07.08.2018
07.08.2018
Die Zulässigkeit von Gegenanträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugunsten des Verfügungsbeklagten im zivilrechtlichen Eilverfahren kann aus verschiedenen Gründen hilfreich sein. So könnte die einheitliche Abhandlung zusammengehöriger Streitfragen die Prozessökonomie fördern, das Kostenrisiko der Beteiligten verringern und darüber hinaus die Position des Antragsgegners stärken. Dennoch ist die Zulässigkeit solcher Gegenanträgen umstritten. So hat das OLG Celle (Az. 2 U 63/17) in seinem Hinweisbeschluss vom 27. Juni 2017, die Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Az. 6 U 101/11), Urteil vom 20. Oktober 2011, insoweit bestätigt, als dass Gegenanträge des Verfügungsbeklagten insoweit unzulässig sind, als sie einen anderen Streitgegenstand betreffen.
Sachverhalt
Im Verfahren vor dem OLG Celle wollte der Verfügungskläger seinen Besitz im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wiedereingeräumt wissen, nachdem der Verfügungsbeklagte ohne Einwilligung des Verfügungsklägers die Schlösser der angemieteten Büroflächen austauschte. Der Verfügungsbeklagte stellte Gegenanträge auf Untersagung verschiedener Handlungen des Verfügungsklägers in Zusammenhang mit der Benutzung der Mietsache, die jedoch keinen Unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schloss aufwiesen. Die Vorinstanz (LG Hannover, Az. 17 O 242/17) hatte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, sich jedoch nicht mit der Frage der Zulässigkeit von Gegenverfügungsanträgen auseinandergesetzt. Diese Würdigung erfolgte sodann, ohne dass eine abschließende Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit von Gegenanträgen getroffen wurde, durch die Berufungsinstanz.
Zur Zulässigkeit von Gegenverfügungsanträgen
Durch das einstweilige Verfügungsverfahren soll dem Verfügungskläger die vorläufige Sicherung eines Anspruchs oder eines Rechts ermöglicht werden (vgl. § 935 ZPO). Dementsprechend spiegelt die Voraussetzung des Verfügungsgrundes die dem einstweiligen Verfügungsverfahren immanente Eilbedürftigkeit wider. Im Interesse des Antragstellers sollte das Verfahren also auf eine schnelle Erledigung gerichtet sein. Wie ist nun die Zulässigkeit von Gegenanträgen des Verfügungsbeklagten mit diesem Verfahrenszweck zu vereinbaren?
Vergleichbarkeit zur Widerklage?
Wie schon das OLG Frankfurt stellte auch das OLG Celle fest, dass ein Gegenverfügungsantrag in den §§ 916 ff. ZPO nicht vorgesehen ist. Fürsprecher der Zulässigkeit von Gegenanträgen führen oftmals die Parallele zur Widerklage gem. § 33 ZPO im Hauptsacheverfahren an. Zwar sei die Norm aufgrund der unterschiedlichen Prozessarten nicht direkt anwendbar, es komme jedoch eine analoge Anwendung des § 33 ZPO in Betracht. Teilweise wird zusätzlich die Voraussetzung der Sachdienlichkeit gem. § 263 ZPO analog gefordert. Diese Ansicht beruft sich insbesondere auf die Prozessökonomie und die Herbeiführung von Waffengleichheit zwischen Verfügungskläger und Verfügungsbeklagtem. Diese Begründung lehnt das OLG Celle jedoch ab. Aufgrund der Besonderheiten des Eilverfahrens seien die Grundsätze der Widerklage nicht auf die vorliegende Verfahrensart übertragbar. Insbesondere sei eine Vertagung in der mündlichen Verhandlung regelmäßig ausgeschlossen. Wenn nun Gegenanträge zugelassen würden, hätte dies jedoch, zumindest bei der Antragstellung im Rahmen der mündlichen Verhandlung, regelmäßig eine Vertagung zur Folge.
Derselbe Streitgegenstand als zwingende Voraussetzung
Das Gericht betonte, dass selbst wenn man die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Gegenanträge annehmen wollte, die Voraussetzungen hierfür im vorliegenden Sachverhalt nicht erfüllt seien. Verfügungsantrag und Gegenantrag müssten denselben Streitgegenstand betreffen oder zumindest einen engen Sachzusammenhang aufweisen (vgl. dazu OLG Stuttgart, Az. 10 W 47/11; OLG Rostock, Az. 1 U 233/00), was hier in Hinblick auf gänzlich verschiedene Ansprüche auf Grundlage unterschiedlicher tatbestandlicher Voraussetzungen (Einräumung Besitz, etwaige Unterlassungsansprüche) offensichtlich nicht der Fall sei. Dementsprechend sei der Gegenantrag des Verfügungsbeklagten weder aus Gründen der Prozessökonomie noch der Sachdienlichkeit erforderlich. Vielmehr sei offensichtlich, dass die gestellten Gegenanträge des Verfügungsbeklagten lediglich den Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens, namentlich die zügige Sicherung der dem Verfügungskläger zustehenden Ansprüche oder Rechte, unterminieren würden. Das Verhalten des Verfügungsbeklagten im vorliegenden Fall könne sogar als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden, da es ihm schon lange vor der tatsächlichen Antragstellung möglich gewesen sei, die von ihm behaupteten Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Dieses Vorgehen spreche dafür, dass es ihm allein auf eine Verzögerung und Behinderung des vom Verfügungskläger angestrengten Verfahrens ankam.
Ausblick
Auch die Zulässigkeit aufgrund von Praktikabilitätserwägungen (wie sie zum Beispiel vom 9. Zivilsenat des OLG Celle in seiner Entscheidung vom 11.03.1959 vorgenommen wurden) lehnt das OLG Celle im dort zu entscheidenden Fall ab. Eine rechtliche Grundlage dafür bestehe nicht und eine Analogie komme mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht. Obwohl in früheren Urteilen Gegenanträge des Verfügungsbeklagten durchaus für zulässig erklärt wurden, spricht das aktuelle Urteil des OLG Celle in Anknüpfung an die Entscheidung des OLG Frankfurt für eine geänderte Praxis. Denkbar ist wohl die Stellung eines eigenständigen Verfügungsantrags, bei welchem – nach Ermessen des Gerichts – die Möglichkeit auf Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO besteht.
Dr. Stephan Bausch, D.U. |
Charlotte Plewe |