11.02.2021

Unzulässige Videoüberwachung - LfD Niedersachsen verhängt Bußgeld von mehr als EUR 10 Mio. gegen notebooksbilliger.de

Hintergrund

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen Barbara Thiel gab mit einer Pressemitteilung vom 8. Januar 2021 bekannt, dass sie gegen die Betreiberin des Elektronik-Handels notebooksbilliger.de ein Bußgeld in Höhe von EUR 10,4 Mio. verhängt hat. Dabei handelt es sich um das bisher höchste Bußgeld, das die niedersächsische Datenschutzbehörde wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ausgesprochen hat.

Die Entscheidung

Die Datenschutzbehörde begründete ihre Entscheidung mit schwerwiegenden Verstößen im Zusammenhang mit der Videoüberwachung, die der Elektronik-Händler in seinem Unternehmen durchgeführt hatte. Dabei seien seine Beschäftigten in einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren unrechtmäßig per Video überwacht worden. Auch KundInnen seien von der rechtswidrigen Videoüberwachung in Verkaufsräumen des Elektronik-Händlers betroffen gewesen, der auch eigene Ladengeschäfte betreibt. Inzwischen habe das Unternehmen die Videoüberwachung aber rechtmäßig ausgestaltet.

notebooksbilliger.de hatte sich darauf berufen, mit der Videoüberwachung allgemein Diebstähle verhindern und aufklären zu wollen. Die Datenschutzbehörde bemängelte daran jedoch insbesondere, dass die Überwachung der Beschäftigten ohne einen konkreten Anlass erfolgt sei und eine Speicherung der Aufzeichnungen für bis zu 60 Tage deutlich über das erforderliche Maß hinausgehe. Die Videoüberwachung sei daher zur systematischen Leistungsüberwachung der Beschäftigten geeignet gewesen. Auch die Überwachung von Sitzbereichen in Ladengeschäften des Elektronik-Händlers, in denen Kunden sich typischerweise länger aufhalten, sei nicht verhältnismäßig gewesen.

notebooksbilliger.de hat gegen die Entscheidung der LfD Niedersachsen bereits Einspruch eingelegt. Der Elektronik-Händler kritisiert, die Datenschutzbehörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, etwa durch eine Begutachtung der betreffenden Kameras vor Ort. Zudem sei das Bußgeld in Relation zu der Schwere des Verstoßes unverhältnismäßig hoch. Das Unternehmen hält den Bescheid daher für nicht rechtmäßig.

Unser Kommentar

Das Bußgeld der LfD Niedersachsen zeigt, dass die Datenschutzbehörden inzwischen auch wegen vermeintlich geringerer Verstöße gegen die DSGVO empfindliche Bußgelder verhängen. Auch wenn eine Videoüberwachung insbesondere im Versandhandel und in der Logistikbranche zum Standard gehört, müssen Verantwortliche den Einsatz jeder einzelnen Videokamera daher genauestens prüfen. Dabei können auch Details wie die Ausrichtung der jeweiligen Kamera oder die Speicherfrist der Aufzeichnungen Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens haben. Unternehmen, die Überwachungskameras in ihren Geschäftsräumen nutzen, sollten daher regelmäßig überprüfen, ob ihr Verfahren den aktuellen Anforderungen der Datenschutzbehörden an die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung genügt.

Insbesondere die Speicherdauer der Aufzeichnungen ist dabei genau zu prüfen. So sollte auch bei einer Überwachung zur Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten sorgfältig abgewogen werden, wie lange die Aufzeichnungen für den Verarbeitungszweck tatsächlich gesichert werden müssen. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des  Bundes und der Länder (DSK) geht in ihrer „Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“ vom 17. Juli 2020 (abrufbar unter: https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/oh/20200903_oh_vü_dsk.pdf) davon aus, dass Videoaufzeichnungen in der Regel nach Ablauf von nur 72 Stunden zu löschen sind, wenn sich innerhalb dieses Zeitraums keine Anhaltspunkte ergeben, die eine darüber hinausgehende Speicherung rechtfertigen. Verantwortliche wären damit verpflichtet, das aufgezeichnete Material innerhalb von 72 Stunden zu sichten, und dürften nur bei Hinweisen auf eine Straftat von einer Löschung absehen.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang aber, ob die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten durch eine regelmäßige gründliche Sichtung des aufgenommenen Materials nicht schwerer beeinträchtigt werden, als durch eine längere Speicherung von Aufzeichnungen, die jedoch erst bei einem konkreten Anlass gesichtet werden. Selbiges gilt hinsichtlich der Ansicht der LfD Niedersachsen, Verantwortliche müssten vor der Durchführung einer Videoüberwachung zur Verhinderung von Straftaten zunächst weniger einschneidende Mittel wie bspw. stichprobenartige Taschenkontrollen prüfen. Denn viele Beschäftigte dürften sich durch eine Durchsuchung ihrer privaten Habseligkeiten stärker beeinträchtigt fühlen als von einer Überwachung des Arbeitsbereiches per Videokamera.

Kritisch zu betrachten ist in diesem Fall auch die Höhe des verhängten Bußgelds. Es ist davon auszugehen, dass die niedersächsische Datenschutzbehörde bei der Bestimmung der Bußgeldhöhe das umstrittene Bußgeldmodell angewandt hat, auf welches sich die Mitglieder der DSK verständigt haben. Im Dezember 2019 hatte der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) bereits ein drastisches Bußgeld in ähnlicher Höhe gegen die 1&1 Telecom GmbH verhängt und dabei das Bußgeldmodell der DSK angewandt. Dieses Bußgeld ist nach einem Einspruch der 1&1 Telecom GmbH durch das LG Bonn jedoch um 90 % gekürzt worden. Der von notebooksbilliger.de eingelegte Einspruch könnte daher zumindest hinsichtlich der Bußgeldhöhe ebenfalls Aussicht auf Erfolg haben.

Autor/in
Franziska Neugebauer

Franziska Neugebauer
Senior Associate
Köln
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