15.02.2024
Schaummittel enthalten häufig Fluortenside oder PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). PFAS sind eine Gruppe von chemischen Stoffen, zu deren bekanntesten Vertretern PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroctansäure) gehören. Diese Stoffe werden sukzessive auf dem Gebiet der europäischen Union verboten.
Warum ist das so? Der Grund für das Verbot liegt an den gravierenden Umweltschäden, die von PFAS ausgehen. Denn PFAS sind weder wasserlöslich, noch sind sie biologisch abbaubar. In der Folge reichern sich die toxischen Stoffe in der Umwelt, aber auch im menschlichen Organismus an und werden dort u.a. verdächtigt krebserregend zu wirken.
Der Einsatz von PFAS-haltigen Feuerlöschmitteln kann nicht nur eine erhebliche Gefahr für den Menschen und seine Umwelt darstellen, sondern auch massive wirtschaftliche Schäden sowie Haftungsfragen für die Verwender nach sich ziehen.
Eindrückliches Beispiel ist der Flughafen Düsseldorf. Dieser gilt nach mehreren Großbränden als „PFAS-Hotspot“. Boden und Grundwasser wurden durch den Einsatz von PFAS-haltigem Löschschaum großräumig kontaminiert. Auch in Baden-Württemberg führte der Einsatz von PFOS-haltigem Löschschaum zu einem derart massiven Grundwasserschaden, dass ein ganzes Wasserwerk stillgelegt werden musste.
Eine flächendeckende Dekontaminierung würde in derart gelagerten Fällen immense Kosten verursachen. Wer Löschschaummittel, die unter ein Verwendungsverbot fallen, gleichwohl weiterhin einsetzt, muss befürchten, für entsprechende Boden- und Grundwasserschäden haftbar gemacht zu werden.
Mit der Verordnung EU 2020/784, welche unter dem Kurztitel EU-POP-Verordnung bekannt ist und die bisherige Verordnung (EG) 850/2004 ablöste, wurden nunmehr die Regelungen zu PFOA, ihrer Salze und von PFOA-Vorläuferverbindungen vom Anhang XVII der REACH- Verordnung in den Anhang I, Teil A der EU-POP-Verordnung verschoben und angepasst.
PFOA bildet das Endprodukt des Abbaus aller sog. C8-Stoffe und gilt somit als Leitsubstanz aller C8-Fluortenside, die in Löschmitteln verwendet wurden.
Mit den Verordnungen EU 2020/784 und EU 2017/1000 wurden die Regelungen zu PFOA und mit PFOA „verwandten“ Stoffen angepasst.
Bereits durch die Verordnung EU 2017/1000 wurde sichergestellt, dass PFOA nach dem 4. Juli 2020 als Stoff selbst weder hergestellt noch in Verkehr gebracht werden darf. Dies gilt jedoch nicht für Erzeugnisse, Gemische oder Bestandteile eines anderen Stoffes bei einer Konzentration von PFOA und ihrer Salze, die gleich oder höher 25 ppb (=µg/kg) ist, oder einer Konzentration gleich oder höher 1 000 ppb für eine PFOA-Vorläuferverbindung oder eine Kombination von PFOA- Vorläuferverbindungen. Verunreinigungen in Erzeugnissen, Gemischen und anderen Stoffen, die unterhalb dieses Grenzwertes liegen, gelten als unbeabsichtigte Spurenverunreinigungen und sind ebenfalls nicht erfasst. Es ist derzeit jedoch beabsichtigt, die Grenzwerte in der Zukunft weiter zu senken.
Feuerlöschschaum, welcher die genannte Konzentration an PFOA übersteigt, darf ab dem 1. Januar 2023 nicht mehr verwendet werden. Eine Verwendung über den 1. Januar 2023 hinaus ist nur „für Feuerlöschschaum zur Bekämpfung von Dämpfen aus Flüssigbrennstoffen und Bränden von Flüssigbrennstoffen (Brand-Klasse B), der bereits in – mobile wie auch ortsfeste – Systeme eingefüllt ist“ möglich, wenn am Ort der Verwendung eine vollständige Rückhaltung gewährleistet ist. Spätestens zum 4. Juli 2025 ist Löschschaummittel, das die PFOA Grenzwerte übersteigt, jedoch auch in diesen Fällen ausnahmslos auszutauschen.
Für Schaummittel, das zur Bekämpfung von Bränden der Klasse A (Brände von Feststoffen) eingesetzt werden soll und welches den PFOA-Grenzwert überschreitet, gelten die Übergangsregelungen nicht. Diese dürfen bereits jetzt generell nicht mehr eingesetzt werden. Es greift das seit dem 1. Januar 2023 geltende Verwendungsverbot. Das hat zur Folge, dass entsprechende Löschschaummittel ausnahmslos auszutauschen sind.
Auch zu Ausbildungszwecken darf PFOA-haltiges Löschmittel nicht mehr eingesetzt werden. Zu Testzwecken nur, wenn alle Freisetzungen aufgefangen werden und auch nur höchstens bis zum 4. Juli 2025.
Eine Lagerung des Löschschaummittels beim Endverbraucher ist ebenfalls nur bis zum 4. Juli 2025 gestattet.
Löschschaum mit PFOA wird in ortsfesten Löschanlagen wie Sprinkleranlagen, Sprühwasserlöschanlagen und Schaumlöschanlagen, aber auch in gewöhnlichen Feuerlöschern eingesetzt. Ob das Löschmittel die Grenzwertetatsächlich übersteigt, kann im Zweifel nur durch eine Laboranalyse festgellt werden.[1] Entsprechende Anlagen müssen daher, soweit dies noch nicht geschehen ist, umgehend überprüft und nötigenfalls umgerüstet bzw. ausgetauscht werden.
[1] Besonders betroffen sind fluorhaltige Schaummittel (AFFF/FP/ FFFP), die vor dem Jahr 2015 eingefüllt wurden. Neuere fluorhaltige Schaummittel, die als hochreine „C-6 Schaummittel“ („high purity C6 foams“) bezeichnet werden, sind weniger betroffen.
Für Lagerbestände[2] über 50 kg, die PFOA-haltiges Löschschaummittel enthalten, das aufgrund seiner beabsichtigten Verwendung noch bis zum 4. Juli 2025 verwendet werden darf, besteht eine jährliche Mitteilungspflicht über Größe und Beschaffenheit der Lagerbestände an die zuständigen Behörde.
[2] Als Lagerbestand gilt jeder Vorrat an Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen, der von dem Besitzer zusammengetragen wurde und der aus in Anhang I oder II der Verordnung (EU) 2019/1021 aufgelisteten Stoffen besteht oder solche Stoffe enthält.
Bisher unbeantwortet ist allerdings die Frage, ob nach dem Einsatz das Nachfüllen mit Schaumlöschmittel, das die Grenzwerte übersteigt, aber für die Bekämpfung von Bränden der Klasse B eingesetzt werden soll und eine vollständige Rückführung gewährleistet ist, aus Lagerbeständen bis zum 4. Juli 2025 zulässig ist.
Insofern bietet die Formulierung „bereits in mobile wie auch ortsfeste Systeme eingefüllt ist“ Angriffsfläche. Ausgehend vom Wortlaut der Verordnung sind Lagerbestände, die nicht bereits in die Löschmittelanlage eingefüllt sind, nicht unter die Ausnahmeregelung gefasst. Ferner spricht die Ausnahmeregelung von „Systemen“. Aus dem Sinn und Zweck der Verordnung ergibt sich, dass damit Löschwasseranlagen und nicht Lagerbestände gemeint sind. Aus dem Umstand, dass – wie oben dargestellt – Regelungen für den Umgang mit Lagerbeständen geschaffen wurden, geschlossen werden, dass ein Einfüllen aus Lagerbeständen bis zum 4. Juli 2025 zulässig sein soll.
Andernfalls hätte der Normgeber eine Verpflichtung zum Entsorgen der Lagerbestände einführen können. Eine abschließende Klärung dieser Frage ist jedoch bisher nicht erfolgt.
Auch vor dem Hintergrund möglicher Sanktionen ist daher zu empfehlen, PFOA-haltiges Schaummittel nicht mehr nachzufüllen, sondern Vorratsbehälter vollständig zu entleeren und gemeinsam mit schaummittelführenden Anlagenteilen zu reinigen. Jedenfalls zum 04. Juli 2025 sind diese ohnehin neu zu befüllen.
Alle Anlagen und Gerätschaften, welche zur Brandbekämpfung eingesetzt werden sollen, sind dahingehend zu überprüfen, ob sie PFOA enthalten. Ist dies der Fall, ist zu überprüfen, ob die Grenzwerte eingehalten werden. Lediglich Schaummittel, welches zur Bekämpfung von Bränden der Klasse B eingesetzt werden soll und vollständig aufgefangen werden kann, darf noch bis zum 4. Juli 2025 verwendet und gelagert werden. Dieses ist nach dem Verwenden oder spätestens mit Ablauf des Datums vollständig auszutauschen.
Verstöße gegen die nunmehr abgelöste Verordnung EG 850/2004 waren als Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verfolgbar. Nach Verabschiedung der neuen Verordnung EU 2019/1021 erfolgte seitens des deutschen Normgebers allerdings keine Anpassung der entsprechenden Verweise in der ChemSanktionsV. Mangels gesetzlicher Grundlage ist daher eine Sanktionierung von Verstößen gegen die neue Verordnung nicht zulässig. Ungeachtet dessen kann sich eine strafrechtliche Sanktionierung aber insbesondere aus den Umweltdelikten der §§ 324 ff. Strafgesetzbuch (StGB) ergeben. Diese könnte sich beispielsweise dann der Fall sein, wenn Schaumlöschmittel, welches keine Verwendung mehr finden darf, eingesetzt wird und in das Grundwasser läuft oder in den Boden sickert. Ferner kann es zu öffentlichen-rechtlichen Anordnungen zur Verhütung drohender Gefahren kommen. Eine solche Anordnung könnte auch das Auswechseln des Schaumlöschmittels jedenfalls nach dem 4. Juli 2025 umfassen.
Tatjana Giutronich, LL.M. (UNSW)
Senior Associate
Hannover
tatjana.giutronich@luther-lawfirm.com
+49 511 5458 11177