15.10.2020

Update zum nationalen und europäischen Emissionshandel

Hintergrund
  • Bundestag erhöht nationalen CO2-Preis trotz verfassungsrechtlicher Bedenken
  • Verfassungswidrige Doppelbelastung der EU ETS-Anlagen – Umweltministerium sorgt für Verärgerung
  • Kein Borrowing im EU ETS – neue Zertifikate für 3. Handelsperiode nicht nutzbar
  • Warten auf neue Benchmarks – vielen Sektoren droht maximale Kürzung

Bundestag erhöht nationalen CO2-Preis trotz verfassungsrechtlicher Bedenken

Bundestag und Bundesrat haben jetzt die politisch bereits Ende letzten Jahres verabredete Erhöhung des ab dem 1. Januar 2021 geltenden neuen CO2-Preises im nationalen Brennstoffemissionshandel nach BEHG beschlossen. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes wurden die für die Jahre bis 2025 geltenden Fixpreise sowie der Versteigerungskorridor für das Jahr 2026 deutlich angehoben. Es werden hierdurch erhebliche Belastungen auf Unternehmen und Bürger zukommen, was gerade in Zeiten einer pandemiebedingten Wirtschaftskrise Fragen nach ihrer Angemessenheit und der richtigen Prioritätensetzung aufwirft. In den Beratungen zur Gesetzesänderung wurden aber auch erneut die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Fixpreiskonzept des BEHG betont. Insbesondere in der Sachverständigenanhörung des Umweltausschusses wurde die inzwischen wohl deutlich herrschende Meinung einer Unvereinbarkeit mit der finanzverfassungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgestellt. Diese validen verfassungsrechtlichen Bedenken sollten sinnvollerweise etwa in Brennstofflieferverträgen abgebildet werden, um an etwaigen Erfolgen in diesbezüglichen zukünftigen Gerichtsverfahren teilhaben zu können.

Jahr

BEHG alt

BEHG neu

2021

10 EUR

25 EUR

2022

20 EUR

30 EUR

2023

25 EUR

35 EUR

2024

30 EUR

45 EUR

2025

35 EUR

55 EUR

2026

35 bis 60 EUR (Auktion)

55 EUR bis 65 EUR

(Auktion)

Verfassungswidrige Doppelbelastung der EU ETS-Anlagen – Umweltministerium sorgt für Verärgerung

Für erhebliche Verärgerung in Industriekreisen sorgt eine Stellungnahme des Bundesumweltministeriums zur absehbaren Doppelbelastung der deutschen EU ETS-Anlagen mit massiven Liquiditätsabflüssen durch den neuen nationalen Brennstoffemissionshandel nach BEHG: Müssen ab 2021 auch bereits für das Inverkehrbringen von Brennstoffen Emissionszertifikate abgegeben werden, kommt es bei den Emissionen der EU ETS-Anlagen zu einer doppelten Belastung mit Abgabepflichten. Denn die Emissionen aus der Verbrennung der Brennstoffe begründen gleichzeitig auch Abgabepflichten nach TEHG. Die Anrechnungsmöglichkeit des § 7 Abs. 5 BEHG versucht dieser Doppelbelastung Einhalt zu gebieten, erscheint hierfür im Ergebnis aber wenig geeignet: Kaum ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Brennstofflieferant dürfte darauf verzichten, unterjährig den neuen CO2-Preis auch auf seine Kunden aus dem EU ETS-Bereich abzuwälzen. Hiermit werden erhebliche Liquiditätsbelastungen verbunden sein: Der Anrechnungsmechanismus des BEHG bei EU ETS-Anlagen greift für das Jahr 2021 frühestens nach Vorlage des Emissionsberichts für dieses Jahr in 2022.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Weeser spielt das Bundesumweltministerium diesen absehbaren Effekt in einer schon fast zynischen Weise herunter: Die Parlamentarische Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter sieht keine Gefahr einer unterjährigen Liquiditätsbelastung, da die betroffenen Unternehmen die ihnen für das jeweilige Berichtsjahr unterjährig bereits kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen liquiditätssteigernd verkaufen könnten: „Im Rahmen des EU-Emissionshandels erhalten die Unternehmen den geldwerten Vorteil aus der Zuteilung kostenloser Zertifikate bereits im Februar des jeweiligen Berichtsjahres und erhalten insoweit also einen marktfähigen Liquiditätsvorteil.“

Aus Sicht Luthers unterstreicht diese Haltung des Bundesumweltministeriums die verfassungsrechtlichen Bedenken zur Doppelbelastung von EU ETS-Anlagen durch das TEHG und das BEHG. Die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen nach TEHG dient nach der Rechtsprechung dem verhältnismäßigen Ausgleich der mit der Pflicht zur Einführung des europäischen Emissionshandels verbundenen Grundrechtseingriffe. Der Gesetzgeber des nationalen Emissionshandels hat durch § 7 Abs. 5 BEHG zu erkennen gegeben, dass auch die Belastungen der EU ETS-Anlagen durch das BEHG auszugleichen sind. Dieser Ausgleichsmechanismus wird aber in einer den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzenden Weise gestört, wenn die Betreiber von EU ETS-Anlagen zur Entlastung auf den Einsatz von Spekulationsgeschäften mit erheblichen Verlustrisiken verwiesen werden. Näheres hierzu gibt es auf der Luther-Veranstaltung zum BEHG am 30. Oktober 2020 in Düsseldorf.

Kein Borrowing im EU ETS – neue Zertifikate für 3. Handelsperiode nicht nutzbar

Für EU ETS-Anlagenbetreiber mit einer Unterdeckung kostenlos zugeteilter Emissionsberechtigungen birgt der nahende Übergang zur 4. Handelsperiode möglicherweise eine Überraschung: Wer bisher notwendige Zukäufe dadurch vermieden hat, daß er die für das laufende Jahr ausgegebenen Berechtigungen zur Erfüllung der Abgabepflichten aus dem letzten Jahr eingesetzt hat (sog. Borrowing), kommt mit dieser Strategie nicht weiter: Zum Handelsperiodenübergang ist das Borrowing untersagt. Gesetzlich angeordnet ist dies in § 7 Abs. 2 S. 2 TEHG, der auf Art. 13 der Richtlinie 2003/87/EG beruht. Danach sind Emissionszertifikate im EU ETS erst ab der Handelsperiode, für die sie ausgegeben wurden, gültig. Sie gelten hingegen nicht für die Emissionen vorheriger Handelsperioden. Scheidet die Nutzung des Borrowings zur Erfüllung der Abgabepflichten für das Jahr 2020 somit aus, werden sich betroffene Anlagenbetreiber bis zum 30. April 2021 um den Erwerb von Berechtigungen, die für die Handelsperiode 2013 bis 2020 ausgegeben wurden, kümmern müssen. Unter Umständen kann dieser Effekt preisbeeinflussend sein.

Warten auf neue Benchmarks – vielen Sektoren droht maximale Kürzung

Gespannt warten derzeit die Betreiber von EU ETS-Anlagen auf die Bekanntgabe der neuen Benchmarks für die kostenlose Zuteilung der Emissionsberechtigungen ab 2021 durch die Europäische Kommission. Nach bisherigen Informationen drohen dabei für viele Sektoren erhebliche Verschärfungen und ein Ausschöpfen der maximalen Kürzungsmöglichkeiten. Grundlage hierfür ist Art. 10a Abs. 2 der Richtlinie 2003/87/EG, der die Kommission zur Neufestlegung der Benchmarks im Wege eines Durchführungsrechtsaktes verpflichtet. Dies erfolgt anhand eines Vergleichs mit den Benchmarks, die für den Handelszeitraum 2013-2020 in dem Beschluss 2011/278/EU festgelegt wurden. Ausgehend von diesem Rahmen erfolgt in der ersten Hälfte der vierten Handelsperiode eine Kürzung der Benchmarks zwischen 3 % und 24 %. Die Revision der Benchmarks wird anhand realer Daten vorgenommen, die die Anlagenbetreiber mit ihren Anträgen auf kostenlose Zuteilung für die Jahre 2021 bis 2025 eingereicht haben.

Bisher in Brüssel zirkulierende Informationen lassen dabei wenig Gutes befürchten – zahlreiche Benchmarks sollen danach maximal gekürzt werden. Vielen Branchenverbände sind hierzu bereits in intensiven Diskussionen mit der Kommission; auch einige Rechtsgutachten zur Zulässigkeit einzelner Anpassungen wurden bereits erstellt. Die nachfolgende Tabelle enthält die Daten der vorläufigen Berechnungen der GD Climate:

1. Refinery products

-24%

2. Coke

-24%

3. Sintered ore

-10% to -17%

4. Hot metal

-3%

5. EAF carbon steel

-24%

6. EAF high allow steel

-24%

7. Iron casting

-24%

8. Pre-bake anode

-24%

9. [Primary] aluminium

-3%

10. Grey cement clinker

-10% to -17%

11. White cement clinker

-3%

12. Lime

-24%

13. Dolime

-24%

14. Sintered dolime

-3%

15. Float glass

-10% to -17%

16. Bottles and jars (colourless)

-17% to -24%

17. Bottles and jars (coloured)

-17% to -24%

18. Continuous filament glass

-24%

19. Facing bricks

-24%

20. Pavers

-24%

21. Roof tiles

-24%

22. Spray dried powder

-24%

23. Mineral wool

-17% to -24%

24. Plaster

-10% to -17%

25. Dried secondary gypsum

-24%

26. Plasterboard

-24%

27. Short kraft fibre pulp

-24%

28. Long kraft fibre pulp

-24%

29. Sulphite, thermo-mech. and mech. pulp

-24%

30. Recovered paper pulp

-24%

31. Newsprint

-24%

32. Uncoated fine paper

-24%

33. Coated fine paper

-24%

34. Tissue

-24%

35. Testliner and fluting

-24%

36. Uncoated carton board

-24%

37. Coated carton board

-24%

38. Carbon black

-24%

39.Nitric acid

-24%

40. Adipic acid

-24%

41. Ammonia

-24%

42. Steam cracking

-3%

43. Aromatics

-24% / -24%

44. Styrene

-24%

45. Phenol / acetone

-24%

46. Ethylenoxid / Ethlenglykol

-24%

47. Vinylchlorid-Monomer (VCM)

-24%

48. S-PVC

-17% to -24%

49. E-PVC

-24%

50. Hydrogen

-24% / -24%

51. Synthesis gas

-24% / -24%

52. Soda ash

-17% to -24%

Heat

-24%

Fuel

-24%

 

Autor/in
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Partner
Düsseldorf
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+49 211 5660 18737