18.11.2021
Die anstehenden Betriebsratswahlen stellen Arbeitgeber erneut vor die Aufgabe der Bestimmung der Vergütung der einzelnen Betriebsratsmitglieder. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen und die Risiken für Arbeitgeber in diesem Zusammenhang geben.
Mit der Übernahme des Amtes als Betriebsratsmitglied geht die Wahrnehmung von Aufgaben für den Betriebsrat einher. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in dem Umfang von der Arbeitspflicht zu befreien, wie eine Tätigkeit für den Betriebsrat als „erforderlich“ nachgewiesen wird. Als Sonderregelung hierzu gilt in Unternehmen ab in der Regel 200 Mitarbeitern die unwiderlegliche Vermutung, dass – je nach Unternehmensgröße – Betriebsratstätigkeiten im Umfang einer oder mehrerer Vollzeitstellen anfallen. Der Arbeitgeber hat entsprechend der in § 38 Abs. 1 BetrVG benannten Anzahl je nach Unternehmensgröße Mitglieder des Betriebsrats vollständig von der Arbeitspflicht zu befreien. Welche Mitglieder dies betrifft, wird durch geheime Wahl des Betriebsrats bestimmt (§ 38 Abs. 2 BetrVG).
Die Ausübung des Amtes als Betriebsratsmitglied erfolgt unentgeltlich (§ 37 Abs. 1 BetrVG), jedoch behält der Mitarbeiter für Zeiten, in denen er aufgrund der Betriebsratstätigkeit seiner üblichen beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, seinen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Diese Regelung findet auch bei vollständiger Befreiung von der Arbeitspflicht nach § 38 BetrVG Anwendung. Das Gesetz sieht somit vor, dass der Arbeitgeber gegenüber Betriebsratsmitgliedern, die zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit teilweise oder vollständig von der primär geschuldeten beruflichen Tätigkeit freigestellt sind, in vollem Umfang vergütungspflichtig bleibt.
Fraglich ist jedoch häufig, in welcher Höhe die Vergütung zu gewähren ist. Aus § 37 Abs. 4 Satz 1 iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich ein Anspruch auf eine Vergütung, die nicht geringer bemessen sein darf, als diejenige vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Das Betriebsratsmitglied ist so zu stellen, als habe es die Betriebsratstätigkeit nicht ausgeübt, sondern seine berufliche Tätigkeit fortgesetzt. Der Arbeitgeber ist insoweit verpflichtet, das Arbeitsentgelt von sich aus zu überprüfen und anzupassen, ohne dass es einer aktiven Geltendmachung des Betriebsratsmitglieds bedarf.
Für den Arbeitgeber ergibt sich aus diesem Anspruch jedoch die bisweilen äußerst schwierige Aufgabe der Ermittlung der diesen Anforderungen gerecht werdenden Vergütung des einzelnen Betriebsratsmitglieds, ohne hierbei das Betriebsratsmitglied entgegen § 78 Satz 2 BetrVG zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Verstöße hiergegen sind immer wieder auch Gegenstand bundesarbeitsgerichtlicher Entscheidungen.
Aus § 37 Abs. 4 Satz 1 iVm § 78 Satz 1 BetrVG ergibt sich ein Anspruch auf eine Vergütung, wie sie vergleichbare Mitarbeiter erhalten. Hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Vergütung einer Mitarbeitergruppe. Vielmehr ist bei der Bestimmung der konkreten Vergütung des Betriebsratsmitglieds im Wege einer Verobjektivierung des Vergütungsanspruchs mindestens ein vergleichbarer Mitarbeiter zu ermitteln. Als vergleichbare Mitarbeiter gelten Arbeitnehmer desselben Betriebs, die eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit ausüben. Bei der Vergleichbarkeit sind neben der Tätigkeit auch die fachlichen Qualifikationen, wie z. B. Berufsausbildung, Fortbildungen und der bisherige Werdegang, sowie die persönlichen Qualifikationen, wie z. B. Bildungsstand, Qualität der Arbeitsergebnisse und vorhandenes Entwicklungspotential, einzubeziehen. Bereits an dieser Stelle können sich Streitigkeiten über den Betriebsbegriff und daher über die in die Vergleichbarkeitsprüfung einzubeziehenden Mitarbeiter ergeben. Umstritten ist zudem, wie damit umzugehen ist, wenn sich kein Mitarbeiter findet, der auf Grundlage der benannten Kriterien mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar ist. Ob in diesem Fall der am ehesten vergleichbare Mitarbeiter herangezogen werden soll oder mangels Vergleichbarkeit nach § 37 Abs. 4 BetrVG eine Bestimmung der Vergütung vor dem Hintergrund des § 78 Satz 2 BetrVG allein auf Grundlage einer hypothetischen Beurteilung erfolgen darf, ist nicht abschließend geklärt.
Zu beachten gilt es jedoch, dass eine besondere Entwicklung der Vergütung der vergleichbaren Mitarbeiter aufgrund besonderer Leistungen, die von dem Betriebsratsmitglied mangels Zugangsvoraussetzungen nicht hätten erreicht werden können, ebenso außer Betracht bleiben müssen, wie besondere Leistungen des Betriebsratsmitglieds, die dieses allein im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit leistet.
Umgekehrt sind bei dieser Vergütungsentwicklung jedoch auch Leistungsausfälle des Betriebsratsmitglieds, etwa wegen einer längeren Arbeitsunfähigkeit, zu berücksichtigen. In einer solchen Phase hätte bei regulärer Ausübung der beruflichen Tätigkeit keine Weiterentwicklung stattgefunden.
Zeitpunkt für diese Bestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter ist die erstmalige Übernahme des Betriebsratsamtes, sodass auch im Fall einer Verlängerung des Betriebsratsamtes die vergleichbare Vergütung zu diesem Zeitpunkt zugrunde zu legen ist.
Aus § 37 Abs. 4 iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich zwar kein direkter Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Beförderung. Jedoch kann sich aus § 37 Abs.4 iVm § 78 BetrVG ein Anspruch auf entsprechende Vergütungsentwicklung ergeben, wenn die Beförderung betriebsüblich ist und damit auch vergleichbare Mitarbeiter diese erreichen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bestimmte Beförderungen allein durch Betriebszugehörigkeit erreicht werden. Ein die übliche Vergütung übersteigender Vergütungsanspruch kann sich daneben aus § 611a BGB iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergeben, wenn dem Betriebsratsmitglied aufgrund besonderer Qualifikationen ohne die Betriebsratstätigkeit eine höhere Tätigkeit zugewiesen worden wäre, die eine entsprechende Gehaltsentwicklung begründet. In diesem Fall müssen jedoch Voraussetzungen gegeben sein, nach denen sich das Betriebsratsmitglied gegenüber dem tatsächlich beförderten Mitarbeiter aufgrund objektiver Kriterien durchgesetzt hätte.
In solchen Fällen kann auch die Neubestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter erforderlich werden.
Für den Fall, dass der Mitarbeiter während des laufenden Mandats als Betriebsratsmitglied, insbesondere aufgrund des Wegfalls seines bisherigen Arbeitsplatzes nach Übernahme des Amtes, auf einem neuen Arbeitsplatz eingesetzt wird, richtet sich seine Vergütung nach diesem neuen Arbeitsplatz. Insbesondere bei vollständig von der Arbeitspflicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern hat der Arbeitgeber bei der Ermittlung der Vergütungsentwicklung zu prüfen, auf welchem Arbeitsplatz der Mitarbeiter bei hypothetischer Betrachtung eingesetzt werden würde. Auch in diesem Fall kann eine Neubestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter erforderlich werden.
Die Bestimmung des Vergütungsanspruchs von Betriebsratsmitgliedern gestaltet sich in der Praxis häufig als äußerst schwierig und birgt Potenzial für Streitigkeiten. Um insbesondere bei langjähriger Betriebsratstätigkeit und/oder einer vollständigen Freistellung von der Arbeitspflicht eine Bestimmung und Überprüfung des Vergütungsanspruchs zu ermöglichen, kann zunächst das jährliche Mitarbeitergespräch genutzt werden. Dabei können dem Betriebsratsmitglied die mit ihm vergleichbaren Mitarbeiter mitgeteilt und mögliche Änderungen erörtert werden.
Des Weiteren kann es zum einen hilfreich sein, bereits im Zeitpunkt der Amtsübernahme Feststellungen zu den vergleichbaren Mitarbeitern zu treffen und diese in einer Mitarbeiterliste festzuhalten. Diese Liste kann in den Jahren der Betriebsratstätigkeit im Rahmen der Mitarbeitergespräche mit dem Betriebsratsmitglied angepasst werden, indem etwa neu eingetretene Mitarbeiter hinzugefügt und ausscheidende Mitarbeiter sowie solche mit außergewöhnlicher Entwicklung ausgenommen werden. Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass eine Regelung der Vergütungsgrundlagen, die über das einzelne Betriebsratsmitglied hinausgehen, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen können.
Zum anderen kann der Arbeitgeber auch die konkreten Parameter der Tätigkeit, die Qualifikationen des Mitarbeiters in fachlicher und persönlicher Hinsicht sowie etwaige übliche Entwicklungsmöglichkeiten festhalten. Diese Feststellungen können ebenfalls im jährlichen Mitarbeitergespräch erneuert und um etwaige fachliche Entwicklungen des Betriebsratsmitglieds ergänzt werden. Mit diesen Feststellungen zu Beginn der Amtszeit kann der Situation vorgebeugt werden, dass im Verlauf der Amtszeit die vergleichbaren Mitarbeiter ausscheiden und keine neuen vergleichbaren Mitarbeiter festgestellt wurden.
Schließlich ist Arbeitgebern zu raten, sicherzustellen, dass die Gehälter der Betriebsratsmitglieder einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Dabei kann sich diese Überprüfung zeitlich an den betriebsüblichen Gehaltsgesprächen und damit möglichen Veränderungen der Vergütungsstruktur der vergleichbaren Mitarbeiter orientieren. Zu beachten sind daneben jedoch Entwicklungen außerhalb des üblichen Rhythmus, wie etwa die Neu-/Besetzung einer höheren Position oder der Wegfall von Arbeitsplätzen.
Cyrielle Therese Ax
Senior Associate
Frankfurt a.M.
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