06.05.2020

Wiederaufnahme des Regelbetriebs – Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers

Hintergrund

In vielen Unternehmen und Branchen wird nach Wochen des Stillstandes die Arbeit schrittweise wieder hochgefahren. Oberste Priorität hierbei ist es, die Arbeitnehmer weiterhin adäquat zu schützen, um einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen zu vermeiden. Hierzu haben Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner zu treffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 16. April 2020 den Arbeitsschutzstandard COVID 19 veröffentlicht, der konkrete Anforderungen an die zu treffenden Arbeitsschutzmaßnahmen formuliert, die durch den Arbeitgeber umzusetzen sind. Was gilt es hierbei für Arbeitgeber zu beachten?

Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers

Dem Arbeitgeber treffen gegenüber seinem Arbeitnehmer zahlreiche Nebenpflichten – hierunter auch Schutzpflichten - aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Er ist insbesondere dazu verpflichtet, angemessene Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit zu treffen.

Das Arbeitsschutzgesetz ist die zentrale öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift für den Arbeitsschutz, in dem die grundlegenden (technischen) Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers geregelt werden.

Unter den Schutzpflichten sind die Maßnahmen zu fassen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit sichern und verbessern sollen. Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen hat der Arbeitgeber für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen. Ferner hat der Arbeitgeber zu ermitteln, welche Gefährdungen mit der Arbeit der Beschäftigten verbunden und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (sog. Gefährdungsbeurteilung). Die Gefährdungsbeurteilung umfasst im Wesentlichen die Ermittlung der Gefährdungen auf bestimmten Arbeitsplätzen, die Bewertung der Risiken, die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen für die Beseitigung der Gefahrenquelle sowie die Bestimmung der Art der Kontrollen. Die Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes werden durch Rechtsverordnungen näher konkretisiert.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Arbeitsschutz

Für Arbeitgeber zu beachten ist, dass der Betriebsrat in Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 7 BetrVG hat. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen, die der Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlichen Rahmenvorschrift (z. B. Vorschriften des ArbSchG) zu treffen hat. Dies gilt grundsätzlich auch für Arbeitsschutzmaßnahmen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Covid 19 trifft. Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist demnach, dass eine gesetzliche Handlungspflicht existiert, zwingende Vorgaben jedoch fehlen, so dass eine betriebliche Regelung erforderlich ist (BAG 30.9.2014, 1 ABR 106/12). In diesem Zusammenhang hat der Betriebsrat auch ein Initiativrecht und kann eigene Vorschläge einbringen. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen einigen, muss die Einigungsstelle angerufen werden. Wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, sind die Arbeitnehmer – abgesehen von Notsituationen – grundsätzlich nicht verpflichtet, der betrieblichen Anordnung nachzukommen. Bei der vom Arbeitgeber zwingend durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung ist der Betriebsrat ebenfalls zu beteiligen. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats haben Arbeitgeber daher bei der zeitlichen Planung des Hochfahren des Betriebs im Auge zu behalten.

Umsetzung des Arbeitsschutzstandards COVID 19

Bei dem Arbeitsschutzstandard COVID 19 des BMAS handelt es sich nicht um ein die Vorschriften des ArbSchG konkretisierendes Gesetz oder eine Verordnung. Der Arbeitgeber hat allerdings den Arbeitsschutzstandard nach entsprechender Gefährdungsbeurteilung bei der Umsetzung seiner ohnehin bestehenden Verpflichtung nach § 3 ArbSchG als Orientierungs- und Auslegungshilfe heranziehen. Die Vorgaben des BMAS sind dabei von Arbeitgebern einzuhalten, um sich keinen haftungsrechtlichen Risiken auszusetzen. Bei der Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen ist der Arbeitgeber angehalten, sich von den Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten zu lassen. Die Koordinierung der zusätzlichen Schutzmaßnahmen kann durch einen hierfür eingerichteten Arbeitsschutzausschuss erfolgen. Alternativ ist zu überlegen, einen Krisenstab unter Leitung des Arbeitgebers oder einer nach § 13 ArbSchG/DGUV Vorschrift 1 beauftragten Person unter Mitwirkung von Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsrat einzurichten.

Der Arbeitsschutzstandard stellt zwei allgemeine Schutzmaßnahmen voran:

  • Kann der Mindestabstand von 1,5 m im Betrieb nicht sicher eingehalten werden, sollen vom Arbeitgeber Mund- und Nasenbedeckungen zur Verfügung gestellt und diese von den Beschäftigten getragen werden.
  • Personen mit Atemwegssymptomen oder Fieber sollen sich grundsätzlich nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten. Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn es sich bei dem Betrieb um kritische Infrastrukturen nach den RKI-Empfehlungen handelt oder der Arzt die Symptome abgeklärt hat. Der Arbeitgeber hat dazu ein Verfahren zur Abklärung von Verdachtsfällen festzulegen.

Daneben sind besondere technische, organisatorische und personenbezogene Arbeitsschutzmaßnahmen aufgezählt. Diese umfassen folgende Bereiche:

  • Arbeitsplatzgestaltung sowie Hygienemaßnahmen bezüglich Arbeitsmitteln und Werkzeugen,
  • Hygienemaßnahmen in Sanitär- und Pausenräumen sowie Kantinen,
  • regelmäßige Lüftung der Räumlichkeiten,
  • Infektionsschutzmaßnahmen für besondere Bereiche, z.B. Außen- und Lieferdienst,
  • vorrangige Arbeit im Homeoffice,
  • Vermeidung von Dienstreisen und Meetings,
  • Handlungsanweisungen für Verdachtsfälle sowie
  • versetzte Arbeits- und Pausenzeiten.

Die Einzelheiten hierzu können Sie unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.html nachlesen.

Autor/in
Achim Braner

Achim Braner
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Nadine Ceruti

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