13.02.2025

Tipps zur Vertragsverhandlung für Nichtjuristen (Teil 1)

Dies ist der erste Teil einer Serie von insgesamt drei Beiträgen, die nicht-juristische Mitarbeiter beim Verhandeln und Abschließen von Geschäften unterstützen sollen. Die Teile zwei und drei folgen in den kommenden Wochen. Die Darstellungen richten sich besonders an Mitarbeiter in Einkaufs- und Vertriebsabteilungen, die regelmäßig mit Lieferanten bzw. Kunden um die Konditionen der lang- oder kurzfristigen Zusammenarbeit ringen. Dieselben Grundsätze gelten aber gleichermaßen auch für Vertragsanbahnungen und -abschlüsse mit allen anderen Partnern Ihres Unternehmens. Dieser erste Teil der Serie soll die strategische Bedeutung und die rechtlichen Spielräume erläutern, die mit der Übermittlung des ersten schriftlichen Vertragsangebots einhergehen können und einige einfache Tipps zur Handhabung geben.

1. Weichenstellung: Erstes Vertragsangebot

Einigen sich zwei Parteien grundsätzlich auf eine geschäftliche Zusammenarbeit (etwa eine Belieferung), muss beiden Seiten an einer Verschriftlichung gelegen sein. Dazu wird regelmäßig eine der beiden Parteien der anderen einen ausformulierten Vertragstext zukommen lassen. Dieser wird oftmals auf einem unternehmensinternen Muster oder Dokumenten aus älteren Vorgängen beruhen. Dieser scheinbar banale Umstand ist eine entscheidende rechtliche Weichenstellung!

Der Hintergrund ist simpel: Textvorlagen, die zum mehrfachen Einsatz vorformuliert sind, werden rechtlich um ein Vielfaches strenger behandelt, als individuell für einen ganz bestimmten – einzelnen – Vorgang erstellte Entwürfe. Ob es sich bei den Vorlagen um Allgemeine Liefer-, Einkaufs-, Vertrags- oder Geschäftsbedingungen oder um Textbausteine in unternehmensinternen Vertragstemplates, auf Bestellvordrucken, Auftragsbestätigungsmustern, Lieferscheinen oder Rechnungen handelt: Rechtlich sind dies Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und rechtlich streng reglementiert.

Das gilt auch dann, wenn ein solches Template inhaltlich schon teilweise auf den einzelnen Vorgang zugeschnitten wird, also etwa Parteien, Vertragsgegenstand, Preis, Laufzeit und Ansprechpartner bereits darein eingetragen und der Text erst dann übersandt wird – nur diese individuell eingetragenen kaufmännischen Details unterliegen nicht der Kontrolle des AGB-Rechts, alle weiteren, nicht davon berührten Regelungsteile des Templates dagegen schon. Solche Regelungen dagegen, die der Verfasser nicht einem Muster entnimmt, sondern „sich selbst ausdenkt“, unterliegen schon von Beginn an nicht dem AGB-Recht und sind nicht Gegenstand dieses Beitrags.

2. AGB-Recht: Ungleichbehandlung der Parteien

Die Partei, die ein solches Angebot erhält („Empfänger“), soll vor der Verhandlungs- und Gestaltungsmacht der Partei geschützt werden, die auf Basis einer Mustervorlage ein Vertragsangebot unterbreitet („Verwender“). Die tatsächlichen Machtverhältnisse zwischen den Parteien bleiben dabei rechtlich irrelevant. Ebenso macht es keinen Unterschied, ob die Parteien sich nicht ohnehin auf viele der in der verwendeten Vorlage enthaltenen Regelungen geeinigt hätten. Es spielt außerdem keine Rolle, ob sich der Empfänger ausdrücklich mit allen oder einzelnen der vorgeschlagenen Regelungen einverstanden erklärt oder ob die Parteien vielleicht sogar einzelne Regelungsvorschläge nach Verhandlungen umformulieren:

All die Regelungen, die der Empfänger nicht individuell nachverhandelt, unterfallen dem AGB-Recht, was zur Unwirksamkeit vieler scheinbar harmloser Klauseln führen kann. Unwirksame Regelungen entfallen und werden durch die vom Gesetz jeweils vorgesehenen Regelungen ersetzt. Die gesetzlichen Regelungen können dabei deutlich ausgewogener sein; manchmal sind sie aber auch für beide Parteien überraschend (Beispiel: Wenn im vom Kunden verwendeten Template ein Zahlungsziel von 90 Tagen gefordert wird, der Lieferant ein Zahlungsziel von 30 Tagen eventuell akzeptiert hätte, beide Parteien dann aber erfahren, dass anstelle der unwirksamen Standardregelung des Kunden nach dem Gesetz sofort bei/gegen Lieferung gezahlt werden muss; s.u. 4.).

Die einzelnen Klauseln, die die Parteien dagegen individuell nachverhandelt haben (was in der Regel eine Änderung des Textes nach sich zieht, allerdings keine zwingende Voraussetzung ist), unterfallen nicht mehr dem für den Empfänger günstigen Schutz des AGB-Rechts. Sowohl die Frage, welche Seite einen Vertragstext (als Verhandlungsbasis) stellt, als auch die Frage, ob der Empfänger bestimmte darin vorgeschlagene Punkte überhaupt diskutieren sollte, haben demnach große praktische Bedeutung, wenn es sich bei dem vorgeschlagenen Text inhaltlich um ein Muster handelt.

3. Analyse: Unterschiedliche Perspektiven der Parteien

Analysiert der Empfänger seine Situation richtig, kann er diese Ausgangssituation für sich nutzen: Scheinen dem Empfänger die vorgeschlagenen Regelungen zunächst als nachteilig und inakzeptabel, spricht gerade das oft dafür, dass sie ggf. gerade aufgrund ihrer Einseitigkeit unwirksam sind. Viele Empfänger bewerten diese Situation instinktiv strategisch falsch: Sie versteigen sich in lange, verbissen geführte Verhandlungen über eigentlich unwirksame Regelungen des Verwenders, was am Ende entweder zum Scheitern des dringend benötigten Geschäfts oder – vielleicht noch schlimmer – dazu führt, dass die nachverhandelte Klausel aufgrund der darüber geführten Verhandlungen ggf. nicht mehr als AGB anzusehen und damit nunmehr überhaupt erst „wirksam geworden“ ist.

Während es sich für den Empfänger lohnen kann, nachteilige unwirksame Klauseln zu akzeptieren oder zu ignorieren und sich auf die Verhandlung der nachteiligen wirksamen Klauseln zu konzentrieren, ist die Ausgangssituation des Verwenders eine andere: Der Verwender sollte die in tatsächlicher Hinsicht vorteilhafte Position, den Vertragstext zunächst vorgeben zu können, nicht dadurch verspielen, dass er die Regelungen so einseitig gestaltet, dass sie unwirksam sind. Der Verwender ist deshalb verhandlungstaktisch oftmals gut beraten, zu versuchen, das Mindestmaß des „gerade noch rechtlich Zulässigen“ vorzuschlagen, nicht aber darüber hinausgehend eklatant einseitige Regelungen vorzuschlagen – andernfalls riskiert er die oben beschrieben Unwirksamkeitsfalle.

4. Beispielhafte Check Liste

Doch welche konkreten Regelungen sind typischerweise unwirksam? Da sich die Unwirksamkeit letztlich immer nach dem genauen Wortlaut der Klausel richtet, ist eine pauschale Bewertung schwierig und jede relevante Klausel im Zweifel anhand ihres genauen Wortlauts zu prüfen. Dennoch kann auch jeder Verhandlungsführer selbst anhand der folgenden beispielhaften Check-Liste, die einige gängige Klauseln beleuchtet, sein Problembewusstsein schärfen:

  • Zahlungsziel (Kunde als Verwender): Wirksam kann der Kunde eine Zahlungsziel von maximal 30 Tagen ab Leistungserbringung vorschlagen (auch individuell lassen sich nach dem Gesetz regelmäßig nicht mehr als 60 Tage vereinbaren). Jedes längere Zahlungsziel ist unwirksam und führt stattdessen zur sofortigen Zahlungspflicht bei Lieferung („Zug um Zug“). Ein Vorschlag des Kunden (oder das Verhandeln des Lieferanten) über ein längeres Zahlungsziel ist daher rechtlich nicht geboten.
  • Vertragsstrafe (Kunde als Verwender): Viele Auftraggeber drängen auf die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für Lieferverzug. Rechtlich ist dies für den Kunden mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden, da sowohl der prozentuale Tages-/Wochensatz, als auch der insgesamt maximal mögliche Betrag angemessen zu begrenzen sind. Nach der Rechtsprechung ist eine Vertragsstrafenregelung von insgesamt mehr als 5% der Auftragssumme aber jedenfalls in Standardfällen unwirksam. Sieht das Vertragsmuster des Kunden mehr vor, muss der Lieferant hierzu angesichts der Unwirksamkeit keine Verhandlung anstrengen.
  • Gewährleistungsfrist (Kunde als Verwender): Dem Kunden kann an einer Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist (von regelmäßig 24 Monaten für die Lieferung beweglicher Sachen) gelegen sein. Eine Verlängerung auf 36 Monate soll nach der Rechtsprechung auch in Kunden-AGB regelmäßig wirksam möglich sein. Ob auch eine noch weiterreichende Verlängerung als wirksam anzusehen wäre, ist offen. Der Kunde ist damit als Verwender im Regelfall mit 36 Monaten auf der sicheren Seite – dem Lieferant schaden Verhandlungen über 36 Monate aber auch nicht, da er ohnehin nicht auf eine Unwirksamkeit und damit ein Zurückfallen auf die gesetzliche Gewährleistungsfrist vertrauen könnte.
  • Gewährleistungsfrist (Lieferant als Verwender): Der Lieferant einer beweglichen, neu herzustellenden Sache kann die gesetzliche Gewährleistungsfrist in seinem Vertragsmuster auf maximal 12 Monate ab Übergabe begrenzen. Alles darunter ist kritisch. Er ist (bei rein rechtlicher Betrachtung) also gut beraten, 12 Monate vorzuschlagen. Spiegelbildlich kann der Kunde als Empfänger gut beraten sein, eine vom Lieferanten vorgeschlagene kürzere (und daher unwirksame) Frist nicht nach oben zu verhandeln, da er im Gewährleistungsfall ohnehin „weich“ auf die gesetzliche Frist von 24 Monaten fiele. Schlägt der Lieferant dagegen 12 Monate oder mehr vor, schaden Verhandlungen der Rechtsposition des Kunden nicht.
  • Haftungsbegrenzung (Lieferant als Verwender): Der Lieferant wird oft bestrebt sein, seine Haftung (etwa auf die Auftragssumme) zu begrenzen. Während sich die Wirksamkeit einer genauen summenmäßigen Obergrenze nicht pauschal bewerten lässt, kann eine Haftungsbeschränkungsklausel insgesamt schon allein dann unwirksam sein, wenn sie nicht ausdrücklich Schadensersatzansprüche des Kunden wegen Verletzung von Körper, Gesundheit oder Leben oder aufgrund von grobem Verschulden oder Vorsatz des Lieferanten oder seiner Erfüllungsgehilfen von der Begrenzung wieder ausnimmt. Dafür hat der Lieferant nämlich stets unbegrenzt zu haften. Fehlt diese Ausnahme in der Formulierung, kann der Kunde regelmäßig auf Verhandlungen zu diesem Punkt verzichten, da eine solche Haftungsbegrenzung des Lieferanten dann insgesamt unwirksam sein dürfte.
Fazit: Weichenstellung erkennen und nutzen

Die in der Check Liste aufgeführten „Unwirksamkeitsgrenzen“ knüpfen allein an die Position des Verwenders an und sind gerade nicht als allgemeingültige Grenzen zu verstehen. Konkret: Schlägt der Lieferant in der oben geschilderten Situation (etwa in den kommerziellen Bedingungen seines Leistungsangebots) eine Gewährleistungsfrist von 6 Monaten vor, ist diese regelmäßig unwirksam. Macht der Kunde dagegen zu diesem Punkt (etwa in den kommerziellen Bedingungen seiner Bestellung) den ersten Aufschlag und schlägt dieselben 6 Monaten vor, ist dies problemlos wirksam.

Gerade weil die oben genannten – und viele weitere, hier noch gar nicht erörterten – Regelungen vielfach für beide Parteien elementare Aspekte betreffen, sollte jeder Verhandlungsführer sich der Wichtigkeit der diskutierten grundsätzlichen Weichenstellungen (Vertrag vorlegen oder der anderen Seite den Vortritt überlassen? Erhaltenes Vertragsangebot verhandeln oder nicht?) bewusst sein. In vielen Fällen ist eine Analyse dieser Weichenstellung hilfreicher und effizienter, als zähes Verhandeln. Aufgabe der kaufmännischen Verhandlungsführer ist es dabei gar nicht zwingend, diese Analyse selbst durchzuführen, sondern zu erkennen, dass es der Analyse überhaupt bedarf.

Autor/in
David Bündgens

David Bündgens
Senior Associate
Köln
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