18.10.2018

Transparenz um jeden Preis?

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18.10.2018

Transparenz um jeden Preis?

Am 11. Oktober 2018 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II). Die zweite Aktionärsrechterichtlinie (exakt die „Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre“) muss bis zum 10. Juni 2019 in deutsches Recht umgesetzt werden.


Ziel der zweiten Aktionärsrechterichtlinie ist die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre und damit die Verbesserung der „Corporate Governance“ börsennotierter Gesellschaften. Die dazu vorgesehenen Maßnahmen der Richtlinie und des darauf basierenden Referentenentwurfes haben – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – ihren Fokus ganz klar auf die Transparenz bezüglich aller Beteiligten gelegt. Dies ergibt sich unter anderem aus folgenden Änderungen:

Institutionelle Anleger, Vermögensverwalter, Stimmrechtsberater

Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter werden verpflichtet, über ihre Mitwirkungspolitik zu berichten, z.B. soll der Bericht Erklärungen über die Einflussnahme auf Portfoliogesellschaften und die wichtigsten Abstimmungen enthalten. Auch Stimmrechtsberater treffen Offenlegungspflichten, z.B. haben sie Erklärungen zu Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie ihrer Stimmrechtspolitik zu veröffentlichen.

Aktionäre

Aktionäre sind ebenfalls betroffen. Es bleibt nicht dabei, dass nur Intermediäre (Kreditinstitute) verpflichtet werden, bestimmte relevante Informationen von der Aktiengesellschaft an die Aktionäre und umgekehrt weiterzuleiten.

In Zukunft wird Aktiengesellschaften sogar das Recht eingeräumt, sowohl bei Inhaber- als auch bei Namensaktien über die Kette verschiedener Intermediäre hinweg die Identität ihrer Aktionäre abzufragen. Der „Tod der Inhaberaktie“ ist damit eingeläutet. Insbesondere hat der deutsche Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Schwellenwerte für das Abfragerecht einzuführen, sodass diese Pflichten der Intermediäre auch bei Kleinstbeteiligungen greifen. In der Begründung des Referentenentwurfes wird es ausdrücklich in das Ermessen der Aktiengesellschaften gestellt, bei Intermediären nur Aktionäre mit einer bestimmten Aktienstückzahl abzufragen.

Vorstandsmitglieder

Ein „Honorar-Cap“, also eine Deckelung der Vergütung, wurde, obwohl sie in der Vergangenheit immer wieder mit Schlagworten wie „Gehaltsexzesse von Spitzenmanagern“ etc. gefordert wurde, nicht eingeführt. Dennoch trifft das ARUG II zwei Neuerungen mit Hinblick auf die Vorstandsvergütung bei börsennotierten Gesellschaften: Zum einen dürfen die Aktionäre ein (beratendes) Votum über die Vergütungspolitik abgeben, zum anderen soll jährlich über den Vergütungsbericht abgestimmt werden. Beide sind auf der Homepage der Gesellschaft zu veröffentlichen und dort für mindestens 10 Jahre zugänglich zu machen.

Bislang konnte die Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften nur über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmittlieder beschließen, vgl. § 120 Abs. 4 AktG. Nun soll der Aufsichtsrat den Beschluss über die Vergütungspolitik fassen.

Diese soll sich – soweit in der Gesellschaft vorhanden – unter anderem zum Beitrag der Vergütung zur Förderung der Geschäftsstrategie und zur langfristigen Entwicklung der Gesellschaft, zum Anteil fester und variabler Vergütungsbestandteile an der Gesamtvergütung und zu finanziellen und nichtfinanziellen Leistungskriterien für die Gewährung variabler Vergütungsbestandteile verhalten. Insofern ist die neue Regelung deutlich detaillierter.

Diese Vergütungspolitik hat der Aufsichtsrat der Hauptversammlung mindestens aller vier Jahre zur Abstimmung vorzulegen. Der Europäische Gesetzgeber hat den nationalen Gesetzgebern freigestellt, ob das daraus resultierende Votum der Hauptversammlung bindend oder nur beratend sein soll. Der deutsche Gesetzgeber hat sich insbesondere vor dem Hintergrund des dualistischen Systems aus Vorstand und Aufsichtsrat und mit Rücksicht auf die Kompetenz des Aufsichtsrates (in Fortführung der bisherigen Rechtslage) für die beratende Wirkung entschieden.

Darüber hinaus haben Aufsichtsrat und Vorstand jährlich einen Vergütungsbericht über die im letzten Geschäftsjahr jedem einzelnen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied gewährte oder geschuldete Vergütung zu erstellen und der Hauptversammlung vorzulegen. Ein negatives Votum der Hauptversammlung entfaltet zwar für den Vorstand keine bindende Wirkung. Allerdings dürfte es in vielen Fällen zur Überarbeitung der Vergütungspolitik führen. Außerdem sieht das ARUG II vor, dass mit den Vorstandsmitgliedern Vereinbarungen über ein „Claw Back“ getroffen werden können, d.h. über eine Rückerstattung variabler Vergütungsbestandteile beim Nichterreichen bestimmter Zielwerte.

Fazit

Es wird sich zeigen, ob Transparenz tatsächlich zur Verbesserung der langfristigen Entwicklung der Gesellschaft beiträgt oder ob nicht vielmehr bestehende Verhaltensweisen dadurch bestärkt werden, dass „die anderen es ja auch so machen“. Nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz wird die Umsetzung des Referentenentwurfes jedenfalls kein billiges Vergnügen. Sie wird die deutsche Wirtschaft pro Jahr ca. 6,52 Mio. Euro kosten – Geschäftsgeheimnisse nicht mit eingerechnet.

Weiterlesen: Blogbeitrag vom 12. September 2018 zum Schicksal der Inhaberaktie

 

  

Anne Biebler
Rechtsanwältin
Associate
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Ass. iur. Franziska Ockert, LL.M. oec.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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