen in ihrer Verbindung komplexe rechtliche Fragestellung. Schon das Verhältnis Sportler und Meinungsfreiheit führt häufig zu arbeitsrechtlichen Problemen – angereichert durch die rechtlichen Unklarheiten im Hinblick auf Covid-19 sind die Herausforderungen für Sportler, Vereine und alle am Arbeitsleben beteiligten Personen gewachsen. Präventive Maßnahmen wie Aufklärung, Abschluss von Betriebsvereinbarung oder ähnlichem können dem entgegenwirken und gegebenenfalls ein wirksamer Einsatz der rechtlichen (Sanktions-)Möglichkeiten.