24.03.2017

Unangekündigt und über Grenzen hinweg: die europäische Kontenpfändung

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Hintergrund

24.03.2017

Unangekündigt und über Grenzen hinweg: die europäische Kontenpfändung

Am 18. Januar 2017 trat die Europäische Kontenpfändungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 655/2014) in Kraft. Mit dieser ist es Gläubigern möglich, in der gesamten Europäischen Union (mit Ausnahme Großbritanniens und Dänemark) Geldforderungen zu sichern. Damit macht es keinen Unterschied, ob der Schuldner Verbraucher oder Unternehmer ist. Vergleichbar ist ein solcher Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung mit einem Arrest gem. §§ 916 ff. ZPO.

In fast allen Bereichen des Zivil- und Handelsrechts wird somit ein europäisches Sicherungsmittel geschaffen, das die Rechtsverfolgung innerhalb der Mitgliedstaaten erleichtern wird. Zudem wird es den Gläubigern möglich sein, hinsichtlich der Einholung von Kontoinformationen auf das Bundesamt für Justiz als zentrale Auskunftsbehörde zurückzugreifen, wenn bereits ein Titel gegen den Schuldner vorliegt. Die deutschen Durchführungsvorschriften finden sich nun in den §§ 946 ff. ZPO.

Reichweite der Verordnung

Der folgende Fall zeigt die durch die Verordnung geschaffenen Möglichkeiten: ein deutscher Restaurantbetreiber will einen Schadensersatzanspruch gegen eine spanische Metzgerei durchsetzen. Diese hat den bestellten Jamón Ibérico nicht rechtzeitig ge­liefert. Befürchtet der Deutsche nun, dass das spanische Unternehmen sein Vermögen verschleiern, verschieben oder verbrauchen wird und ist eine Sicherungsmaßnahme somit dringend erforderlich, kann er bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht (hier – soweit nicht anders vereinbart – einem deutschen Gericht gem. Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO) die Pfändung des spanischen Kontos beantragen.

Sollte der Gläubiger nicht alle Daten über die Konten des Schuldners oder den Sitz des Unternehmens haben, kann er diese zunächst über das Gericht ermitteln lassen, wenn er bereits über einen Titel gegen den Schuldner verfügt (Art. 14 EuKoPfVO, § 948 ZPO). Hat er noch keinen Titel, prüft das Gericht unter Zugrundelegung des anwendbaren Rechts summarisch, ob die zu sichernde Forderung voraussichtlich berechtigt ist.

Vollstreckung ohne Kenntnis des Gegners

Die Pfändung kann auch schon vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens mittels eines Formulars beantragt werden, welches über das Europäische Justizportal heruntergeladen werden kann. Voraussetzungen sind lediglich, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, die Forderung (bei Antragstellung in Deutschland) nach § 947 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht wird und der Antragsgrund der Dringlichkeit vorliegt. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt ist zu bejahen, wenn sich entweder das zuständige Gericht, der Gläubiger oder das zu pfändende Konto in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden.

Der Antrag auf Kontenpfändung sollte jedoch nicht leichtfertig gestellt werden: Ist die Kontenpfändung vor Einleitung des Hauptverfahrens beantragt worden, muss der Gläubiger nämlich innerhalb von 14 Tagen nach Erlass des Pfändungsbeschlusses bzw. 30 Tage nach Einreichung des Antrags, Klage erheben – er setzt sich selbst also unter Zugzwang.

Die Folgen für das spanische Unternehmen können gravierend sein – denn ist der vom Gläubiger geltend gemachte Betrag auf dem Konto einmal gepfändet, kann der Betrieb eines Unternehmens im Einzelfall deutlich erschwert werden. Dies kann bei kleinen Unternehmen im schlimmsten Fall zu einer Betriebseinstellung oder Insolvenz führen.

Der Schuldner kann einer derartigen Pfändung – außer durch eine rechtzeitige Begleichung seiner Forderung – auch nicht entgegenwirken. Denn er wird nicht vorab über den Pfändungsantrag des Gläubigers informiert.

Rechtsschutz gegen die vorläufige Kontenpfändung

Der Schuldner kann den Beschluss der Kontenpfändung bei dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaates anfechten – das spanische Unternehmen aus dem Beispielsfall müsste also Rechtsschutz in Deutschland suchen. Gegen die Vollstreckung des Beschlusses kann der Schuldner vorgehen, indem er bei dem zuständigen Gericht einen Antrag auf Einschränkung oder Beendigung der Vollstreckung stellt. Die Rechtsbehelfsfristen regeln die Mitgliedstaaten selbst. Wurde das Konto zu Unrecht „eingefroren“, macht sich der Gläubiger zudem schadensersatzpflichtig. Deshalb muss er auch schon bei Antragstellung eine Sicherheit hinterlegen.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Simon Heetkamp
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