26.08.2019
Unterschriften bei Papierdokumenten gewährleisten eine Integritäts- und Authentizitätsfunktion. Um diese auch im elektronischen Rechtsverkehr sicherzustellen, stellen § 130a ZPO sowie insoweit gleichlautende Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten, so z.B. § 46c ArbGG, Anforderungen auf, die zur Einreichung elektronischer Dokumente bei Gericht eingehalten werden müssen.
§ 130a Abs. 3 ZPO sieht als elektronischen Ersatz für das Schriftformerfordernis zwei Varianten vor: Entweder muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder aber von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Als sicherer Übermittlungsweg genügt dabei – für Rechtsanwälte besonders relevant – gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO das besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA). Kurz gesagt: Qualifizierte Anforderungen sind entweder an die Signatur oder an den Übermittlungsweg zu erfüllen.
Aufgrund der Tatsache, dass das beA gemäß § 31a BRAO von der BRAK für eingetragene Mitglieder eingerichtet wird und damit grundsätzlich personalisiert und eindeutig zugeordnet ist, stellt dies die von § 130a Abs. 3, 4 ZPO intendierte Authentifizierungsfunktion sicher. Neben der persönlichen Nutzung durch den Rechtsanwalt selbst sieht § 31a Abs. 3 S. 2 BRAO zur Erleichterung der Kanzleiorganisation weiterhin vor, dass auch weitere Personen – in einem festlegbaren Umfang – Zugriff auf das beA des jeweiligen Anwalts haben.
In diesem Kontext ergeben sich insbesondere Probleme in den Fällen, in denen ein Vertreter formbedürftige Dokumente an ein Gericht übermitteln möchte, wenn also beispielsweise ein Anwalt in Vertretung den Schriftsatz eines „nach Diktat verreisten“ Kollegen über sein eigenes beA oder über das beA des Postfachinhabers übermitteln möchte. Äußerst praxisrelevant ist daher die Frage nach den Anforderungen an Signatur und/oder die Übermittlung in Vertretungsfällen, wenn die auf dem herkömmlichen Wege erforderliche eigenhändige Unterschrift wirksam ersetzt werden soll.
Diese Anforderungen wurden durch das ArbG Lübeck mit einer Verfügung vom 19. Juni 2019 (Az.: 6 Ca 679/19) nun für den Fall konkretisiert, in dem ein Vertreter einen von seinem im Urlaub befindlichen Kollegen ausgefertigten Schriftsatz unter Hinweis auf die Vertretung mit einfacher Signatur unterzeichnete und anschließend über das beA des vertretenen Kollegen – dessen Zugangsdaten inklusive PIN er auch von diesem erhalten hatte – an das Gericht übersandte.
Das ArbG Lübeck sah die Anforderungen des § 46c Abs. 3 ArbGG, welcher § 130a Abs. 3 ZPO entspricht, nicht gewahrt. Für die erste Alternative der Norm fehle es an einer qualifizierten Unterschrift; für die zweite Alternative an der Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs. Zwar wurde ein beA genutzt, jedoch setze § 46c Abs. 3 ArbGG laut dem ArbG Lübeck voraus, dass die verantwortende, unterzeichnende Person und der Inhaber des beA, das für die Übermittlung genutzt wurde, personenidentisch sein müssen. Durch die Nutzung des fremden beA des Vertretenen durch den Vertreter werde diese Voraussetzung nicht erfüllt. Diese Ansicht wird vom Wortlaut gedeckt und entspricht auch den bisher in der Literatur zu diesem Thema geäußerten Stimmen, wonach die Formerleichterungen des § 130a Abs. 3 Alt. 2 ZPO (bzw. § 46c Abs. 3 Alt. 2 ArbGG) nur gelten sollen, wenn Aussteller und Postfachinhaber identisch sind.
Dabei verweist das ArbG Lübeck auch darauf, dass bereits die Weitergabe der PIN durch den Vertretenen einen eindeutigen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 RAVPV (Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer) darstelle, der ebenfalls die Intention des Gesetzgebers ausdrücke, im Fall der elektronischen Datenübermittlung Integrität und Authentizität des Dokuments gewährleisten zu wollen. Bei vorheriger unerlaubter Weitergabe der PIN sei daher keine wirksame Übermittlung über das dazugehörige beA mehr möglich, bis zu dem Zeitpunkt, in dem die PIN wieder geändert werde.
Folgt man mit dieser Rechtsprechung der engen Auslegung des § 130a Abs. 3 Alt 2 ZPO, die eine Personenidentität zwischen verantwortender Person und beA Inhaber verlangt, bedeutet dies, dass sich am Ende des Schriftsatzes die (einfache) Signatur des auch über sein beA übermittelnden Rechtsanwalts befinden muss. Daneben ist aber auch möglich, die zur Verfügung stehenden Varianten zu kombinieren, indem der Schriftsatz über beA eingereicht wird und zusätzlich qualifiziert signiert wird, sodass kein Raum für eine Unwirksamkeit nach § 130a Abs. 3 ZPO verbliebe.
Die vom ArbG Lübeck aufgestellten Vorgaben werden zu beachten sein, auch wenn mit diesem engen Verständnis der Norm das eigentliche Ziel des Gesetzgebers – Erleichterung und Beschleunigung des elektronischen Rechtsverkehrs – eher ferner als näher rückt und für die mit § 130a Abs. 3 ZPO vorgesehene Alternative zur umständlichen qualifizierten Signatur in Fällen des Drittversands praktisch wenig Anwendungsbereich verbleibt. Jedoch gewährleistet die enge Auslegung die Aufrechterhaltung der hohen Ansprüche an Integrität und Authentizität von Schriftstücken.
Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
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Maurice Straub
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