22.04.2020
Bereits am 6. April 2020 hatte die Bundeskanzlerin mit den Ministern ihres „Corona-Kabinetts“ weitere Soforthilfemaßnahmen erörtert, mit deren Hilfe dringend benötigte Liquidität in den Mittelstand fließen könnte. Hintergrund war, dass das bisherige KfW-Sonderprogramm 2020 und weitere Soforthilfemaßnahmen eine Risikoübernahme durch die Hausbanken in Höhe von mindestens 10 % des Kreditvolumens vorsahen. An der weiterhin strengen Bonitätsprüfung der Hausbanken scheiterten zu viele angeschlagene Antragsteller, nicht zuletzt aufgrund der unsicheren Prognosen zur baldigen Wiedereröffnung der deutschen Wirtschaft. Das Corona-Kabinett entwickelte also in einem Eckpunktepapier den sog. Schnellkredit, mit dem die KfW die Hausbanken nunmehr von bis zu 100 % des Ausfallrisikos freistellen kann.
Über die ersten Soforthilfe-Maßnahmen in Bund, Berlin und Brandenburg berichteten wir bereits hier und zu weiteren Programmen bundesweit hier. Unmittelbar danach waren die Server für die Antragstellung völlig überlastet und nicht mehr erreichbar. Auch die bereit gestellten Mittel waren in kürzester Zeit angesichts das Ansturms und der geringen Anforderungen an die Antragsbewilligungen knapp geworden. In den Medien las und hörte man von zahlreichen Antragstellern, die vergeblich Liquiditätshilfen beantragt und letztlich nicht erhalten hatten. Inzwischen sind allein in Berlin über 17 Mio. EUR aus bewilligten Soforthilfen wieder zurück geflossen.
Welche Summe seither über alle Kreditinstitute hinweg Corona-bedingt ausgezahlt worden ist, steht bislang nicht mit Sicherheit fest. Die Nachfrage ist nach wie vor groß und sie wird nicht minder angesichts der Verlautbarungen über die schrittweise, vorsichtige und in Teilen noch völlig offene Rückkehr zur unternehmerischen Normalität. Zunehmend machen Unternehmens- und Branchenverbände dem Unmut ihrer Mitglieder Luft Die Forderung nach lebenserhaltendem Mindestbetrieb – wie auch immer dieser aussehen könnte – wird lauter. Betroffene Mittelständler, vor allem im Gastronomie- und Tourismusgewerbe, kämpfen derweil weiter um ihre Existenz. Ob und unter welchen Bedingungen diese nun weitere Hilfe beanspruchen können, hängt richtigerweise von den Umständen jedes Einzelfalls ab. Trotzdem erkennt das Corona-Kabinett: ohne schnelle Liquiditätszufuhr wird es für erhebliche Teile des deutschen Mittelstands schwer werden, den Sommer zu überstehen. Daher brachte es nun eine weitere KfW-gestützte Förderung, den sog. „Schnell-Kredit“ auf den Weg.
Der Schnell-Kredit trägt auch den Namen „Kredit mit erweiterter Haftungsfreistellung“, was bedeutet, dass die KfW Ausfallrisiken nun komplett auffängt und damit den bislang größten Stolperstein für viele Antragsteller bei bisher verfügbaren Soforthilfe-Krediten über die Hausbanken eliminiert.
Der Schnell-Kredit zielt allein auf die Förderung des Mittelstands, der in den Förderrichtlinien mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 11 bis zum 249 Beschäftigten breit definiert ist. Der Schnellkredit ist damit nicht gedacht für Solo-Selbständige und Kleinstunternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten.
Keine Hilfe bringt der Sofort-Kredit für Start-Ups, die in der Summe der Jahre 2017-2019 (oder bei jüngeren Unternehmen innerhalb eines kürzeren Vergleichszeitraums) noch keinen nachweisbaren Gewinn aus ihrem Geschäftsmodell erzielt haben. Das ergibt vor dem Hintergrund Sinn, dass der Schnell-Kredit keine Geschäftsideen fördern will, die auch ohne die Corona-Krise keine positive Perspektive gehabt hätten. Grundlage der Mittelgewährung ist daher eher ein retrospektiver Ansatz.
Zumindest müssen Unternehmen am Stichtag 1. Januar 2019 am Markt aktiv gewesen sein, das heißt ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen und erste Umsätze erzielt haben. Zum Stichtag 31. Dezember 2019 müssen geordnete wirtschaftliche Verhältnisse nachgewiesen werden, was nichts anderes heißt, als dass ohne die Auswirkungen der Corona-Pandemie keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten bestanden haben dürfen. Bei Antragstellung sind diese Angaben zu versichern. Über die Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken einer falschen Versicherung klärt ein Belehrungstext auf. Die Bank prüft die Angaben nach, insbesondere Umsatz und Gewinn in der Vergangenheit, sowie die gegenwärtige Anzahl der Beschäftigten.
Bei vorfälliger Tilgung soll die sonst übliche Vorfälligkeitsentschädigung entfallen. Gewährte Kredite müssen binnen Monatsfrist – auch in Teilzahlungen – abgerufen werden. Die Tilgung erfolgt in gleichen Raten über 10 Jahre. Davon sind bis zu 2 Jahre tilgungsfrei. Der Schnellkredit ist vorerst befristet: letztmöglicher Auszahlungszeitpunkt ist derzeit der 31. Dezember 2020.
Mit Blick auf das EU-Beihilferecht hatte die Bundesregierung die nötigen Voraussetzungen im Rahmen des „Temporary Framework for State aid measures to support the economy in the current COVID-19 outbreak“ bei dem Schnellkredit (wie schon bei dem KfW-Sonderprogramm 2020) bereits geschaffen.
1. KfW Sonderprogramm 2020 – Änderungen gem. Eckpunktepapier des „Corona-Kabinetts“
2. KfW Sonderprogramm „Schnell-Kredit“
Die Kreditgewährung soll nicht mehr an den risikoscheuen Hausbanken scheitern. Dafür steht die KfW nun mit der 100 %igen Haftungsfreistellung ein. Sie beseitigt das Ausfallrisiko der Hausbanken. Eine Verlagerung der Krise vom Mittelstand in den Bankensektor wird dadurch vorerst abgewendet. Im Gegenzug muss/darf die Hausbank auf jegliche Besicherung und die übliche eigene Risikoprüfung verzichten mit Ausnahme der Prüfung der bereits genannten drei Parameter: Umsatz am Stichtag 1.1.2019; Gewinn in den letzten drei oder im ganzen Jahr 2019, Beschäftigtenzahl. Durch bankseitige Prüfung der Angaben des Antragstellers zu „Umsatz“, „Gewinn“ und „Beschäftigte“ will man eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kredite ausschließen und die Ausfallwahrscheinlichkeit geringgehalten werden. Die 100%ige Haftungsfreistellung ist daran gebunden, dass die Hausbank eine übliche Schadensfallbearbeitung sicherstellt. Tut sie das nicht, verliert sie die Haftungsfreistellung. Die Hausbanken bleiben verpflichtet die Forderungen einzutreiben.
Eine Risikoprüfung erfolgt aber auch nicht durch die KfW selbst. Nur so kann die beabsichtigte Schnelligkeit bei der Gewährung erreicht werden. Das hat seinen Preis. Das erhöhte Ausfallrisiko bei dem Schnell-Kredit soll durch höhere Zinsmargen im Vergleich zum KfW-Sonderprogramm 2020 finanziert werden: 3 % p.a. bei angenommenem Bankeneinstand von 0 % p.a.
Damit wird für dieses Programm bei einer erwartungsgemäß sehr hohen Nachfrage eine Erhöhung des Garantierahmens auf 150 Mrd. EUR erforderlich. Eine Nachfragebremse könnte sich daraus ergeben, dass der KfW-Schnellkredit nur dann beantragt werden kann, wenn nicht schon Hilfen aus anderen KfW-Kreditprogrammen in Anspruch genommen wurden. Auch die höheren Zinsen sollen die Inanspruchnahme zusätzlich begrenzen. Ob diese Rechnung aufgeht, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen müssen.
Anton Spinty
Senior Associate
Berlin
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