09.03.2017

Vereinbarung über ausschließlichen Gerichtsstand begründet Aufrechnungsverbot

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Hintergrund

09.03.2017

Vereinbarung über ausschließlichen Gerichtsstand begründet Aufrechnungsverbot

Mit Urteil vom 13. Oktober 2016 – 23 U 1848/16 hat das OLG München darüber entschieden, ob eine Aufrechnung zulässig ist, wenn die Parteien vor einem Gericht über Ansprüche aus einer vertraglichen Abrede streiten, die eine Vereinbarung über einen – abweichenden – ausschließlichen Gerichtsstand enthält.

Gegenstand des Rechtsstreits

In dem zu Grunde liegenden Fall verfolgte eine österreichische Gesellschaft gegen den Beklagten mit Sitz in Deutschland ihren Kaufpreiszahlungsanspruch aus einem Warenlieferungsvertrag. Der Beklagte verteidigte sich gegen die Klage mit dem Argument, dass der klägerische Anspruch nicht mehr bestehe, weil er – der Beklagte – gegen diesen bereits im Vorfeld, spätestens aber während des Gerichtsverfahrens mit seinen bestehenden Forderungen aufgerechnet habe. Den Forderungen, mit denen aufgerechnet werden sollte, lag ein Vertrag zugrunde, der unter anderem bestimmte, dass der „Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag (…) ausschließlich“ am Sitz der Klägerin sein sollte. Die Vereinbarung war zu dem Zeitpunkt bereits Gegenstand eines in Österreich anhängigen Gerichtsverfahrens, das die Parteien des Rechtsstreits gegeneinander führten.

Die Klägerin hatte mit ihrer Klage im Ergebnis Erfolg.

Internationale Zuständigkeit des Gerichts aufgrund rügeloser Einlassung

Auf die kontrovers diskutierte Frage, ob das angerufene Gericht für eine Entscheidung über zur Aufrechnung gestellte Forderungen international zuständig sein muss, ging das OLG München nur kurz ein und begründete seine internationale Zuständigkeit im vorliegenden Fall damit, dass die Klägerin sich auf die Aufrechnungsthematik jedenfalls rügelos eingelassen habe (vgl. Art. 26 EuGVVO).

Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung führt zum Aufrechnungsverbot

Der Senat legte die Gerichtsstandsvereinbarung aus und sah in ihr ein zugleich enthaltenes Aufrechnungsverbot. Denn es sei „wenig sachgerecht […], entsprechend der insoweit eindeutigen Gerichtsstandsklausel Widerklagen auszuschließen, aber Prozessaufrechnungen, die dieselben Ansprüche betreffen, zuzulassen“. Dies ist vor dem Hintergrund, dass auch das hier in Betracht kommende – den Interessen der Parteien grundsätzlich durchaus entsprechende – Argument der Prozessökonomie kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigt, zu begrüßen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung war bereits ein anderweitiges Gerichtsverfahren in Österreich anhängig.

Überwindung des Aufrechnungsverbots durch rügelose Einlassung

Im Rahmen der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung nimmt das OLG München zudem zu der Frage Stellung, ob die rügelose Einlassung der Klägerin auf die Aufrechnungsforderung zu einem anderen Auslegungsresultat führen könnte. Dass sich das Gericht dagegen entscheidet, überzeugt nicht vollends. Denn der Senat übersieht, dass eine rügelose Einlassung im Sinne des Art. 26 EuGVVO auch dann Vorrang genießt, wenn die Parteien des Rechtsstreits eine abweichende Abrede über den ausschließlichen Gerichtsstand gem. Art. 25 EuGVVO getroffen haben. Dies führt zu der Konsequenz, dass auch ein in der vorgenannten Abrede enthaltenes Aufrechnungsverbot durch rügelose Einlassung des Klägers auf zur Aufrechnung gestellte Ansprüche überwunden werden kann.

Aufrechnungsverbot erstreckt sich auch auf vorprozessual erklärte Aufrechnungen

Schließlich stellt das Gericht fest, dass auch eine vorprozessual erklärte Aufrechnung insoweit vom Aufrechnungsverbot umfasst sei, als diese als Einwand in den Prozess eingebracht werde. Insofern stellt der Senat auf den von der Gerichtsstandsabrede bezweckten Schutz der Klägerin ab. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Die materiell-rechtliche Aufrechnung führt auf prozessrechtlicher Ebene im Ergebnis zum gleichen Erfolg. Denn der mit ihr verbundene Einwand, der im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht wird, stellt gleichermaßen wie eine Prozessaufrechnung eine Prozesshandlung dar.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG München zeigt auf, dass die Parteien gut beraten und auf der sicheren Seite sind, wenn sie bei Vertragsschluss eine eindeutige Regelung hinsichtlich der Aufrechnungsbefugnis treffen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn sie sich über einen ausschließlichen Gerichtsstand einigen. Denn sobald sie vor einem anderen Gericht um ihre Ansprüche streiten, müssen sie stets damit rechnen, dass dieses ihre Gerichtsstandsabrede im Sinne eines Aufrechnungsverbots versteht.

 

Dr. Anastasia Schreiber, LL.M.
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