06.05.2020
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sieht in der Einleitung eines insolvenzrechtlichen Schutzschirmverfahrens eine mögliche Sanierungsalternative.
Die Corona-Krise bringt den deutschen Luftfahrt-Giganten ins Wanken. Eine Millionen Euro, so viel verliert die Lufthansa aufgrund des derzeitigen Stillstandes pro Stunde. Etwa 700 der rund 760 Flugzeuge stehen momentan am Boden und nur etwa 3000 statt sonst 350.000 Passagiere fliegen täglich mit Lufthansa und ihren Konzerntöchtern. Von den insgesamt 130.000 Mitarbeitern befinden sich mehr als 80.000 in Kurzarbeit.
Um diese Krise durchzustehen, verhandelt die Lufthansa mit der Bundesregierung über Staatshilfen in Milliardenhöhe. Insgesamt sei die Rede von rund zehn Milliarden Euro. Zusätzlich sollen auch die Schweiz, Österreich und Belgien der Lufthansa und ihren Töchtern Swiss, Austrian und Brussels Airlines finanziell unter die Arme greifen.
Doch die Politik knüpft die Kreditvergabe an Bedingungen. Die Bundesregierung ging dem Vernehmen nach mit hohen Zinsforderungen und einer Garantiedividende in Höhe von 9% in die Verhandlungen und verlangt darüber hinaus Zusagen zur Standortsicherung und Mitspracherechte als Gegenleistung für den Einsatz der Steuergelder. Zuletzt ging es neben Krediten und einer stillen Beteiligung ohne Stimmrecht wohl um ein 25-prozentiges Aktienpaket für den Staat. Damit hätte die Bundesregierung eine Sperrminorität und Zugriff auf Sitze im Lufthansa-Aufsichtsrat.
Dies will Lufthansa-Chef Carsten Spohr unbedingt verhindern und warnt einerseits vor einer zu hohen Schuldenlast und einer eventuellen Überschuldung des Unternehmens, andererseits vor einer zu großen Einmischung seitens der Politik. Die Lufthansa brauche staatliche Unterstützung, jedoch keine staatliche Geschäftsführung.
Auch innerhalb der Politik wird darüber gestritten, wieviel Mitspracherecht des Staates im Falle einer Beteiligung angemessen ist.
SPD und Linke sprachen sich gegen die Möglichkeit einer stillen Beteiligung aus. Sofern aber ein Unternehmen Staatshilfen aus Steuergeldern in dieser Höhe erhalte, müsse ein Mitspracherecht des Bundes gewährleistet sein. Auch Umweltschützer fordern, die staatlichen Hilfen an Anforderungen zu koppeln und diese nur gegen Zusagen beim Klimaschutz zu gewähren.
Dagegen warnen CDU und FDP vor zu viel staatlichem Einfluss. Die Hilfe durch den Staat soll dazu dienen dem Unternehmen durch die Krise zu helfen und nicht dazu, sich Mitspracherechte zu verschaffen. Zuletzt äußerte sich auch die Flugbegleitergewerkschaft Ufo kritisch im Hinblick auf einen Staatsvertreter in den Reihen des Lufthansa-Aufsichtsrates, da ein solcher im operativen Geschäft keinen Mehrwert biete.
In dieser schwierigen Gemengelage brachte Lufthansa-Chef Spohr die Möglichkeit ins Spiel, das Unternehmen nicht durch staatliche Intervention, sondern durch ein insolvenzrechtliches Schutzschirmverfahren zu stabilisieren und durch die Krise zu leiten. Mithilfe eines solchen Verfahrens, das zuvor schon Condor durchlief, könne die Unternehmensleitung unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters die notwendige Sanierung angehen.
Ein Schutzschirmverfahren ist ein Sanierungsverfahren unter dem Schutz des Insolvenzrechts, ähnlich dem Chapter 11-Verfahren in den USA: mit Stellung des Insolvenzantrags erhält ein Unternehmen zunächst Schutz vor seinen Gläubigern, so dass diese ihre fälligen Forderungen gegen das Unternehmen nicht mehr vollstrecken können. Dadurch gewinnt das Unternehmen wertvolle Zeit, um ein tragfähiges Sanierungskonzept zu erstellen, welches sich nach dem gesetzlichen Vorbild in einem sog. Insolvenzplan niederschlägt.
In dem Insolvenzplan können umfassende Regelungen zur Sanierung und Erhalt des Unternehmensträgers getroffen werden. Für Fluggesellschaften ist er besonders wichtiges Sanierungsinstrument, da nur auf diese Weise dem sanierten Unternehmen die sogenannten Flughafen- und Luftraum-Slots erhalten bleiben. Dabei handelt es sich um durch staatliche bzw. europäische Behörden für eine Saison vergebenen Lizenzen bzw. Zeitfenster für die Flughafen- bzw. Luftraumnutzung, ohne die eine Fluglinie nicht tätig sein kann (die EU Verordnung ist zwar derzeit wegen der Auswirkungen des Corona-Virus ausgesetzt, wird aber voraus. ab 24. Oktober wieder Anwendung finden).
Wie in jeder Insolvenz übernimmt der Staat (in der Regel vorfinanziert durch Banken) die Zahlung von bis zu drei Monatsgehälter für alle Arbeitnehmer. Sozialpläne können zu für den Arbeitgeber günstigeren Konditionen als außerhalb einer Insolvenz vereinbart und damit Personalkosten reduziert werden. Laufende Verträge, die nachteilig für das Unternehmen sind, können gekündigt oder nachverhandelt und bessere Konditionen vereinbart werden. Für die Erfüllung von Pensionsverpflichtungen gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern steht in der Regel der umlagefinanzierte Pensionssicherungsverein ein, der lediglich als Insolvenzgläubiger in das Verfahren eintritt. Damit aber kann die Bilanz gerade bei Konzernen mit hohen Pensionsverpflichtungen erheblich entlastet werden.
Auch für das Management ist ein Schutzschirmverfahren besonders attraktiv, da es die Verantwortung für das operative Geschäft behält und nicht, wie bei sonstigen Insolvenzverfahren, ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter die Geschäfte übernimmt. Dem Management wird allerdings ein sogenannter Sachwalter als gerichtlich bestellte Aufsichtsperson zur Seite gestellt, der die Interessen der Gläubiger schützen soll. Auf Seiten der Geschäftsführung ist es notwendig, einen oder mehrere Sanierungsexperten mit insolvenzrechtlicher Expertise ins Boot zu holen (ob als Sanierungsgeschäftsführer oder ggf. Generalbevollmächtigter), damit die Eigenverwaltung durch die Geschäftsführung eines Schuldnerunternehmens Erfolg haben kann.
Doch das Verfahren ist bei Fluggesellschaften durchaus komplex: die Flugzeuge gehören oft externen Leasinggesellschaften (die Lufthansa hat allerdings mehr eigene als geleaste Maschinen), mit denen Einigkeit über die künftige Nutzung erzielt werden muss. Das Verfahren darf außerdem im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen, so dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebes nur erfolgen kann, sofern dies keinen laufenden Verlust (und damit die Verringerung der Insolvenzmasse) ohne anderweitigen Ausgleich nach sich zieht. Es ist daher entscheidend, dass die Sanierung gelingt und der Flugverkehr uneingeschränkt – zumindest im derzeitigen niedrigen Umfang - fortgesetzt werden kann. Soweit die erforderliche Liquidität aber nicht mehr durch den operativen Geschäftsbetrieb generiert und/oder im Unternehmen vorhanden ist, muss doch wieder der Staat unter die Arme greifen, wie z.B. im Fall Air Berlin oder Condor die staatseigene KfW. Diese stellt das Geld nicht ohne wesentliche Auflagen zur Verfügung. Ganz ohne Staatshilfen geht es daher auch bei der Eigenverwaltung bzw. dem Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung nicht.