04.01.2017
Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes sind zum 1. Januar 2017 Änderungen im SGB IX vorgenommen worden. Wichtig und in der Praxis zwingend zu beachten ist die geänderte Regelung zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (bisher: § 95 SGB IX).
Das Gesetz sieht erstmals eine Sanktion für die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung vor. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören und die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Unterlässt ein Arbeitgeber diese in § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vorgesehene Beteiligung, ist die Kündigung unwirksam.
Die Gesetzesänderung, die sehr kurzfristig in die Neufassung des § 178 SGB IX aufgenommen wurde, wirft Fragen auf. So stellt sich die Frage, ob die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bereits erfolgen muss, bevor der Arbeitgeber beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung beantragt. Unklar ist darüber hinaus, wieviel Zeit die Schwerbehindertenvertretung hat, eine Stellungnahme abzugeben, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Eine Regelung hierzu fehlt im Gesetzestext. Um Risiken, die sich aus diesen Unsicherheiten ergeben zu vermeiden, sollte die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zu Nachweiszwecken schriftlich erfolgen und der Schwerbehindertenvertretung mindestens die in § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG für Betriebsratsanhörungen geregelte Wochenfrist für eine Stellungnahme gewährt werden. Außerdem sollte die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung informiert werden, dass der Arbeitgeber sich zur Kündigung entschieden hat.
Neue Regeln für Zeitarbeit ab dem 1. April 2017, v.a. Überlassungsdauer, Equal Pay und die Abgrenzung zu Werk- und Dienstvertrag.
Zum 1. April 2017 treten gravierende Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Kraft. Mehr als in der Vergangenheit treffen die mit den Verschärfungen verbundenen Risiken auch die Entleiher.
Am Anfang steht eine Definition. Künftig ist Arbeitnehmerüberlassung umschrieben als Überlassung von Arbeitnehmern des Zeitarbeitsunternehmens in der Form, dass sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert werden und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AÜG neu; im Folgenden seien nicht bezeichnete Bestimmungen solche des neuen AÜG). Das entspricht der gängigen Definition und mag in Teilen sogar helfen: Klar ist nun, dass ein reines Tätigwerden von Drittkräften im Betrieb nicht genügt, auch wenn die Drittkräfte längere Zeit im Unternehmen bleiben. Sie müssen vom Entleiher, also von den dort zur Entscheidung befugten, in dessen Organisation eingegliedert werden. Da sie auch dessen Weisungen unterliegen müssen, ist weiter klar, dass jedenfalls vereinzelte Anweisungen von Arbeitnehmern an die Drittkräfte nicht zur Umbewertung von Dienst- oder Werkverträgen in Arbeitnehmerüberlassung führen; die Weisungsbefugnis muss zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein. Allerdings schadet regelmäßig geübte tägliche Praxis: Wenn zwar ein Dienst- oder Werkvertrag vereinbart wurde, hingegen arbeitsrechtliche Weisungen des „Auftraggebers“ an die Drittkräfte die geübte Praxis sind, dann entscheidet die Praxis über die Rechtsnatur des Vertrages als Arbeitnehmerüberlassung (§ 12 Abs. 1 Satz 2).
Klargestellt ist nun auch, dass die mittels Arbeitnehmerüberlassung überlassenen Kräfte Arbeitnehmer des Verleihers sein müssen (§ 1 Abs. 1 Satz 3). Zeitarbeitsunternehmen dürfen sich also nicht z.B. bei Personalengpässen ihrerseits Kräfte von anderen Unternehmen leihen oder Freelancer beschäftigen, um diese weiter zu verleihen. Hierauf wird künftig auch der Entleiher zu achten haben: Er darf solche Kräfte nicht im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tätig werden lassen, sonst droht ihm ein Bußgeld (§ 16 Abs. 1 Nr. 1b).
Damit hat die neue Bürokratie noch kein Ende: Die Arbeitnehmerüberlassung muss vor Beginn der Überlassung im Vertrag als solche ausdrücklich bezeichnet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 5); bei mehrgliedrigen Verträgen (Rahmenvertrag plus konkretisierende Einzelvereinbarungen) dürfte nicht zwingend erforderlich sein, dass die Bezeichnung schon im Rahmenvertrag vorgenommen wird, wenngleich das empfehlenswert ist. Weiterhin haben Verleiher – und Entleiher (!) – die Person des Leiharbeitnehmers vor Beginn der Überlassung unter Bezugnahme auf den Vertrag zu konkretisieren (§ 1 Abs. 1 Satz 6); die Pflicht trifft beide Parteien, was die Frage aufkommen lässt, ob die bisherige Praxis einer einseitigen Mitteilung durch das Zeitarbeitsunternehmen in Ausfüllung eines Rahmenvertrages weiterhin genügt oder ob künftig die Bestätigung des Entleihers vonnöten sein wird. Und schließlich hat (nur) der Verleiher den Arbeitnehmer vor jeder (!) Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird (§ 11 Abs. 2 Satz 4).
Bei Nichteinhaltung dieser Pflichten droht ein Bußgeld, hinsichtlich der in § 1 normierten Pflichten auch für den Entleiher. Damit aber nicht genug: Ein Verstoß gegen die Pflichten zur Bezeichnung der Arbeitnehmerüberlassung als solche oder gegen die Konkretisierungspflicht führt zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen Leihkraft und Verleiher (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a), nicht allerdings zur Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Ver- und Entleiher: Der Entleiher bekommt also den Leiharbeitnehmer als neuen Arbeitnehmer, wenn dieser nicht widerspricht (dazu später). Der Entleiher bleibt aber zur Abnahme eines (weiteren) Zeitarbeitnehmers kraft des Vertrages mit dem Verleiher gebunden, wenn nicht vertraglich anderes vereinbart wird. In Ausnahme- und Notfällen wird der Entleiher also künftig vom Gesetzgeber ausgebremst: Erst die Bürokratie, dann kann der Betrieb oder der Auftrag gerettet werden. Aber auch bisher übliche Sicherungsmaßnahmen gegen ungewollte Arbeitnehmerüberlassung werden mit der Ergänzung unterbunden: Wenn bislang eine Drittkraft auf Basis eines Dienst- oder Werkvertrages tätig wurde und sich „Auftraggeber“ und Drittunternehmen in der rechtlichen Bewertung geirrt hatten oder wenn ein Werk- oder Dienstvertrag durch nicht vertragliche vorgesehene Weisungen an die Drittkräfte unrichtig umgesetzt wurde, musste das Drittunternehmen lediglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorhalten, um die gesetzliche Sanktion (unerlaubte AÜ = Arbeitsvertrag zwischen Drittkraft und „Auftraggeber“) zu vermeiden. Der „Auftraggeber“ sollte also künftig mit höherem Aufwand sicherstellen, dass entweder tatsächlich keine Arbeitnehmerüberlassung stattfindet oder aber die bürokratischen Anforderungen an Arbeitnehmerüberlassung eingehalten werden.
Unverändert bleibt, dass ein Fehlen der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen Verleiher und Arbeitnehmer und auch des Überlassungsvertrages mit dem Entleiher führt und einen Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Entleiher generiert.
Ein weiterer offener Punkt wird ausführlich geregelt: Die EU gibt vor, dass Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend stattfinden darf. Die Festlegung der Zeitdauer von „vorübergehend“ war bislang der Rechtsprechung überantwortet. Künftig gelten 18 Monate als Grenze (§ 1 Abs. 1b). Die 18 Monate sind auf den Leiharbeitnehmer bezogen, nicht auf den Arbeitsplatz, auf dem er eingesetzt wird. Es hilft also nicht, wenn der „Wunsch-Zeitarbeitnehmer“ alle 18 Monate zum Wechsel seines (Zeit-) Arbeitgebers angehalten wird. Der Entleiher darf aber alle 18 Monate die eingesetzte Zeitarbeitskraft zurückgeben und eine andere Zeitkraft von demselben oder einem anderen Zeitarbeitsunternehmen auf demselben Arbeitsplatz einsetzen. Nach mindestens dreimonatiger Pause darf derselbe Zeitarbeitnehmer erneut für 18 Monate entliehen werden. Der Preis der Neuregelung ist also regelmäßig neuer Einarbeitungsaufwand. Er gilt für jeden einzelnen „Entleiher“, ist also nicht nur betriebsbezogen, sondern gilt unternehmensweit. Nicht verboten ist aber, dass eine Zeitarbeitskraft innerhalb von mehreren Konzernunternehmen abwechselnd für die je eigenen Zwecke für jeweils 18 Monate entliehen und damit letztlich dauerhaft innerhalb des Konzerns beschäftigt wird; dazu auch später noch einmal. Die 18-Monatsfrist kann von den Tarifparteien der Einsatzbranche (also nicht von der Zeitarbeitsbranche selbst!) verlängert werden. Eine im Detail komplizierte Regelung gestattet die Nutzung einer solchen tariflichen Öffnungsklausel in Grenzen auch nicht tarifgebundenen Unternehmen. Sanktion bei Überschreitung der 18-Monatsfrist: (Nur) das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Arbeitnehmer wird unwirksam (nicht der Überlassungsvertrag), es entsteht ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Zeitarbeitskraft, wenn diese nicht widerspricht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1). Ein Bußgeld wird für diesen Fall nur dem Zeitarbeitsunternehmen angedroht (§ 16 Abs. 1 Nr. 1e). Für die Übergangszeiten gibt es eine Erleichterung: Vor dem 1. April 2017 zurückgelegte Überlassungszeiten werden bei einer weiterlaufenden Arbeitnehmerüberlassung nicht berücksichtigt (§ 19 Abs. 2). Damit dürfte selbst jahrelange Arbeitnehmerüberlassung legitimiert werden, wenn sie erstens über den 31. März 2017 hinaus fortgesetzt und spätestens am 30. September 2018 beendet wird.
Ausführlicher und verschärft werden auch Equal Pay und Equal Treatment geregelt. Die Vorschriften hierzu finden sich anstelle der aktuellen § 9 Nr. 2 und § 10 Abs. 4 künftig in § 8. Der Grundsatz bleibt gleich: Der Leiharbeitgeber hat dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts zu gewähren (§ 8 Abs. 1 Satz 1). Dies heißt künftig offiziell „Gleichstellungsgrundsatz“. Bei tarifgebundenen Entleihern wird künftig eine Fiktion vorgesehen: Zahlt der Verleiher dem Leiharbeitnehmer (mindestens) das einem vergleichbaren Arbeitnehmer geschuldete tarifliche Arbeitsentgelt oder – wenn es solchen Vergleichsarbeitnehmer nicht geben sollte – ein für vergleichbare Arbeitnehmer der Entleiherbranche geltendes Tarifentgelt, so wird die Einhaltung von Equal Pay „hinsichtlich des Arbeitsentgeltes“ vermutet. Zu klären wird noch sein, was hinsichtlich der Fiktion unter „Arbeitsentgelt“ zu verstehen ist. Die Begründung des Gesetzentwurfes geht von dem auch bislang von der Rechtsprechung verwendeten umfassenden Entgeltbegriff aus. Damit stellt sich die Frage: Muss der Verleiher seinem Arbeitnehmer auch für eine kurzzeitige Überlassung im Sommer Weihnachtsgeld zahlen, um in den Genuss der Fiktion zu kommen, wenn das einschlägige Tarifwerk Weihnachtsgeld im November oder Dezember vorsieht? Wenigstens anteilig? Sachbezüge im Entleiherbetrieb – z.B. Firmenwagen, Notebooknutzung, … - darf der Entleiher künftig kraft ausdrücklicher Gestattung mit dem Wert in Euro ausgleichen (Fremdwährungen sind nicht gestattet, auch nicht bei Auslandsentsendungen durch den Verleiher).
Ähnlich der bisherigen Regelung ist auch eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag gestattet, in diesem Fall der Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche. In einer ausführlichen Regelung über drei Absätze (§ 8 Absätze 2 bis 4) werden zunächst die bestehenden Regeln aufgenommen. Neu werden Vorgaben für die Tarifverträge sein, die sich zwar an die geltenden Branchenzuschlagstarifverträge anlehnen, aber diesen nicht vollständig entsprechen. Es entsteht also der Zwang zur Anpassung. Das BMAS beschönigt dies in der Gesetzesbegründung mit dem Ausdruck „weiterentwickeln“ und ignoriert, dass es vor wenigen Jahren genau die geltenden Tarifverträge selbst erzwungen hat. Im Grundsatz sollen tarifliche Abweichungen nur noch für die ersten neun Monate einer Überlassung zulässig sein. Für eine längere Zeit werden sie nur noch zulässig sein, wenn erstens spätestens nach 15 Monaten ein Entgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als mit dem Tarifentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche festgelegt wird. Interessant: Es soll nicht ein objektiver, letztlich vom Richter festzustellender Maßstab gelten, sondern die Tarifparteien sollen die Vergleichbarkeit ausdrücklich im Tarifvertrag feststellen. Ob die Tarifparteien in der Beurteilung der Zielerreichung völlig frei sind, ist offen. Und ob die Feststellung ohne Aufpreis erreicht wird, steht erst recht in Frage – das BMAS leistet also einseitige Schützenhilfe.
Zweite Voraussetzung einer längeren tariflichen Abweichung als für den 9-Monats-Zeitraum ist, dass eine stufenweise Heranführung an die Vergleichsentgelte nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen beginnt. Das leistet mindestens der Metall-Branchenzuschlagstarifvertrag bereits jetzt. Also: Im Prinzip keine neuen materiellen Vorgaben für die Tarifparteien, aber trotzdem ein Zwang der Arbeitgeberverbände, an die Gewerkschaften zwecks Neuverhandlung heranzutreten.
Die Konsequenzen eines Verstoßes gegen den Gleichstellungsgrundsatz bleiben gleich: Nur die einschlägigen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag des Zeitarbeitnehmers werden unwirksam und durch Ansprüche auf gleichstellungskonforme Arbeitsbedingungen ersetzt. Es entsteht nach wie vor kein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher bei Verstößen gegen Equal Pay.
In den Fällen, in denen künftig wie oben beschrieben ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher anstelle des unwirksam werdenden mit dem Entleiher entstehen soll, soll der Arbeitnehmer das Recht zu einer Festhaltenserklärung haben. Dies erinnert an den Widerspruch gegen die Folgen eines Betriebsüberganges: Die Festhaltenserklärung ist zulässig bis zum Ablauf von einem Monat nach Beginn der Überlassung oder – wenn die Unwirksamkeit erst später eintritt – von einem Monat nach diesem Zeitpunkt und führt zu einem Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher. Allerdings gibt es maßlose Bürokratie: Die Erklärung ist nur wirksam, wenn der Leiharbeitnehmer die Erklärung persönlich in irgendeiner Agentur für Arbeit vorlegt, die Agentur die Erklärung mit dem Datum des Vorlagetages sowie dem Hinweis versieht, sie habe die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt, und wenn die Erklärung danach binnen dreier Kalender(!)tage nach Vorlage wahlweise dem Ver- oder Entleiher zugeht. Zudem ist die Erklärung vor Fristbeginn nicht möglich; wird die Überlassung nach der Erklärung fortgesetzt, dann wird die Erklärung gegenstandslos und ist ein zweites Mal nicht mehr möglich.
Fast am Rande stehen zwei weitere Neuerungen: Im Falle eines Arbeitskampfes hat der Zeitarbeitnehmer bislang ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn er bei einem bestreikten Arbeitgeber eingesetzt werden soll. Die Tarifparteien der Zeitarbeit haben zudem die Verpflichtungen der Zeitarbeitsunternehmen geschaffen, die Leiharbeitnehmer nicht in bestreikten Betrieben einzusetzen und sie dort sogar abzuziehen. § 11 Abs. 5 verpflichtet künftig auch die unmittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Entleiher, Leihkräfte nicht tätig lassen zu werden, es sei denn, sie haben sichergestellt, dass die Leihkräfte keine Arbeit übernehmen, die bisher von streikenden Arbeitnehmern oder in Versetzungsketten hin zu bestreikten Arbeitsplätzen ausgeführt wurden. Bei Verstößen droht ein Bußgeld. Zweitens: Für Schwellenwerte des BetrVG (Ausnahme: § 112a BetrVG) und der Mitbestimmungsgesetze zählen Zeitarbeitskräfte künftig auch beim Entleiher mit, wenn sie mehr als sechs Monate eingesetzt werden.
Im Konzern gelten nach wie vor Erleichterungen: Arbeitnehmerüberlassung im Konzern unterfällt auch künftig nicht den Regeln des AÜG. Daher können auch weiterhin Arbeitnehmer eines Konzernunternehmens im Rahmen konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung in einem anderen Konzernunternehmen eingesetzt werden, wenn sie nicht zu diesem Zweck eingestellt und beschäftigt werden. Sogar von einem Konzernunternehmen entliehene Zeitkräfte können in einem anderen Konzernunternehmen mittels Arbeitnehmerüberlassung (oder wahlweise mittels Dienst- oder Werkvertrags) eingesetzt werden. Offen ist allerdings: Können die Träger eines Gemeinschaftsbetriebs in einem Konzern abwechselnd denselben Arbeitnehmer je für 18 Monate ausleihen und auf demselben Arbeitsplatz einsetzen, um die Höchstüberlassungsdauer auszuhebeln? Das Gesetz verbietet das nicht ausdrücklich, dennoch ist Zurückhaltung geboten.
Schließlich ist anzumerken, dass auch der Arbeitsvertrag in einem neuen § 611a BGB entsprechend den Erkenntnissen des BAG definiert wird und dass die Betriebsräte neben anderem das Recht erhalten, den zeitlichen Umfang, den Einsatzort und die Aufgaben einzustellender Leihkräfte zu erfahren und die deren Beschäftigung zugrunde liegenden Verträge (also die Überlassungsverträge) einzusehen.
Viele neue, teilweise unklare Regeln für die Zeitarbeit und die Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen von der Arbeitnehmerüberlassung also. Diese sind wegen der Sanktionen auch für die Entleiher einschneidend, zumal dort häufig die Einkaufs- statt der Personalabteilungen handeln. Luther wird daher besondere Inhouse-Schulungen anbieten. Der konsolidierte, künftige Gesetzestext ist auf Wunsch ebenfalls erhältlich.
Dietmar Heise
|
Urlaub auch ohne Urlaubsantrag (ArbG Berlin, Teilurteil vom 12. August 2016 – 28 Ca 6951/16; LAG Düs-seldorf, Urteil vom 25. Juli 2016 – 9 Sa 31/16; LAG Köln, Urteil vom 22. April 2016 – 4 Sa 1095/15)
Das BAG hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er den Urlaub des Arbeitnehmers nicht einseitig festlegt, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat und der Urlaub deshalb im Folgejahr verfällt. Damit reagierte das BAG auf mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen, die das bislang geltende Erfordernis eines vorherigen Urlaubsantrags mit Blick auf das Unionsrecht jüngst in Zweifel gezogen hatten.
§ 7 Abs. 3 BUrlG bestimmt, das nicht in Anspruch genommener gesetzlicher Mindesturlaub mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres verfällt. Nur im Ausnahmefall ist eine Übertragung ins Folgequartal möglich. Bei der zeitlichen Festlegung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG jedoch die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers grundsätzlich zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ging die deutsche Rechtsprechung bisher davon aus, dass der Arbeitnehmer zunächst selbst aktiv werden und Urlaub beantragen muss. Auch wenn der Arbeitgeber unter Umständen das Recht zur einseitigen Urlaubsfestsetzung hat, bestehe keine diesbezügliche Pflicht. Verfällt Urlaub demnach am Ende eines Kalenderjahres, entstehe an Stelle dessen auch nicht ohne weiteres ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Ein solcher verlange vielmehr einen Verzug des Arbeitgebers, der etwa durch die Beantragung von Urlaub eintreten könne. Diese Rechtsprechung hat das BAG erst vor Kurzem erneut bestätigt.
Allerdings stellte der EuGH in seiner „Bollacke“-Entscheidung aus dem Jahr 2014 (C-118/13) fest, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG nicht von einem Antrag abhängt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet und bestehender Urlaub deshalb untergeht. Kann diese Aussage nun dahingehend verallgemeinert werden, dass Urlaub prinzipiell keinen Antrag erfordert, sondern der Arbeitgeber von sich aus dafür Sorge tragen muss, dass der Jahresurlaub auch (vollständig) genommen wird?
Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2013 beim Beklagten befristet beschäftigt. Unter anderem mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 bat der Beklagte den Kläger, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Dies tat der Kläger jedoch nur zum Teil und verlangte anschließend die Abgeltung der übrigen 51 Resturlaubstage in Höhe von insgesamt 11.979,26 €. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Das LAG München stützte sich in seinem Urteil vom 6. Mai 2015 (8 Sa 982/14) auf die oben genannte EuGH-Rechtsprechung sowie darauf, dass der Urlaub dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und der Arbeitgeber deshalb – wie in anderen Bereichen des Arbeitsschutzrechts auch – von sich aus für die vollständige Inanspruchnahme zu sorgen habe. Eine Pflicht des Arbeitnehmers, zunächst einen Antrag stellen zu müssen, gebe das Gesetz nicht her. Da der Urlaub indes wegen Zeitablauf verfallen war, stehe dem Arbeitnehmer jedoch ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu.
In dieser Frage herrscht große Uneinigkeit zwischen den Landesarbeitsgerichten. Einige entschieden ähnlich wie das LAG München, wenn auch teilweise mit leicht unterschiedlichen Argumenten (LAG Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2014 – 21 Sa 221/14; LAG Köln vom 22. April 2016 – 4 Sa 1095/15). Andere sahen hingegen keine Notwendigkeit zur Änderung der etablierten BAG-Rechtsprechung (LAG Schleswig-Holstein vom 9. Februar 2016 – 1 Sa 321/15; LAG Düsseldorf vom 25. Juli 2016 – 9 Sa 31/16). Begründet wurde letzteres unter anderem damit, dass die Gewährung von Schadensersatzansprüchen zu einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen führen könne, was den Gesundheitsschutz des – kontinuierlich zu nehmenden – Urlaubs gerade konterkariere. Mithin war es nur eine Frage der Zeit, wann das BAG sich selbst mit dieser Frage zu befassen haben würde. Da die herangezogenen Aussagen des EuGH in einem etwas anderen Zusammenhang erfolgten, war zu erwarten, dass die Erfurter Richter erneut ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten würden. Dies ist nun geschehen.
Wie der EuGH entscheiden wird, ist offen. Einerseits betrachtet er den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als besonders wichtigen Grundsatz des EU-Sozialrechts und verlangt finanzielle Kompensationen, um die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs zu gewährleisten. Andererseits hat er eine solche Kompensation bisher nur für solche Fälle ausgesprochen, in denen ein unerwartetes und nicht beherrschbares Ereignis wie der Tod zum Verlust des Urlaubs führte. Hinzu kommt, dass die Arbeitszeitrichtlinie im Hinblick auf die Modalitäten der Urlaubsgewährung den Mitgliedstaaten gerade einen Gestaltungsspielraum einräumt.
Bis zur Entscheidung des EuGH und ihrer Umsetzung durch das BAG wird die erhebliche Rechtsunsicherheit fortbestehen. Um die damit zusammenhängenden Risiken zu minimieren, bietet es sich für Unternehmen an, sich in regelmäßigen Abständen einen Überblick über die Urlaubskonten der Arbeitnehmer zu verschaffen. Ab der zweiten Kalenderjahreshälfte sollte zudem auf die Inanspruchnahme von Urlaub beispielsweise durch Erinnerungen etc. hingewirkt werden. Spätestens im vierten Kalenderquartal sollte schließlich in Betracht gezogen werden, den Urlaub alsbald einseitig festzusetzen, um betriebliche Engpässe aufgrund von Massenabwesenheiten zum Ende des Jahres zu verhindern. Ein Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung von Schadensersatzansprüchen und dem des Arbeitnehmers an der Berücksichtigung seiner zeitlichen Urlaubswünsche kann ferner durch den Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) hergestellt werden. Beim Abschluss und der Änderung von Arbeitsverträgen sollte zudem darauf geachtet werden, dass genommener Urlaub zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub und erst danach auf etwaigen übergesetzlichen Urlaub angerechnet wird. Denn ein möglicher Schadensersatzanspruch kommt überhaupt nur hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs nach dem BUrlG in Frage, nicht hingegen bezüglich eines darüber hinausgehenden (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubs.
Dr. Paul Gooren, LL.M. (Chicago)
|
BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15: Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite anderen Facebook-Nutzern die Veröffentlichung von Beiträgen (sog. Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite anderen Facebook-Nutzern die Veröffentlichung von Beiträgen (sog. Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig, welche alle Namensschilder tragen. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern, was jedenfalls einen erheblichen Überwachungsdruck erzeuge.
Der Betriebsrat befürchtete, dass die Arbeitgeberin gezielt nach Arbeitnehmern mit häufigen negativen Bewertungen suchen könne. Er vertrat die Auffassung, die Arbeitgeberin müsse mit dem Betriebsrat jedenfalls die Inhalte der Seite abstimmen, wenn sie diese weiter nutzen wolle. Die Arbeitgeberin lehnte dies jedoch ab. Sie vertrat die Auffassung, die Facebook-Seite diene allein der Akquise von Spendern. Es würden keine Daten zur Kontrolle bzw. Steuerung der Arbeitnehmer erhoben oder verarbeitet, so dass kein Mitbestimmungstatbestand gegeben sei. Daher betrieb die Arbeitgeberin die Seite weiterhin ohne Einschränkung bzw. Abstimmung mit dem Betriebsrat.
Das daraufhin vom Betriebsrat angerufene gab der Arbeitnehmervertretung Recht und verpflichtete die Arbeitgeberin zur Abschaltung der Seite. Dem kam diese nicht nach und legte gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung ein, welches der Arbeitgeberin Recht gab.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das Landesarbeitsgericht hatte vor dem Ersten Senat des BAG teilweise Erfolg.
Eine Abschaltung der gesamten Facebook-Seite könne zwar nicht verlangt werden. Der Mitbestimmung unterliege aber die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das nach Ansicht des BAG zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Zum jetzigen Zeitpunkt liegt nur die Pressemitteilung des BAG zu der vorgenannten Entscheidung vor. Interessant für die künftige Ausgestaltung einer (mitbestimmungsfreien) Facebook-Präsenz dürfte aber insbesondere die der Entscheidung zugrunde liegende detaillierte Begründung sein, der wir mit Spannung entgegensehen. Die Entscheidung, welche aktuell großflächig durch die Presse geht, wird sicherlich zeitnah in den betroffenen Betrieben zum Diskussionspunkt werden. In Fachkreisen wird sie daher zum Teil bereits als „eine der wichtigsten Entscheidungen 2016 im Arbeitsrecht“ bezeichnet und Unternehmen befürchten schon jetzt eine auf sie zukommende „Verhandlungsflut“.
Wie die aktuelle Entscheidung zeigt, kommt es für die Frage der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG durchaus auf die jeweiligen Einzelfallumstände und die Ausgestaltung der jeweiligen Facebook-Präsenz an. Das entsprechende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nach gefestigter BAG-Rechtsprechung grundsätzlich immer dann, wenn personenbezogene oder -beziehbare Daten erfasst werden, die den Arbeitgebern eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle objektiv ermöglichen. Eine Individualisierung der von der Überwachungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer muss nicht zwingend unmittelbar durch den Einsatz der technischen Einrichtung selbst erfolgen. Für die Eröffnung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats soll bereits genügen, dass die durch die Überwachung gewonnenen Daten mithilfe weiterer Informationen bestimmten Arbeitnehmern des Betriebes zugeordnet werden können. Auf eine gezielte Überwachungsabsicht der Arbeitgeber oder eine spätere Verwendung der durch die technische Einrichtung gewonnenen Informationen kommt es hingegen nach ständiger Rechtsprechung nicht an.
Hieraus folgt, dass eine Facebook-Seite des Arbeitgebers ohne Interaktions- bzw. Bewertungsmöglichkeit betriebsverfassungsrechtlich – jedenfalls nach heutigem Stand – grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Soweit eine Interaktion möglich ist und durch Einträge oder sonstige Anmerkungen eine Bewertung oder gar Beeinflussung des Verhaltens einzelner Arbeitnehmer erfolgen kann, greifen wohl nach der vorliegenden Entscheidung die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ein. Mitbestimmungsrechte führen zwar grundsätzlich nicht zu absoluten Verboten, bewirken jedoch eine verhältnismäßige Ausgestaltung entsprechender Vereinbarungen.
Um diesbezüglich nicht unvorbereitet zu sein, ist Arbeitgebern zu raten, rechtzeitig Mitbestimmungserfordernisse ihrer Facebook-Auftritte analysieren und sich zu einer möglichen Vermeidung der Mitbestimmung bzw. zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und etwaigen Fallstricken beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung beraten zu lassen.
Hans-Christian Ackermann
|
Bettina Partzsch, LL.M. (Melbourne)
|
Verlängerung eines befristeten Leiharbeitsverhälntisses (BAG, Urteil vom 28. September 2016 - 7 AZR 377/14)
Für die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses eines Leiharbeitnehmers ist allein der Vertragsarbeitgeber zuständig. Daher setzt die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeitnehmers nach § 15 Abs. 5 TzBfG die Kenntnis des Verleihers voraus.
Die Parteien streiten, ob ihr Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Vertragslaufzeit eines bis zum 31. August 2012 befristeten Arbeitsvertrags hinaus verlängert wurde. Der Kläger hatte einen bis zum 31. August 2012 befristeten Arbeitsvertrag mit der Beklagten, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Er arbeitete auch nach dem Ende seines befristeten Arbeitsvertrages im Betrieb des Entleihers weiter und war seit dem 25. August 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Im Betrieb des Entleihers war ein Objektleiter eingesetzt. Weder der Entleiher noch der im Betrieb des Entleihers eingesetzte Objektleiter haben gegenüber dem Kläger beanstandet, dass dieser seine Tätigkeit über die Befristung seines Arbeitsvertrages hinaus fortsetzt. Der Kläger war der Ansicht, dass sich sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Fortsetzung seiner Tätigkeit im Betrieb des Entleihers über den Ablauf der Vertragslaufzeit des zum 31. August 2012 befristeten Arbeitsvertrages hinaus verlängert habe und somit unbefristet fortbestehe. Die Beklagte müsse sich jedenfalls die Kenntnis des Entleihers zurechnen lassen, da sie diesen nicht über die Beendigung des mit ihm bestehenden befristeten Arbeitsvertrages unterrichtet und sichergestellt habe, dass der Kläger seine Tätigkeit beim Entleiher einstelle. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Das BAG bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz und hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Danach endete das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund der Befristung zum 31. August 2012. Das BAG stellt fest, dass die Parteien weder einen Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem 1. September 2012 geschlossen haben, noch dass ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt. Nach § 15 Abs. 5 TzBfG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Dabei genügt nach Ansicht des BAG nicht jede Weiterarbeit des Arbeitnehmers. Diese müsse vielmehr mit dem Wissen des Arbeitgebers selbst erfolgen. Arbeitgeber i.S.v. § 15 Abs. 5 TzBfG sei nicht jeder Vorgesetzte, sondern nur der Vertragsarbeitgeber selbst. Seiner Kenntnis stehe die Kenntnis der zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreter des Arbeitgebers gleich. Bei einem Leiharbeitsverhältnis – wie es der Kläger hatte – setze die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 5 TzBfG daher die Kenntnis des Verleihers voraus. Nach Ansicht des BAG ist dem Verleiher die Kenntnis des Entleihers von der Weiterarbeit nur dann zuzurechnen, wenn der Verleiher den Entleiher zum Abschluss von Arbeitsverträgen bevollmächtigt habe oder dessen Handeln ihm nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zuzurechnen seien. Das BAG stellt hierzu fest, dass weder der Objektleiter noch der Entleiher die Befugnis zum Abschluss von Arbeitsverträgen für den Verleiher gehabt haben. Es bestätigt die Ansicht der Vorinstanz, wonach allein die Funktion als Objektleiter und Ansprechpartner in Personalangelegenheiten nicht genüge, da diese nicht notwendig mit dem Recht zum Abschluss von Arbeitsverträgen verbunden sei. Nach Ansicht des BAG ist es dem Verleiher auch dann nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf seine Unkenntnis von der Weiterarbeit des Leiharbeitnehmers zu berufen, wenn er den Entleiher nicht über die Befristung seines Arbeitsverhältnisse mit dem Leiharbeitnehmer unterrichtet habe. Den Verleiher treffe gegenüber dem Leiharbeitnehmer auch keine dahingehende Hinweis- und Kontrollpflicht, da dem Leiharbeitnehmer die Befristung bekannt sei.
Das Urteil des BAG ist von hoher Relevanz für Arbeitgeber, die regelmäßig Leiharbeitnehmer bei Dritten einsetzen. Das BAG bestätigt mit dieser Entscheidung zunächst seine Rechtsprechung, dass Arbeitgeber i.S.v. § 15 Abs. 5 TzBfG nicht jeder Vorgesetzte sei, sondern nur der Vertragsarbeitgeber selbst. Es stellt damit klar, dass ein Entleiher nicht Arbeitgeber im Sinne von § 15 Abs. 5 TzBfG ist und dass eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeitnehmers nach § 15 Abs. 5 TzBfG daher die Kenntnis des Verleihers voraussetzt. Darüber hinaus stellt das BAG mit dieser Entscheidung auch klar, dass der Verleiher zur Vermeidung einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 5 TzBfG nicht verpflichtet ist, den Entleiher über die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeitnehmer zu unterrichten. Das Urteil bringt damit für Arbeitgeber, die befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei Dritten im Wege einer Arbeitnehmerüberlassung einsetzen, Rechtssicherheit, falls der befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei dem Dritten seine Tätigkeit nach Ablauf der im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristung ohne Kenntnis des Arbeitgebers fortsetzt.
Das Urteil zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass Arbeitgeber, die Arbeitnehmer an Dritte überlassen, ihre Organisationsstrukturen im Entleiherbetrieb entsprechend gestalten, damit ihnen nicht die Kenntnis des Entleihers oder anderer beim Entleiher eingesetzter Arbeitnehmer von der Weiterarbeit des Leiharbeitnehmers zugerechnet wird. Das BAG zeigt hierzu in seinem Urteil die Kriterien für die Zurechnung des Wissens auf. Danach erfolgt eine Zurechnung des Wissens, wenn der Entleiher oder Dritte vom Verleiher zum Abschluss von Arbeitsverhältnisses bevollmächtigt sind oder ihr Handeln dem Verleiher nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zuzurechnen ist. Arbeitgebern, die regelmäßig Leiharbeitnehmer bei Dritten einsetzen, ist daher zu empfehlen, ihre Organisationsstrukturen vor diesem Hintergrund kritisch zu prüfen.
Achim Braner
|
Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung (BAG, Urteil vom 28. September 2016 - 7 AZR 699/14)
Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Betriebsratsschulung ist grundsätzlich für die gesamte Schulung einheitlich zu bewerten. Die Aufspaltung einer Schulung in einen für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen und einen nicht erforderlichen Teil kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Wenn die Schulungsveranstaltung nicht aufgespalten werden kann, ist sie insgesamt erforderlich, wenn die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen.
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche für die Zeit der Teilnahme des Klägers an einer Schulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Der Kläger ist Vorsitzender des in dem bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats und nahm in der Vergangenheit an mehreren Schulungen mit betriebsverfassungsrechtlichen Themen teil. Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung zum BEM (BV BEM). Nach der BV BEM soll in jedem Betrieb ein Integrationsteam gebildet werden, das sich aus einem Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrats sowie der Schwerbehindertenvertretung zusammensetzt und die Durchführung des BEM begleitet. Der Kläger ist Mitglied dieses gemäß der BV BEM im Betrieb der Beklagten gebildeten Integrationsteams. In der Folgezeit beschloss der Betriebsrat, den Kläger zum Seminar „Professionelles Betriebliches Eingliederungsmanagement” anzumelden. Dabei handelte es sich laut der Beschreibung um eine „Ausbildung zum Eingliederungsberater/zur Eingliederungsberaterin” und die Veranstaltung bestand aus vier Modulen von je drei Arbeitstagen sowie einer zweitägigen Abschlussveranstaltung. Die Teilnahme an nur einzelnen Modulen der Schulung war im Anmeldeformular nicht vorgesehen, jedoch wurde die Teilnahmegebühr je Modul gesondert ausgewiesen. Die Beklagte hielt die Schulung nicht für erforderlich. Sie zahlte dem Kläger folglich weder die Schulungskosten noch das Arbeitsentgelt für die Dauer der Schulungsteilnahme. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Das BAG hat entschieden, dass die Revision der Beklagten begründet war. Da es auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen konnte, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Entgelt für die Zeit seiner Schulungsteilnahme verlangen kann, wies es die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht.
Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen rechtfertigten nicht die Annahme, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entgeltzahlung für die Zeit seiner Schulungsteilnahme hat. Vielmehr dürfe das Landesarbeitsgericht aufgrund der bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht von der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme ausgehen: Es habe verkannt, dass die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung einheitlich zu bewerten ist und der nur zeitweise Besuch einer Schulungsveranstaltung nicht in Betracht gezogen werden kann, wenn der Veranstalter die Schulung nur als Ganzes zur Buchung anbietet. Die Aufteilung einer Schulung in einen für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen und einen nicht erforderlich Teil komme nur dann in Betracht, wenn die unterschiedlichen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung und ein zeitweiser Besuch praktisch nicht möglich, entscheide über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen. Sobald eine Schulung nicht gestückelt angeboten wird, könne die Erforderlichkeit auch nur bezüglich der gesamten Schulung entschieden werden. Dies folge aus § 37 Abs. 6 BetrVG: Werde eine Schulung nur als Ganzes angeboten, könne der Betriebsrat nur einheitlich über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten befinden. Der Betriebsrat könne nicht eines seiner Mitglieder unter der Prämisse zu einer Schulung zu entsenden, dass dieses für einen Teil der Schulung Urlaub nimmt und einen Teil der Schulungskosten selbst trägt. Dies sehe das Gesetz nicht vor. Gegen eine Aufteilung einer nur als Ganzes buchbaren Schulung spreche zudem die Praktikabilität. Eine solche Aufteilung erschwerte die Beurteilung der Erforderlichkeit von Schulungsveranstaltungen. Arbeitgeber und Betriebsräte müssten sonst bei Schulungsveranstaltungen, die nur als Ganzes angeboten werden, auch prüfen, ob die unterschiedlichen Themen zeitlich so abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch sinnvoll ist. Das Landesarbeitsgericht müsse nun prüfen, ob die Module der Schulung einzeln gebucht werden konnten. Dafür spreche vorliegend, dass die Ausschreibung die Teilnahmegebühr für jedes Modul getrennt ausweist.
Das BAG folgt mit dieser Entscheidung seiner bisherige Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von Schulungsveranstaltungen für Betriebsratsmitglieder. Arbeitgeber müssen also wie folgt vorgehen, wenn sie prüfen, ob sie dem Betriebsratsmitglied für die Dauer einer Schulungsteilnahme das Arbeitsentgelt zahlen müssen: Zunächst ist zu prüfen, ob die Schulung in mehrere Teile aufgespalten werden kann. Für die Möglichkeit der Aufspaltung spricht dabei, dass die Teilnahmegebühr für verschiedene Module getrennt ausgewiesen wird, die Module gesondert gebucht werden können sowie ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine solche Aufspaltung der Schulung nicht möglich, kann die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme nur einheitlich für die gesamte Schulung beurteilt werden. Über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung entscheidet dann, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen.
Friederike Mahlow
|
(Nicht-) Teilnahme an einem Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit (BAG, Urteil vom 2. No-vember 2016 - 10 AZR 596/15)
Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Personalgespräch teilzunehmen.
Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin zunächst als Krankenpfleger und zuletzt - nach einer längeren unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit - befristet bis zum 31. Dezember 2013 als medizinischer Dokumentationsassistent beschäftigt. Der Arbeitnehmer fehlte nach bereits mehrfacher vorheriger Arbeitsunfähigkeit erneut arbeitsunfähig erkrankt von Ende November 2013 bis Mitte Februar 2014. Die Arbeitgeberin lud ihn daraufhin mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ zu einem Personalgespräch am 6. Januar 2014 ein. Diesen Termin nahm der Arbeitnehmer nicht wahr, sondern sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Die Arbeitgeberin übersandte eine neue Einladung für den 11. Februar 2014 mit dem Hinweis, der Arbeitnehmer habe seine gesundheitlichen Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attests nachzuweisen. Nachdem der Arbeitnehmer auch an diesem Termin unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit nicht teilnahm, mahnte ihn die Arbeitgeberin ab.
Der Arbeitnehmer klagte auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Die Vorinstanzen hatten der Klage jeweils stattgegeben.
Der zuständige Senat wies die Revision der Arbeitgeberin zurück und entschied, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt sei. Zwar umfasse die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufgrund des arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gemäß § 106 GewO grundsätzlich die Pflicht zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit im Betrieb angewiesenen Gespräch, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit Teil der zu erbringenden Arbeitsleistung sei. Da der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit jedoch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen müsse, bestehe während dieser Zeit auch keine Pflicht, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.
Zwar sei es dem Arbeitgeber während der Dauer nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Hierfür sei es jedoch Voraussetzung, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse aufzeige. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer sei nicht grundsätzlich verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies sei ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer wäre dazu gesundheitlich in der Lage.
Nachdem die hierzu darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeberin solche Gründe nicht aufzeigen konnte, hatte der Arbeitnehmer der Anordnung, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen, nicht nachkommen müssen. Die Abmahnung sei folglich zu Unrecht erfolgt.
Die Entscheidung ist auf den ersten Blick nachvollziehbar: Wer arbeitsunfähig erkrankt ist, hat der Arbeit fernzubleiben, damit der Genesungsprozess - auch im Interesse des Arbeitgebers - gefördert wird. Dies muss auch grundsätzlich für Personalgespräche mit dem Arbeitgeber gelten; jedenfalls soweit dieser nicht darlegen und auch beweisen kann, dass die Führung des Gespräches aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer zur Führung des Gespräches auch gesundheitlich in der Lage ist.
Zu praktischen Schwierigkeiten führt die Entscheidung aber dann, wenn ein Arbeitgeber seinen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer zu Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einlädt bzw. einladen möchte. Die (erfolglose) Durchführung eines BEM ist zwar nach ständiger Rechtsprechung keine formelle Voraussetzung einer personen-/krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses; die Durchführung eines solchen ist aber nahezu zwingend, damit eine etwaige krankheitsbedingte Kündigung auch als insgesamt verhältnismäßig bewertet wird. Zudem gilt im Falle eines unterbliebenen oder fehlerhaft durchgeführten BEM, dass der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass eine entsprechend ungünstige Prognose auch bei einem ordnungsgemäß durchgeführten BEM vorgelegen hätte. Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen; muss der Arbeitgeber im Einzelnen und konkret darlegen und ggfs. beweisen, warum eine Maßnahme (und hier kommen jegliche Maßnahmen wie bspw. Teilzeittätigkeit, Versetzung, Arbeitsplatzhilfen in Betracht) entweder trotz Empfehlung undurchführbar war oder selbst bei einer Umsetzung diese keinesfalls zu einer Vermeidung oder Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätte. Ohne Führung eines Personalgesprächs sind diese Punkte schwerlich nachweisbar.
Elementarer Bestandteil eines BEM sind gerade die gemeinsamen Gesprächstermine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bisher war anerkannt, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer diese - ohne begründete Entschuldigung - (wiederholt) nicht wahrnimmt, der Arbeitgeber von der Durchführung eines BEM absehen kann, ohne nachteilige Konsequenzen in einem späteren Kündigungsschutzprozess erwarten zu müssen.
Die aktuelle Entscheidung des BAG lässt nun befürchten, dass der Arbeitnehmer zu derartigen BEM-Gesprächen gerade während der Arbeitsunfähigkeitszeit zwar eingeladen werden kann, er diese aber ohne Weiteres „krankheitsbedingt“ absagen kann, ohne dass der Arbeitgeber hieraus Rückschlüsse im Rahmen des BEM ziehen dürfte. Dies hat in der Praxis eine erhebliche Relevanz. Gerade - aber nicht nur - bei Langzeiterkrankten bleibt einem Arbeitgeber meist gar nichts anderes übrig, als BEM-Termine während der Krankheitszeit durchzuführen. Insoweit stellt sich auch die Frage, wann man sonst derartige Gespräche führen soll, dienen sie doch gerade der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit. Da es im vorliegenden Fall gerade um ein Personalgespräch „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ (nichts Anderes beinhaltet das BEM) ging, muss man zumindest von der Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf BEM-Gespräche ausgehen.
Es wäre im dringenden Interesse der Arbeitgeber, hier vom BAG einen Leitfaden zu erhalten, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist. Die Urteilsbegründung bleibt insoweit noch abzuwarten. Das vorliegende Urteil verschafft aber jedenfalls im Hinblick auf das BEM mehr Rechtsunsicherheit und verschärft dessen Anforderungen abermals. Arbeitgebern ist insoweit zu raten, - soweit möglich - Arbeitnehmer zu BEM-Terminen einzuladen, die außerhalb ihrer Arbeitsunfähigkeitszeit liegen.
Maurice Straub
|
Drogenkonsum in der Freizeit - Fristlose Kündigung möglich (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15)
Der Konsum von Drogen kann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Berufskraftfahrer auch dann rechtfertigen, wenn er in der Freizeit erfolgte und nicht feststeht, ob durch diesen die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt worden ist.
Am Samstag seines freien Wochenendes konsumierte der als LKW-Fahrer beschäftigte Kläger Amphetamin sowie Methamphetamin („Crystal Meth“). Am darauffolgenden Montag nahm er seine Tätigkeit für den beklagten Arbeitgeber vereinbarungsgemäß wieder auf. Am Dienstag geriet der Kläger nach Schichtende sodann mit seinem privaten PKW in eine Polizeikontrolle, in dessen Folge der Drogenkonsum vom Wochenende festgestellt wurde. U.a. aus diesem Grund kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis hieraufhin außerordentlich fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und wandte insbesondere ein, dass sich sowohl Drogenkonsum als auch Verkehrskontrolle in seinem privaten Bereich zugetragen hätten. Zudem hätte es keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit bzw. für eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben.
Während die Kündigungsschutzklage in den ersten beiden Instanzen erfolgreich war, hat das BAG die außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet. Nach Auffassung der Bundesrichter habe der Kläger in schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, als er am Samstag die vorgenannten Drogen konsumiert und gleichwohl ab dem darauffolgenden Montag und auch im Anschluss an die Verkehrskontrolle seine Tätigkeit als LKW-Fahrer weiter verrichtet habe. Es bestehe eine Nebenleistungspflicht eines jeden Arbeitnehmers, sich nicht in einem Zustand zu versetzen, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden könne. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Fähigkeit zur (sicheren) Erbringung der Arbeitsleistung durch ein Verhalten während oder außerhalb der Arbeitszeit eingeschränkt wurde. Nehme ein Berufskraftfahrer Amphetamin oder Methamphetamin ein und führe er dennoch im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung ein Fahrzeug des Arbeitgebers, komme es wegen der sich aus diesem Drogenkonsum typischerweise ergebenden Gefahren nicht darauf an, ob seine Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt ist. Der Pflichtenverstoß liege bereits in der massiven Gefährdung der Fahrtüchtigkeit. Dieses werde auch durch die Wertungen des Gesetzgebers im Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bestätigt. Dementsprechend könne davon ausgegangen werden, dass die Einnahme von Amphetamin oder Methamphetamin die Fahrtüchtigkeit in einem solchen Maße gefährdet, dass dies für sich genommen bei einem Berufskraftfahrer eine Verletzung des Arbeitsvertrags darstellt, wenn er trotz Drogenkonsums seine Tätigkeit verrichtet. Die drogenbedingte Gefährdung der Fahrtüchtigkeit bewirke zumindest abstrakt auch eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen sei der Berufskraftfahrer gehalten, eine solche Gefährdung zu verhindern. Er verletze durch den Drogenkonsum seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen daher auch dann, wenn es trotz des Drogenkonsums nicht zu einer konkreten Einschränkung seiner Fahrtüchtigkeit oder zu kritischen Verkehrssituationen komme.
Die Entscheidung des BAG orientiert sich an der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und führt diese fort. Hiernach hat ein Arbeitnehmer die Pflicht, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch Alkoholgenuss in der Freizeit zu beeinträchtigen, und jeder Berufskraftfahrer aufgrund der besonderen Gefahren des öffentlichen Straßenverkehrs jeden die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zu unterlassen. Diese Rechtsprechung wurde nunmehr auf den Konsum von Drogen ausgeweitet.
Gleichwohl bleibt abzuwarten, ob die vorliegende – und insbesondere von Arbeitnehmervertretern vielfach kritisierte – Entscheidung allgemeine Gültigkeit hat oder lediglich einen Einzelfall abbildet. Das BAG führt in seinem Urteil aus, dass die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers schon in der Aufnahme der Tätigkeit trotz Drogenkonsums bestehe. Weiter müsse dem Arbeitnehmer angesichts der kurzen Zeitdauer und dem positiven Drogentest während der Verkehrskontrolle bewusst gewesen sein, dass eine Fahrt unter Drogeneinfluss und ein hierdurch erhöhtes Risiko noch möglich gewesen sei. Deshalb könne es dahinstehen, unter welchen Umständen ein Berufskraftfahrer bei einem länger zurückliegenden Drogenkonsum davon ausgehen dürfe, dass keine Auswirkungen mehr bestehen. Allein aufgrund dieser Formulierung ist die Entscheidung jedoch „mit Vorsicht zu genießen“, macht sie doch deutlich, dass der Sachverhalt ggf. abweichend rechtlich zu bewerten ist, wenn andere Drogen konsumiert worden sind, ein größerer Zeitraum vergangen ist, keine Verkehrskontrolle stattgefunden hat etc.
Ebenso zu beachten sind hier die Umstände des Einzelfalls. So drohten dem Arbeitgeber bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers vorliegend der Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Entzug des existenzsichernden Auftrags des Hauptauftraggebers. Ebenso hatte der Kläger den Arbeitgeber nicht über den von der Polizei durchgeführten Drogentest informiert, sondern diesem gegenüber fälschlicherweise zunächst behauptet, er habe seinen Führerschein verloren und dürfe auf Anweisung der Polizei daher nicht mehr fahren. Letzteres allein ist nach Ansicht der Rechtsprechung des BAG bereits geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das BAG in aus Sicht des Arbeitgebers zu begrüßender Klarheit entschieden hat, dass auch der auf das Arbeitsverhältnis relevant „ausstrahlende“ Drogenkonsum eines Arbeitnehmers in der Freizeit vom Arbeitgeber sanktioniert werden kann und – aufgrund entsprechender öffentlich rechtlicher oder sonstiger Verpflichtungen – ggf. auch muss. Wann die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht schablonenartig beurteilt werden. Die Entscheidung des BAG sollte allerdings, sofern noch nicht geschehen, zum Anlass genommen werden, das Bewusstsein von Arbeitgebern bezüglich des Drogenkonsums ihrer Belegschaft zu steigern. Spätestens seit diesem Urteil gilt die Redenwendung „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ nicht mehr unbegrenzt.
Thorsten Tilch
|
Anhörung des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit vor Verdachtskündigung (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. August 2016 – 10 Sa 378/16)
Ist ein Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt, kann unter Umständen eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme vor Ausspruch einer Verdachtskündigung geboten sein
Die Klägerin war 54 Jahre alt und seit dem 1. Januar 1995 bei der Beklagten als eine von zwei Buchhalterinnen beschäftigt. Sie war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80. Im März 2015 ließ die Beklagte routinemäßig die Richtigkeit der Buchhaltung durch einen Wirtschaftsprüfer überprüfen. Dabei zeigten sich Unregelmäßigkeiten bezüglich eines Schecks in Höhe von € 3.000,00 aus dem Jahr 2014, den die Klägerin eingelöst hatte. Dies begründete den Verdacht einer Untreue durch die Klägerin. Mit Schreiben vom 31. März 2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, sich zu diesem Sachverhalt innerhalb einer Woche schriftlich oder im Rahmen eines Personalgesprächs am 8. April 2015 zu äußern. Die Klägerin befand sich zu dem Zeitpunkt in stationärer Rehabilitationsbehandlung aufgrund einer bereits länger bestehenden Erkrankung und war auch im Anschluss daran weiterhin arbeitsunfähig. Unmittelbar nach Rückkehr aus der Reha teilte sie der Beklagten deshalb mit Schreiben vom 7. April 2015 mit, dass sie an einer Klärung des Sachverhalts interessiert sei, aber wegen ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit um eine Fristverlängerung bitte. Diese gewährte die Beklagte der Klägerin nicht, sondern nahm an, dass die Klägerin zur Sachverhaltsaufklärung nicht bereit sei und entschloss sich zur Kündigung.
Die Zustimmung des Integrationsamts zur außerordentlichen Verdachtskündigung war zwischenzeitlich antragsgemäß erteilt worden. Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Verdachtskündigung und eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Tatkündigung aus. Gegen diese Kündigungen hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das LAG entschied, dass die außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Tatkündigung sowie die hilfsweise fristgerechte Verdachtskündigung mangels Zustimmung des Integrationsamts unwirksam seien. Der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung habe nur die fristlose Verdachtskündigung umfasst. Die fristlose Verdachtskündigung sei wiederum unverhältnismäßig und daher unwirksam, weil die Beklagte nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen habe.
Das LAG führte in seiner Entscheidung zunächst aus, dass der dringende Verdacht einer Unterschlagung durch eine Buchhalterin auch nach 20-jähriger Beschäftigung grundsätzlich das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstören könne. Eine außerordentliche Verdachtskündigung genüge aber nicht dem sog. ultima-ratio-Prinzip, wenn anderweitige Reaktionsmöglichkeiten bestünden. Vorliegend hätte die Beklagte der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung eine Nachfrist zur Stellungnahme setzen müssen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Klägerin bei Zugang des Anhörungsschreibens aufgrund der Reha-Maßnahme ortsabwesend gewesen sei und umgehend nach Erhalt des Anhörungsschreibens der Beklagten gegenüber signalisiert habe, an einer Aufklärung des Sachverhalts mitwirken zu wollen. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Behauptung nur vorgeschoben sei.
Das LAG begründet seine Entscheidung weiterhin damit, dass der Beklagten ein weiteres Zuwarten auch deshalb zumutbar gewesen sei, weil die Klägerin aufgrund ihrer länger andauernden Erkrankung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe und eine kurzfristige Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht zu erwarten gewesen sei. Die Gefahr weiterer Beeinträchtigungen sei daher ausgeschlossen gewesen.
Eine Verdachtskündigung wird allein wegen des dringenden Verdachts (= große Wahrscheinlichkeit) einer schweren Pflichtverletzung ausgesprochen. Allein dieser Verdacht zerstört bereits das Vertrauen, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Hierbei muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Verdachtskündigung alle ihm zumutbaren Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts ergreifen. Dazu gehört insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers zum Verdacht. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, sich zu bestimmten, zeitlich und räumlich bezeichneten Tatsachen zu äußern und ggf. entlastende Umstände anzuführen. Eine fehlende Anhörung ist nur unschädlich, wenn der Arbeitnehmer sich innerhalb einer gesetzten (angemessenen) Frist nicht äußert und mit einer Stellungnahme innerhalb absehbarer Zeit auch nicht zu rechnen ist.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer innerhalb eines angemessenen Zeitraums anhören. Andernfalls besteht das Risiko, dass die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, innerhalb der eine fristlose Kündigung erklärt werden muss, als verstrichen gilt. Die zweiwöchige Ausschlussfrist beginnt zwar grundsätzlich erst nach Anhörung des Arbeitnehmers. Dies gilt aber nur, wenn diese innerhalb angemessener Zeit erfolgt. Regelmäßig gilt eine Anhörung innerhalb einer Woche nach Kenntnis vom Sachverhalt als angemessen.
Das LAG hatte im vorliegenden Fall einen Ausnahmefall zu entscheiden: Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer unter gewissen Umständen eine Fristverlängerung zur Stellungnahme gewähren, auch wenn hierdurch die „Regelwochenfrist“ zur Anhörung überschritten wird. Solche Umstände liegen beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung nicht fristwahrend zum Vorwurf Stellung nehmen kann. Die Dauer der Fristverlängerung hängt dabei vom Einzelfall ab. Hierbei sind etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Vergütung/Entgeltfortzahlung und die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Aufklärung des Sachverhalts zu berücksichtigen.
Die Entscheidung des LAG verdeutlicht die Rechtsunsicherheiten, die im Hinblick auf eine Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung bestehen. Soweit möglich und im Hinblick auf Fristen vertretbar, sollte ein Arbeitgeber deshalb weitere Aufklärungsmaßnahmen ergreifen (z.B. polizeiliche Ermittlungen einleiten) und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Tatkündigung aussprechen. Bei dieser ist nämlich eine Anhörung des Arbeitnehmers nicht zwingend erforderlich.
Schließlich unterstreicht die Entscheidung, dass ein Antrag auf Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung nicht zu eng gestellt werden sollte.
Jana Anna Voigt
|
Bitte nur ausfüllen, wenn Text auf Startseite erscheinen soll.
BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 456/15
Die Parteien streiten über Vergütung für den 25. und 26. Dezember 2013. Die Klägerin ist seit 2013 bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. Im Jahr 2013 richtete sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung und ihrem Arbeitsvertrag, der u.a. regelt, dass Beschäftigte, die in Objekten eingesetzt sind, in denen aufgrund einer betrieblichen Regelung des Auftraggebers oder aufgrund von staatlichen Vorschriften Betriebs- oder Schulferien durchgeführt werden, verpflichtet sind, ihren Urlaub innerhalb der Zeiten zu nehmen, in denen der Auftraggeber aufgrund einer betrieblichen oder aufgrund von staatlichen Vorschriften Betriebs- oder Schulferien durchführt. Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Beschäftigten den Urlaub für diese Zeiten zuzuweisen. Während dieser Ferienzeiten ruht das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Arbeits- und Lohnfortzahlungspflichten, soweit der Beschäftigte in dieser Zeit keine anderen Einsätze (insb. Vertretungs-/Zusatzeinsätze) erbringt oder die Betriebs-/oder Schulferienzeit nicht durch Urlaub abgedeckt ist. Die Klägerin wurde in einer Schule in Nordrhein-Westfalen eingesetzt. In der Zeit vom 23. Dezember 2013 bis 7. Januar 2014 waren in Nordrhein-Westfalen Schulferien. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 23. Dezember 2013 ihren Resturlaub von fünf Arbeitstagen und zahlte ihr Vergütung für den 23., 24., 27., 30. und 31. Dezember 2013, nicht aber für den 25. Dezember 2013 und den 26. Dezember 2013. Mit ihrer Zahlungsklage begehrt die Klägerin Vergütung für den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag 2013. Die Klägerin meint, das Arbeitsverhältnis habe an den Weihnachtsfeiertagen 2013 nicht geruht, weil die arbeitsvertragliche Ruhensvereinbarung unwirksam sei. Zudem seien die Weihnachtsfeiertage in den Urlaubszeitraum gefallen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Das BAG sieht die Revision als begründet an. Die Klägerin hat nach § 2 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltzahlung für den 25. und 26. Dezember 2013. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 Feiertagsgesetz NW sind der 1. und 2. Weihnachtstag, mithin der 25. und 26. Dezember, gesetzliche Feiertage. Die Arbeitszeit der Klägerin ist infolge dieser Feiertage ausgefallen. Ein Entgeltzahlungsanspruch sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil das Arbeitsverhältnis am 25. und 26. Dezember 2013 geruht hätte. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung fallen diese Tage nicht in einen Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis ruhen sollte. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltzahlung an Feiertagen besteht zwar nur dann, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall ist und der Arbeitnehmer an dem betreffenden Tag nicht auch ohne den Feiertag nicht gearbeitet hat (z.B. bei einem ruhendem Arbeitsverhältnis). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe am 25. und 26. Dezember 2013 nicht geruht, da die beiden gesetzlichen Feiertage in den Urlaubszeitraum fielen. Unabhängig hiervon ruhte das Arbeitsverhältnis auch deshalb nicht, weil die Ruhensregelung des Arbeitsvertrags mangels hinreichender Transparenz unwirksam sei.
BAG, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 1 ABR 51/14
Die Beteiligten streiten über einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Der Arbeitgeber beschäftigte in seinem Betrieb 27 Arbeitnehmer. Diesen Betrieb legte er zum 31. März 2011 still. Die letzten Arbeitnehmer schieden am 30. Juni 2011 aus. Zwischen den Beteiligten wurde ein Sozialplan vereinbart, der keine Regelung über eine variable Vergütung enthält. Der Arbeitgeber zahlte den Beschäftigten im ersten Quartal 2011 – wie auch in den Vorjahren – eine variable Vergütung in unterschiedlicher Höhe für das Jahr 2010. Nach Stilllegung des Betriebs forderte der Vorsitzende des Betriebsrats den Arbeitgeber erfolglos auf, über die in 2011 für das Jahr 2010 gezahlte variable Vergütung Auskunft zu erteilen. Mit dem Beschlussverfahren begehrt der Betriebsrat sein Auskunftsbegehren weiter. Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.
Das BAG sieht die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts als unbegründet an. Der Betriebsrat könne den erhobenen Auskunftsanspruch nicht im Wege eines Restmandats verfolgen. Ein Betriebsrat, dessen Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, bleibt nach § 21b BetrVG so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Das Restmandat setzt daher einen funktionalen Bezug zu den durch die Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung ausgelösten Aufgaben des Betriebsrats voraus. Mit dem Wegfall der betrieblichen Organisation wandelt sich das originäre Vollmandat des Betriebsrats in ein im Umfang beschränktes Restmandat, durch das Mitbestimmungsrechte, die in keinem funktionalen Bezug zu den in § 21b BetrVG angeführten Tatbeständen stehen, nicht mehr ausgefüllt werden können. Dem Betriebsrat stehe nach diesen Grundsätzen das geltend gemachte Auskunftsrecht nicht zu. Mit der Stilllegung des Betriebs habe das Mandat geendet. Das Auskunftsverlangen habe zu der Stilllegung keinen funktionalen Bezug. Die variable Vergütung wurde nicht wegen der oder im Hinblick auf die Betriebsstilllegung gezahlt. Ein funktionaler Zusammenhang folge auch nicht aus einer Verletzung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Verteilung einer variablen Vergütung. Das Restmandat des § 21b BetrVG dient nicht der Sanktion eines betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Es sei im Übrigen weder rechtsmissbräuchlich noch verstoße es gegen § 2 Abs. 1 BetrVG, dass sich die Arbeitgeberin auf die Beschränkungen des Restmandats beruft. Verfügt ein Betriebsrat nicht mehr über eine gesetzliche Legitimation, fehle es an einem Gremium, demgegenüber der Arbeitgeber zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet wäre.
BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 276
Die Klägerin war bei der Beklagten, die Passagierdienstleistungen an Flughäfen betrieb, beschäftigt. Die einzige Auftraggeberin der Beklagten kündigte sämtliche Aufträge zu Ende März 2015. Die Beklagte trat in Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Betriebsrat, die im Dezember 2014 in der Einigungsstelle scheiterten. Nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs leitete die Beklagte ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG im Rahmen einer Massenentlassungsanzeige ein. Ende Januar 2015 entschied die Beklagte, ihren Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen und erstattete eine Massenentlassungsanzeige. Anschließend kündigte die Beklagte alle Arbeitsverhältnisse. Nachdem Kündigungsschutzklagen wegen Mängeln im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich erfolgreich stattgegeben worden waren, beschloss die Beklagte, erneut Kündigungen zu erklären. Hierfür leitete sie im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat ein. Die Beklagte beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche Wiedereröffnung des Betriebs, die für sie nur bei einer Absenkung der bisherigen Vergütungen in Betracht kam. Nachdem der Betriebsrat keine Bereitschaft zeigte, die Absenkung der Vergütung mitzutragen, erstattete die Beklagte eine neue Massenentlassungsanzeige und kündigte anschließend die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin hat gegen beide Kündigungen geklagt und hilfsweise einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG verlangt. Das LAG gab der Klägerin Recht und erklärte beide Kündigungen für unwirksam.
Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Revision sah das BAG im Hinblick auf die zweite Kündigung als begründet an. Die erste Kündigung sei nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte habe in der vor der ersten Kündigung gestellten Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Die zweite Kündigung sei hingegen wirksam. Die Beklagte habe das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere habe die Beklagte dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken zu können. Die Betriebsparteien haben über die Betriebsstilllegung beraten. Nachdem der Betriebsrat keine weiteren Beratungsschritte unternahm, durfte die Beklagte die Verhandlungen als gescheitert ansehen. Da die Beklagte keinen Betrieb mehr unterhielt, wurde die zweite Massenentlassungsanzeige zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die zweite Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Einen Anspruch auf Nachteilsausgleich stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte habe den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und die Interessenausgleichsverhandlungen für gescheitert erklärt.
BAG, Urteil vom 27. Juli 2016 – 7 AZR 255/1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten gemeinnützigen Vereins, der Klägerin als Betriebsratsmitglied Fahrzeiten zu Betriebsratssitzungen zu vergüten.
Die Klägerin war bei dem Beklagten als sog. persönliche Assistentin tätig und hat in diesem Rahmen behinderte Schüler während der Schulzeit unterrichtsbegleitend betreut. Da diese Tätigkeit in den Schulferien nicht erbracht wird, zieht der Beklagte die entsprechenden Arbeitnehmer in den Ferienzeiten nicht zur Arbeitsleistung heran, sondern gewährt ihnen regelmäßig Urlaub. Die Klägerin war Betriebsratsmitglied. Die Klägerin begehrte von dem Beklagte die Erstattung ihrer Fahrzeiten von ihrer Wohnung zum Betrieb und zurück für während der Ferienzeit angefallene Betriebsratsarbeiten. Die Fahrten seien erforderlich gewesen seien, um an ordentlichen Betriebsratssitzungen in den Ferien teilzunehmen.
Das BAG erteilte der Klägerin eine Absage. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, der Klägerin die Zeiten, die sie für Fahrten zu Betriebsratssitzungen in den Schulferien aufgewendet hatte, zu vergüten.
Die Voraussetzungen für einen Abgeltungsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG seien nach Ansicht des BAG nicht gegeben. Es gelte das Lohnausfallprinzip, weshalb das Betriebsratsmitglied nur das erhalten könne, was ihm im entsprechenden Umfang an einem anderen Arbeitstag gewährt worden würde. Dabei gilt zu beachten, dass Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Zwar können Betriebsratsmitglieder grundsätzlich Erstattungsansprüche für Wege-, Fahrt- und Reisezeiten, die im Rahmen der Erfüllung erforderlicher Betriebsratsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit aufgewendet werden, zustehen. Für die Bewertung von Fahrt- und Reisezeiten des Betriebsratsmitgliedes als vergütungspflichtige Arbeitszeit können jedoch keine anderen Maßstäbe gelten als für Fahrtzeiten, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Arbeitspflicht erbringt. Wegezeiten von Arbeitnehmern, die nicht Mitglieder des Betriebsrats sind, von der Wohnung zur Betriebsstätte seien die Privatangelegenheit des Arbeitnehmers und daher regelmäßig nicht als Arbeitszeit zu vergüten. Ein Betriebsratsmitglied könne daher ebenfalls keine Vergütung für Wegezeiten verlangen.
BAG, Urteil vom 9. August 2016 – 9 AZR 575/15
Die Parteien streiten über die Abgeltung von 17 Urlaubstagen aus dem Jahr 2013. Die Klägerin war bei der Beklagten im Blutspendebereich tätig. Dabei war die Klägerin mit der Entnahme von Blut und Blutbestandteilen von Spendern beauftragt. Nachdem die Klägerin Anfang 2013 der Beklagten ihre gewünschten Urlaubsperioden für das Jahr 2013 mitteilte, erteilte die zuständige Zentrumsmanagerin der Beklagten am 20. Februar 2013 die Freigabe für die Urlaubswünsche. Die freigegebenen Urlaubszeiträume wurden in einen Urlaubsplan eingetragen. Am 2. Juni 2013 unterrichtete die Klägerin die Beklagte über ihre Schwangerschaft. Entsprechend einer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung war der Entbindungstermin für den 9. Dezember 2013 vorgesehen. Mit Schreiben vom 5. Juni 2013 sprach die Beklagte unter Anrechnung der bereits bewilligten Urlaubstage auf Grundlage von § 4 MuSchArbV und § 4 MuSchG ein Beschäftigungsverbot mit sofortiger Wirkung aus. 17 der genehmigten Urlaubstage lagen in dem Zeitraum des Beschäftigungsverbots. Eine Ersatztätigkeit wies die Beklagte der Klägerin nicht zu. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte die Klägerin die Abgeltung der 17 im Zeitraum des Beschäftigungsverbots liegenden Urlaubstage geltend. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendete sich die Beklagte mit der Revision.
Das BAG bestätigt die Vorinstanzen und hält die Revision für unbegründet. Im Umfang von 17 Tagen sei der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahr 2013 nicht mit der Freistellungserklärung der Beklagten durch Erfüllung untergegangen. Die Beklagte sei nach § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet, die 17 nicht erfüllten Urlaubstage abzugelten. Durch eine Freistellungserklärung könne der Urlaubsanspruch nur soweit erfüllt werden, wie für den Zeitraum der Freistellung eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht. Infolge des gesetzlichen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots habe für die Klägerin jedoch gemäß § 4 Abs. 1 und 4 Satz 1 MuSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 MuSchArbV während des bewilligten Urlaubszeitraumes keine Arbeitspflicht bestanden. Da die Beklagte der Klägerin keine Ersatztätigkeit zugewiesen hat, sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, andere, nicht vom mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot erfasste Tätigkeiten, zu erbringen. Unerheblich sei nach Ansicht des BAG, ob sich die Klägerin trotz des tätigkeitsbezogenen generellen Beschäftigungsverbots hätte erholen können. Der Urlaubsanspruch der Klägerin sei auch nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB durch Eintritt nachträglicher Unmöglichkeit untergegangen. Nach § 17 Satz 2 MuSchG sind Urlaub und eine (vollständige) Arbeitsbefreiung unvereinbar. Die Arbeitnehmerin erhalte nur dann ihren Urlaub, wenn die mit der Festlegung des Urlaubszeitraums bezweckte Erfüllungswirkung eintrete. Wenn die Arbeitnehmerin nach dem Wortlaut des § 17 Satz 2 MuSchG den vor den Beschäftigungsverboten nicht erhaltenen Urlaub danach ungekürzt in Anspruch nehmen kann, folge daraus die gesetzgeberische Wertung, dass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht erlöschen könne. Dies hat zur Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den zuvor festgelegten Urlaubszeitraum fallendes mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen wird.
Bitte nur ausfüllen, wenn Text auf Startseite erscheinen soll.