19.12.2024

Verfahrensunterbrechung nach Insolvenz – „Was nun?“

Hintergrund

In Zeiten steigender Insolvenzen stellt sich bei laufenden Gerichtsverfahren für die klägerische Partei vermehrt die Frage: „Was geschieht mit meinem Prozess im Falle der Insolvenz der gegnerischen Partei?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich dieser Beitrag. Die Bedeutung der richtigen Vorgehensweise zur Aufnahme eines durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits hat der Bundesgerichtshof zuletzt noch in seinem Urteil vom 23. Juli 2024 - II ZR 222/22 bestätigt. Gegenstand des Urteils war insbesondere die Bedeutung einer wirksamen Forderungsanmeldung als entscheidende Voraussetzung für die Fortsetzung eines Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung.

Auswirkungen des § 240 ZPO im laufenden Zivilprozess

Nach § 240 ZPO wird das laufende zivilrechtliche Verfahren – soweit es die Insolvenzmasse betrifft – unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.

Der Anwendungsbereich der Norm erfasst „den klassischen Zivilprozess“, nicht jedoch Zwangsvollstreckungsverfahren, Prozesskostenhilfeverfahren, das selbständige Beweisverfahren oder Gerichtsstandbestimmungsverfahren.

Der Zweck von § 240 ZPO ist es, dem Umstand des gesetzlichen Wechsels der Prozessführungsbefugnis Rechnung zu tragen. Die Prozessführungsbefugnis gibt Auskunft darüber, wer die richtige Partei ist, ob also der Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist und ob der Anspruch diesem Beklagten gegenüber geltend gemacht werden darf. Im Rahmen des Insolvenzrechts tritt ein gesetzlicher Parteiwechsel nach § 80 Abs. 1  InsO ein. Nach dieser Vorschrift verliert mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einschließlich der Prozessführungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) an den Insolvenzverwalter. Dabei ist die Insolvenzmasse in diesem Sinne betroffen, wenn der Streitgegenstand ganz oder teilweise dem Schuldner zur Zeit der Verfahrenseröffnung gehört, also eine wirtschaftliche Beziehung vorliegt. Die Ermittlung der richtigen Partei ist im Insolvenzrecht maßgeblich, da Voraussetzung einer Unterbrechung nach § 240 ZPO der Umstand ist, dass die „Partei“ nach § 27 InsO in Insolvenz fällt (BGH NJW 1998, 157).

Die Verfahrensunterbrechung hat außerdem den Sinn, das Insolvenzverfahren prozessual zu sichern. Es soll nicht durch laufende Prozesse gestört werden. Die Unterbrechung tritt dabei kraft Gesetzes ein, d.h. unabhängig davon, ob die Parteien und das Gericht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis haben. Diese „Funktion“ der Unterbrechung ist für den Insolvenzverwalter günstig, führt bei den Insolvenzgläubigern jedoch zu Unsicherheiten. Dies vor allem, wenn für den Insolvenzgläubiger die Insolvenz des Prozessgegners nicht absehbar gewesen ist und er das weitere Vorgehen nicht kennt.

Handlungsoptionen

Im Grundsatz hat die klagende Partei nach § 250 ZPO die Aufnahme des Rechtsstreits formwirksam durch einen bei Gericht einzureichenden Schriftsatz zu erklären. Vorab ist jedoch eine wirksame Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle eine unumgängliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Aufnahme des Rechtsstreits (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19). Die Fortsetzung eines Aktivprozesses zur Weiterverfolgung einer Insolvenzforderung kann erst  dann erfolgen, wenn die bereits gerichtlich geltend gemachte Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet worden ist, vom Insolvenzverwalter endgültig bestritten wurde oder der Schuldner ihr widersprochen hat (§§ 179 Abs. 1, 184 Abs. 1 Satz 2, 180 Abs. 2 InsO; BGH, Urteil vom 23.Juli 2024 - II ZR 222/22).

Für eine wirksame Forderungsanmeldung sind die Anforderungen von § 174 InsO zu beachten. Demnach muss der Insolvenzgläubiger seine Forderung beim Insolvenzverwalter anmelden und Belege beifügen, aus denen sich die Forderung ergibt. Außerdem ist die Angabe des Grundes und der Betrag der Forderung anzugeben, sowie ggf. Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung zugrunde liegt.

Nach der Forderungsanmeldung wird die Forderung im Insolvenzverfahren geprüft und der Insolvenzverwalter entscheidet darüber, ob sie bestritten wird. In diesem Fall erhält der Gläubiger eine Bestätigung des Insolvenzgerichts über das Bestreiten der Forderung. Zu diesem Zeitpunkt wäre dann zu überlegen, den Aktivprozess durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Gericht wieder aufzunehmen und den Antrag auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle zu ändern. Schließlich kann infolge der Insolvenz der gegnerischen Partei nicht mehr auf Leistung sondern nur auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle geklagt werden. Hat dagegen der Insolvenzverwalter die Forderung anerkannt, ist für weitere Prozessführung kein Raum. Es fehlt das Feststellungsinteresse. Schließlich gilt die Forderung mit ihrer Anerkennung durch den Insolvenzverwalter als rechtskräftig festgestellt und wird damit im Rahmen der Schlussverteilung berücksichtigt.

Fazit

Eine wirksame Forderungsanmeldung ist eine zwingende Voraussetzung für die Überwindung einer Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO. Daher ist der Insolvenzgläubiger gut beraten, seine Forderung wirksam zur Insolvenztabelle im Sinne des § 174 InsO anzumelden, damit das laufende Verfahren im Zweifelsfall wieder aufgenommen werden kann. Zu beachten ist aber auch, dass infolge der Insolvenz der gegnerischen Partei der eigene Leistungsantrag im Prozess auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle umgestellt werden muss und dass sich dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten oft nur bei sehr hohen streitgegenständlichen Forderungen tatsächlich lohnen dürfte.

Autor/in
Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong)

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Ebru Helou

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