17.10.2019
Die Frage über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, dessen Einlegung an die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe geknüpft wird, beschäftigt die Rechtsprechung seit jeher. Der BGH befasste sich jüngst erneut mit der Problematik (AZ. XII ZB 546/18).
Der Antragsgegner wandte sich mit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Familiengerichts Kamen auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt - jedoch „nur unter der Bedingung von Verfahrenskostenhilfe“. „Im Umfange der Bewilligung“ würde „sodann Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt“werden. Dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe lag der vollständige Beschwerdeschriftsatz mitsamt Begründung und Unterschrift seines Verfahrensbevollmächtigten bei. Den Verfahrenskostenhilfeantrag bewilligte das OLG Hamm zwar, verwarf später allerdings die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig, weil diese nur unter einer Bedingung der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe eingelegt worden sei. Auch eine Wiedereinsetzung sei aufgrund des Fristablaufs nicht mehr möglich. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit einer Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Entscheidung
Der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde, weil der Antragsgegner seine Beschwerde vor dem OLG in unzulässiger Weise an eine Bedingung geknüpft habe. Durch die gewählten Formulierungen „nur unter der Bedingung“ und „sodann“ habe er die Beschwerde lediglich angekündigt. Die dem Verfahrenskostenhilfeantrag beigefügte Begründung und formal ordnungsgemäße Beschwerdeschrift sei dabei lediglich als Begründung des Verfahrenskostenhilfeantrags zu werten. Etwaige Hinweise habe das Gericht nicht geben müssen, weil der Schriftsatz keine Unklarheiten enthalte. Im Ergebnis läge ein bedingt eingelegtes Rechtsmittel vor, welches unzulässig und damit zu verwerfen sei.
In der Praxis
Rechtsmittel sind grundsätzlich bedingungsfeindlich, da es mit den Grundsätzen eines geordneten Verfahrens unvereinbar ist, das Entstehen oder auch den Bestand eines Prozessrechtsverhältnisses ungewiss zu lassen oder allein in den Willen des Rechtsmittelführers/ der Rechtsmittelführerin zu stellen.
Somit gilt:
Auslegungsschwierigkeiten können sich ergeben, wenn – wie im oben dargestellten Fall – den Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeanträgen die Rechtsmittelschriften bereits vollständig beigelegt sind und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um eine unzulässig bedingte oder eine bereits wirksame unbedingte Rechtsmitteleinlegung handelt, wobei auf die Sicht eines objektiven Dritten abgestellt wird.
Im Zweifel für den Rechtsmittelführer/ die Rechtsmittelführerin?
Es existieren aber auch Fallgruppen, in denen der Zweifelsgrundsatz gilt. Reicht der Rechtsmittelführer oder die Rechtsmittelführerin etwa einen Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrag in Verbindung mit einem Schriftsatz ein, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht und verwendet hierbei keine Formulierungen die zweifelsfrei auf eine zukünftige Verfahrenshandlung oder bedingte Einlegung hindeuten, kann regelmäßig unterstellt werden, dass der Schriftsatz zunächst nur als Antrag auf Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe gemeint war, das Rechtsmittel aber unbedingt eingelegt werden soll. In diesem Fall wird angenommen, dass der Rechtsmittelführer/ die Rechtsmittelführerin eher das Kostenrisiko trägt, als von vornherein zu riskieren, dass das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Solche Ausnahmen können sich beispielsweise aus Formulierungen wie „Entwurf einer Berufungsbegründung“ oder „Begründung zunächst nur des PKH-Gesuchs“ ergeben. Denkbar ist auch eine Ankündigung, dass die Berufung erst „nach Gewährung der PKH“ begründet werde. Das Rechtsmittel wird in diesen Fällen häufig als unbedingt eingelegt angesehen, trotz Verknüpfung mit dem Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrag.
Fazit
Das Prozess- oder Verfahrenskostenhilfegesuch kann: 1.) gleichzeitig mit der Rechtsmittelschrift unbedingt, 2.) isoliert von der Rechtsmittelschrift oder aber 3.) in Verbindung mit der den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden und unterschriebenen Rechtsmittelschrift eingelegt werden, dann darf es sich jedoch bei der Verfahrenshandlung nicht nur um eine Ankündigung handeln. Ob das Rechtsmittel unter eine Ausnahmekonstellation fällt, ist Frage der Auslegung. Um erst gar nicht in diese prekäre Situation zu kommen, sollte lieber der sicherste Weg gewählt werden. Denn ein an die Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe geknüpftes Rechtsmittel ist - wie aufgezeigt - grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen betreffen nur enge Fallgruppen. Die Entscheidung des BGH verdeutlicht schließlich einmal mehr das Erfordernis eines zweifelsfreien Vorgehens im Rahmen der Einlegung von Rechtsmitteln.
Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
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Ioana Gioarsa
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