26.03.2018
Veränderungen bahnen sich an. Nach zähem Ringen ist der Koalitionsvertrag nunmehr abgeschlossen. Hier gilt es einen Ausblick auf die uns Arbeitsrechtler bewegenden Themen zu nehmen. Zudem läuft der Countdown zum Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung; die Tage bis zum 25. Mai 2018 sind gezählt.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Veränderungen bahnen sich an. Nach zähem Ringen ist der Koalitionsvertrag nunmehr abgeschlossen. Hier gilt es einen Ausblick auf die uns Arbeitsrechtler bewegenden Themen zu nehmen. Zudem läuft der Countdown zum Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung;
die Tage bis zum 25. Mai 2018 sind gezählt. An der betrieblichen Umsetzung der neuen datenschutzrechtlichen Vorgaben wird in vielen Unternehmen bereits unter Hochdruck gearbeitet. Wir möchten daher in dieser Ausgabe unseres Newsletters beiden Themen entsprechenden Raum geben. Daneben erhalten Sie wie gewohnt Kommentare zu den aus unserer Sicht wesentlichen
Entscheidungen der letzten Monate sowie unseren Entscheidungsüberblick.
Sprechen Sie sehr gerne unsere Autoren bei Fragen zu den jeweiligen Kommentaren und Artikeln direkt an.
Wie das Arbeitsrecht so ist auch unser Newsletter in Bewegung. In dieser Ausgabe präsentieren wir uns erstmals im neuen Layout. Wir hoffen es gefällt Ihnen! Für Ihre Anregungen sind wir Ihnen sehr dankbar. Uns interessiert, was Sie bewegt! Melden Sie sich hierzu gerne mit Ihren Vorschlägen und Anregungen bei Achim Braner, unserem verantwortlichen Chefredakteur.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Paul Schreiner |
Ein Thema ist derzeit in aller Munde – die EU-Datenschutzgrundverordnung („DSGVO“). Der uropäische Gesetzgeber hat das Datenschutzrecht harmonisiert, um ein gleichwertiges Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen (der „Betroffene“) bei der Datenverarbeitung sicherzustellen. Ab dem 25. Mai 2018 gilt die DSGVO unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
Wichtig ist, dass zukünftig nicht mehr das BDSG, sondern die DSGVO selbst vorgibt, wie personenbezogene Daten in Deutschland verarbeitet werden. Das BDSG-neu konkretisiert die DSGVO in einzelnen Teilbereichen. Für mittelständische Unternehmen oder kleinere, selbstständige Einheiten eines Konzerns sind die von der DSGVO abweichenden Regelungen zum Datenschutzbeauftragten von Bedeutung. Das BDSG-neu übernimmt im Wesentlichen die bisherigen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes und stärkt damit im Vergleich zu der DSGVO die Stellung des Datenschutzbeauftragten. Ein Datenschutzbeauftragter muss bestellt werden, wenn mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, wenn wegen eines hohen Risikos für die Rechte und Freiheiten der von der Datenverarbeitung Betroffenen eine Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß Art. 35 DSGVO notwendig ist oder geschäftsmäßig personenbezogene Daten zum Zweck der Übermittlung, der anonymisierten Übermittlung oder für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung verarbeitet werden. Wie bisher gilt für den verpflichtend zu bestellenden Datenschutzbeauftragten ein umfassender Kündigungsschutz, obwohl die DSGVO dies nicht vorschreibt. Dies bedeutet aber nicht, dass Unternehmen, die keinen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen, das Datenschutzrecht nicht beachten müssen. Vielmehr gilt das Datenschutzrecht immer, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Geschäftsführung bleibt stets in der Pflicht, die Vorgaben einzuhalten.
Gerade für den Personalbereich ist der Datenschutz von höchster Relevanz, da hier tagtäglich personenbezogene Daten verarbeitet werden. Zentrale Norm des Beschäftigtendatenschutzes wird ab dem 25. Mai 2018 § 26 BDSG-neu sein. In den Punkten zulässiger Datenerhebung entspricht diese Vorschrift im Wesentlichen dem aktuellen § 32 BDSG. Ungeachtet dessen gelten die Vorschriften der DSGVO, auf die § 26 BDSG-neu verweist.
Soweit Unternehmen gegen die DSGVO verstoßen, drohen Bußgelder von bis zu EUR 20 Mio. oder 4 % des globalen Umsatzes. Bereits aus diesem Grunde ist die Etablierung einer funktionierenden Datenschutzorganisation spätestens jetzt erforderlich. Anders als nach der DSGVO kann ein Betroffener (d. h. auch ein Mitarbeiter) nach dem BDSG-neu wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. In Trennungsprozessen drohen hier datenschutzrechtliche Nebenkriegsschauplätze, die durch eine saubere Datenschutzorganisation vermieden werden können. Schließlich ist zu beachten, dass bei Verstößen gegen die dateschutzrechtlichen Vorgaben auch Abmahnungen von Wettbewerben zu befürchten sind.
Die zum 25. Mai 2018 in Kraft tretenden gesetzlichen Änderungen bringen – ausschließlich bezogen auf das Datenschutzniveau, d. h. das materielle Recht – keine bahnbrechenden Änderungen mit sich. Problematisch ist allerdings die erhebliche Erweiterung der formellen Anforderungen. Der europäische Gesetzgeber hatte bei Erstellung der Verordnung die vermeintlich „bösen Internet-Riesen“ im Blick und schlicht nicht darüber nachgedacht, welche bürokratischen Auswirkungen die DSGVO auf Unternehmen – egal, ob kleine, mittlere oder große – hat. Denn letztlich werden hier zu Lasten der Unternehmen erhebliche Ressourcen gebunden. Ungeachtet dessen gehen wir davon aus, dass die medial durchaus prominent gemachten Bußgelder – bis zu EUR 20 Mio. oder 4 % des globalen Umsatzes – in der Praxis nur für schwere Verstöße verhängt werden. Für Unternehmen wird es im Falle einer Prüfung durch eine Datenschutzbehörde in einem ersten Schritt sehr wichtig sein, darlegen zu können, dass das Thema Datenschutz ernst genommen wird und eine seriöse Datenschutzorganisation etabliert wurde (eine solche haben viele Unternehmen schon). In einem zweiten Schritt müssen Unternehmen dann darlegen können, dass die einzelnen Prozesse (insbesondere hinsichtlich Informationspflichten, Betriebsvereinbarungen oder Datenschutz-Folgenabschätzung) mit Blick auf die DSGVO angepasst wurden. Letztlich sollten Unternehmen im Falle einer Prüfung durch eine Landesdatenschutzbehörde unverzüglich rechtliche Unterstützung einholen.
Christian Kuß, LL.M. | IT-Recht |
Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco) |
Auch das Jahr 2018 bringt für Arbeitgeber einige Änderungen mit. Neben den Nachfolgenden
im Überblick dargestellten Neuerungen haben sich die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie die Pflichtversicherungs- und Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und Pflegeversicherung erhöht. Außerdem sind die Regelbedarfssätze für Arbeitssuchende angestiegen.
Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2018 für jede Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt. Der persönliche Schutzbereich wird erweitert und erfasst neben Arbeitnehmerinnen auch Mütter in Ausbildung oder Studium. Institutionen und Einrichtungen, die eigentlich keine Arbeitnehmer beschäftigen, aber in Rechtsbeziehungen zu Frauen, die vom Schutzbereich des MuSchG erfasst sind, stehen, werden Arbeitgebern gleichgestellt. Hinsichtlich des Kündigungsverbots ist neu, dass Frauen, die nach der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, gem. § 17 MuSchG ebenfalls dem Kündigungsschutz unterfallen. Auf der anderen Seite wird das strikte Verbot von Nacht- und Mehrarbeit gelockert. Schwangere können künftig selbst entscheiden, ob sie Mehr- oder Nachtarbeit leisten möchten, wenn hierdurch ihre Gesundheit nicht gefährdet wird. Beschäftigungsverbote vor der Entbindung sollen künftig nur noch als ultima ratio angeordnet werden.
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist bereits zum 6. Juli 2017 in Kraft getreten. Ziel ist die Förderung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. Seit Februar 2018 können Beschäftigte Auskunft über die Entgeltstruktur in ihrem Unternehmen verlangen. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich auf Beschäftigte des anderen Geschlechts, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Das EntgTranspG enthält zwar keine Anspruchsgrundlage für die Zahlung eines höheren Entgeltes; hierfür kommt aber ggf. § 15 AGG in Betracht. Gleichstellung von Leiharbeitern mit der Stammbelegschaft. Auch die Anpassungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sollen zu mehr Lohngerechtigkeit führen. Zum 1. Januar 2018 läuft die Übergangsfrist der am 1. April 2017 in Kraft getretenen Reform des AÜG aus. Leiharbeitnehmer, die neun Monate im selben Betrieb eingesetzt sind, können einen Anspruch auf die für Stammarbeiter im Entleiherbetrieb geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts geltend machen. Da Einsatzzeiten vor dem 1. April 2017 bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben, können sich von der Reform betroffene Arbeitgeber erstmalig ab dem 1. Januar 2018 mit dem Anspruch konfrontiert sehen. Stärkung der Teilhabe am Arbeitsmarkt von Menschen mit Behinderung. Zum 1. Januar 2018 tritt die zweite und damit vorletzte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Hierdurch werden insbesondere interne Verwaltungsabläufe bei den Behörden, die für die Eingliederungshilfe von Menschen mit Behinderung verantwortlich sind, reformiert. An den bisherigen Leistungen ändert sich nichts. Eine wesentliche Erleichterung erfahren Antragsteller von Reha- und Teilhabeleistungen, da nunmehr ein einziger Antrag ausreicht, um ein umfangreiches Reha-Verfahren in Gang zu setzen. Der leistende Rechtsträger koordiniert dabei den gesamten Prozess. Eine weitere Neuerung ist die Einführung des sog. „Budget für Arbeit“. Ab 2018 erhalten Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderung einstellen, einen Zuschuss zu den Lohnkosten. Hierdurch sollen Alternativen zur sog. „Werkstatt für Behinderung“ geschaffen werden. Ziel ist es, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben zu fördern und die Einstellungsbereitschaft zu erhöhen. Daneben kommt es zu zahlreichen redaktionellen Umgestaltungen des SGB IX.
Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) sollen insbesondere auch Geringverdiener Zugang zu Betriebsrenten erhalten und vor Altersarmut geschützt werden. Tarifpartner können hierzu künftig durch Tarifvertrag eine betriebliche Altersversorgung (bAV) einführen. Arbeitgeber sind nach der Idee des sog. Sozialpartnermodells lediglich dazu verpflichtet, eine reine Beitragszusage zu treffen. Eine Haftung für ein dauerhaftes Leistungsniveau der bAV besteht hingegen nicht. Überwacht werden soll die neue Betriebsrente von der BaFin. Ferner sollen durch das BRSG die Rahmenbedingungen der bAV verbessert werden. Im Wesentlichen wurde hierzu der steuerfreie Höchstbetrag der kapitalgedeckten bAV auf acht Prozent angehoben und ein verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei der Entgeltumwandlung durch Weitergabe ersparter Sozialversicherungsbeiträge an die Beschäftigen eingeführt. Arbeitgeber können künftig 30 Prozent der Lohnsteuer einsparen, wenn sie mindestens 240 Euro als zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur bAV eines Geringverdieners übernehmen.
Der Koalitionsvertrag sieht zum einen Änderungen im Recht der Befristung von Arbeitsverhältnissen vor. Sachgrundlose Befristungen sollen nach dem Vorhaben der Regierungsparteien nur noch in eng begrenztem Umfang möglich sein. Es ist eine maximale Befristungsdauer von 18 Monaten geplant, die einmalig verlängert werden kann. Es dürfen maximal 2,5 % der Belegschaft - Schwellenwert 75 Mitarbeiter - befristet angestellt sein. Außerdem soll das Recht für Arbeitnehmer, befristet auf Teilzeitarbeit umzusteigen – bei gleichzeitigem Rückkehranspruch auf Vollzeit – etabliert werden. Die Gründung und Wahl von Betriebsräten sollen erleichtert werden, indem das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit 5 bis 100 Arbeitnehmern zwingend anzuwenden ist. In Betrieben mit 101 bis 200 Arbeitnehmer besteht ein Wahlrecht zwischen dem vereinfachten und dem allgemeinen Wahlverfahren. Hinsichtlich der geplanten Änderungen als Reaktion auf die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt, kann dem Koalitionsvertrag keine konkrete Information entnommen werden. Die Koalitionsparteien sind sich aber einig, dass neue Geschäftsmodelle gefördert und gleichzeitig die Tarifbindung gestärkt werden soll. Weitere Reformen des (Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) sollen zunächst ausbleiben, um das Gesetz im Jahr 2020 zu evaluieren. Die Koalition plant außerdem die Anhebung des Eingliederungsbudgets für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen um insgesamt vier Milliarden Euro verteilt auf vier Jahre. Das in diesem Zusammenhang anvisierte Instrument im SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ sieht die Förderung, insbesondere durch Lohnbezuschussung, von bis zu 150.000 Langzeitarbeitslosen vor.
Dr. Sarah Zimmermann |
Der Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lässt den Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung ex nunc entfallen.
BAG, Urteil vom 31. Januar 2018 - 10 AZR 392/17
Der Kläger löste sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch ordentliche Eigenkündigung zum 31. Januar 2016. In dem Arbeitsvertrag der Parteien war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50% der zuletzt bezogenen monatlichen Bezüge vorgesehen. Nachdem die Beklagte die Karenzentschädigung für Februar 2016 nicht gezahlt hatte, forderte der Kläger sie mit E-Mail vom 1. März 2016 unter Fristsetzung bis zum 4. März 2016 zur Zahlung auf und erklärte nach erfolglosem Ablauf der Frist per E-Mail vom 8. März 2016, dass er sich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle. Mit seiner Klage machte er sodann Zahlung der Karenzentschädigung für drei Monate geltend geltend. Er trug vor, seine E-Mail vom 8. März 2016 sei lediglich als „Trotzreaktion“ zu werten, tatsächlich habe er sich nicht von dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lösen wollen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied, dass der Anspruch auf Karenzentschädigung nur für den Zeitraum 1. Februar 2016 bis 8. März 2016 bestehe.
Das BAG schloss sich im Ergebnis der Wertung des Landesarbeitsgerichts an. Da es sich beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot um einen gegenseitigen Vertrag handele, seien die allgemeinen Bestimmungen über den Rücktritt (§§ 323 ff. BGB) anzuwenden. Die Karenzentschädigung sei Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringe eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, könne die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Rücktritt wirke dabei ex nunc, d.h. für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung entfallen die wechselseitigen Pflichten. Die Beklagte habe die vereinbarte Karenzentschädigung nicht gezahlt, der Kläger sei deshalb zum Rücktritt berechtigt gewesen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe mit seiner E-Mail vom 8. März 2016 wirksam den Rücktritt vom Wettbewerbsverbot erklärt, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit stehe ihm für die Zeit ab dem 9. März 2016 keine Karenzentschädigung zu.
Schon in der Vergangenheit war höchstrichterlich anerkannt, dass Karenzentschädigung und Wettbewerbsverbot im synallagmatischen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen, also dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote einen gegenseitigen Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 23. November 2004 - 9 AZR 595/03). Entsprechend kann der Arbeitnehmer vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (Nichtleistung, erfolgloser Fristablauf, Rücktrittserklärung) vorliegen. An der relativ kurzen Frist zur Nacherfüllung von drei Tagen hat sich das Landesarbeitsgericht nicht gestört; es hält insoweit nur fest, dass der Kläger eine „angemessene Frist zur Nacherfüllung“ gesetzt habe. Zur Entscheidung des BAG liegt bislang nur die Pressemitteilung vor; ausgehend vom Ergebnis ist es aber augenscheinlich so, dass das BAG diese Frist auch für angemessen hält. Dies ist bemerkenswert, da die Landesarbeitsgerichte bislang davon ausgegangen sind, dass eine Frist von zwei bis drei Wochen erforderlich ist. Dem Charakter von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten als Dauerschuldverhältnissen wird dadurch Rechnung getragen, dass der Rücktritt seine Wirkung nur „ex nunc“ entfaltet. Insofern eröffnet ein Zahlungsverzug Arbeitnehmern, die sich einem Wettbewerber anschließen wollen, u.U. die Möglichkeit, sich des Wettbewerbsverbots zu entledigen.
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Urlaubsentgelt und Nachtarbeitszuschläge sind nicht auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen. Entgeltfortzahlungsansprüche aufgrund von Feiertagen sind auf Grundlage des Mindestlohns zu berechnen.
BAG, Urteil vom 26. September 2017 – 3 AZR 72/16
Die Klägerin ist seit 1990 als Montagekraft bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist eine Stundenvergütung von 7,00 Euro vereinbart. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag der sächsischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Nach diesem sind Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 25 % des tatsächlichen Stundenverdiensts zu zahlen. Das Urlaubsentgelt berechnet sich nach dem 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten drei Kalendermonate, sofern keine darüber hinausgehende dauerhafte Verdiensterhöhung gegeben ist. Die Beklagte rechnete gegenüber der Klägerin im Januar 2015 das tarifliche Urlaubsentgelt für einen Urlaubstag, die Entgeltfortzahlung für einen gesetzlichen Feiertag sowie die Zuschläge für angefallene Nachtarbeit auf Grundlage des vertraglich vereinbarten Stundenlohns ab; daneben zahlte sie eine „Zulage nach MiLoG“. Die Klägerin ist der Ansicht, die Berechnungen hätten auf Grundlage des seit dem 1. Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von (damals) 8,50 Euro erfolgen müssen. Zudem dürfe das ausgezahlte zusätzliche Urlaubsgeld nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Sie klagte daher einen Differenzbetrag von insgesamt 35,78 Euro ein und hat damit in allen drei Instanzen im Wesentlichen Erfolg.
Das BAG entschied, dass der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch ist, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Er entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde; für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das MiLoG hingegen keine Ansprüche. Daher sind auchnur alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Die Erfüllungswirkung fehlt mithin solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (z.B. Nacharbeitszuschlag gemäß § 6 Abs. 4 ArbZG). Gemessen hieran können Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsgeld nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, da sie keine Gegenleistung für geleistete Arbeit darstellen, sondern pro Urlaubstag gezahlt werden und damit gerade dem Erholungszweck des Urlaubs dienen. Daher begründet das MiLoG auch keine Urlaubsvergütungsansprüche. Nach der vorliegenden tariflichen Regelung ist das Urlaubsentgelt indes seit Januar 2015 nach Maßgabe des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen; zwar galt dieser in den maßgeblichen drei Kalendermonaten zuvor noch nicht, doch stellt der Mindestlohn eine nicht nur vorübergehende Verdiensterhöhung im Sinne des Tarifvertrags dar. Für die Arbeitsstunden, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausgefallen sind, begründet das MiLoG ebenfalls keine unmittelbaren Ansprüche. Die Höhe des insofern bestehenden Entgeltfortzahlungsanspruchs ergibt sich vielmehr aus § 2 Abs. 1 EFZG. Das hiernach maßgebliche Entgeltausfallprinzip verlangt bei der Berechnung gleichwohl eine Berücksichtigung des Mindestlohns. Auch ein Anspruch auf einen bestimmten Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht aus dem MiLoG, wohl aber aus dem vorliegend anwendbaren Tarifvertrag. Da dieser bei der Berechnung den tatsächlichen Stundenverdienst und gerade nicht der Grundlohn zugrunde legt, ist der Mindestlohn gleichwohl maßgeblich.
Die Entscheidung ist in erster Linie für Unternehmen relevant, die Vergütungen in der Nähe des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns zahlen. Wird die Schwelle des Mindestlohns erst durch eine Kombination von Grundgehalt mit weiteren Vergütungsbestandteilen erreicht, stellen sich im Einzelfall detaillierte Rechtsfragen zur Berücksichtigungsfähigkeit der zusätzlichen Bestandteile. Als Faustformel kann herangezogen werden, dass nur Zahlungen, die inhaltlich für die Erbringung der Arbeitsleistung erfolgen, mit dem Grundgehalt zusammen gerechnet werden dürfen. Diese Linie hat das Bundesarbeitsgericht in mehreren jüngeren Urteilen konkretisiert und z.B. auch Prämien für konstante Anwesenheit und pflegliche Behandlung von Arbeitsmitteln als berücksichtigungsfähig angesehen (BAG, Urteil vom 8. November 2017 – 5 AZR 692/116). Des Weiteren ist entschieden, dass Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit ebenfalls auf den Mindestlohn anrechenbar sind (BAG, Urteil vom 24. Mai 2017 – 5 AZR 431/16). Für Nachtarbeitszuschläge trifft dies nach dem vorliegenden Urteil hingegen gerade nicht zu. Insofern klärt die Rechtsprechung nach und nach weitere offene Einzelfragen, die sich durch die Einführung des gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohns ergeben haben, und etabliert hierbei eine stringente Linie, die künftig eine klare Orientierung bietet und damit zur Stärkung der Rechtssicherheit führt.
Dr. Paul Gooren, LL.M. (Chicago) |
In betrieblichen Versorgungssystemen können Altersgrenzen gemäß § 10 AGG vorgesehen werden. Sie müssen einem legitimen Ziel dienen, angemessen und erforderlich sein. Solche Altersgrenzen sind damit grundsätzlich, aber nicht in jedem Fall rechtlich zulässig.
BAG, Urteil vom 26. September 2017 – 3 AZR 72/16
Die Parteien stritten um die Frage, ob bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung der Klägerin auch die Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres zu berücksichtigen sind. Die am 20. Juli 1956 geborene Klägerin trat am 1. August 1971 eine Lehre bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse an. Nach Abschluss der Ausbildung wurde die Klägerin ab dem 19. Juli 1974 in ein Angestelltenverhältnis übernommen. Nach § 22 der Dienstordnung (DO) der Beklagten vom 1. April 2012 gelten für die Versorgung der in den Anwendungsbereich der DO fallenden Arbeitnehmer die Vorschriften für Landesbeamte des Landes NRW entsprechend. Die Klägerin wurde mit Ablauf des 31. Juli 2013 in den Ruhestand versetzt und bezieht seit dem 1. August 2013 ein Ruhegehalt. Das zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand geltende Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) bestimmt in § 6, dass Dienstzeiten vor dem vollendeten 17. Lebensjahr nicht ruhegehaltsfähig sind. Die Klägerin begehrte die Berücksichtigung ihrer vor dem 17. Lebensjahr liegenden Beschäftigungszeiten. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das LAG hatte ihr stattgegeben. Die Entscheidung Das BAG erachtete die Revision der Beklagten als begründet. Bei dem gemäß § 22 DO in Bezug genommenen LBeamtVG handele es sich lediglich um inkorporiertes Satzungsrecht. Es habe daher keine Gesetzesqualität, so dass der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eröffnet sei. Der in dem für die Klägerin geltenden LBeamtVG geregelte Ausschluss der Anrechnung der vor dem vollendeten 17. Lebensjahr liegenden Dienstzeiten verstoße nicht gegen § 7 Abs. 2 AGG. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin annähme, sie würde durch die Regelungen wegen ihres Alters unmittelbar benachteiligt, wäre dies nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist hiernach zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dies sei bei der vorliegenden Altersgrenze der Fall. Ziele, die – um der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen – einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Beteiligten herzustellen versuchten, seien legitim. Hierzu gehöre auch, den unternehmerischen Interessen an einer Kalkulierbarkeit des mit einer betrieblichen Altersversorgung verbundenen wirtschaftlichen Risikos Rechnung zu tragen. Dieses Ziel müsse nicht ausdrücklich genannt sein. Es genüge, wenn sich aus dem Kontext der Regelung das verfolgte Ziel erkennen lasse. Die Altersgrenze, nach welcher Beschäftigungszeiten vor dem vollendeten 17. Lebensjahr nicht ruhegehaltsfähig sind, sei auch angemessen und erforderlich. Die Altersgrenze sei geeignet, eine Risikobegrenzung für den Arbeitgeber zu erreichen. Die Kappung der Beschäftigungszeit vor dem 17. Lebensjahr belaste den Arbeitnehmer – gemessen an der bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze verbleibenden Zeit zum Aufbau einer Altersversorgung – nur unwesentlich. Die Altersgrenze führe auch zu keiner mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Für Arbeitgeber folgt aus der Entscheidung des BAG, dass auch zukünftig die Zulässigkeit von Altersgrenzen an der Regelung des § 10 AGG zu messen und im Einzelfall zu prüfen ist, ob die in einer Versorgungsordnung konkret festgesetzte Altersgrenze nach § 10 Satz 2 AGG zur Erreichung der mit der Altersgrenze verfolgten Ziele auch angemessen und erforderlich ist. Im vorliegenden Fall war dies aufgrund der gewählten Altersgrenze relativ leicht zu beurteilen, dies wird aber sicherlich nicht immer der Fall sein. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hierzu weiterentwickelt. Aus der Richtung des Europarechts droht nach Ansicht des BAG keine Gefahr. Einer Vorlage der Sache beim EuGH bedurfte es nach Auffassung des BAG nicht, da die europarechtliche Rechtslage bereits durch die Entscheidung „Lesar“ (EuGH, 16. Juni 2016 – C-159/15) hinreichend geklärt sei. Das Unionsrecht lässt es zu, dass die Mitgliedsstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger sind, als die Anforderungen der „Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“. Dies ist in Deutschland der Fall. Zwar entspricht § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, nach welchem „die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung (…) und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen“ u.U. zulässig sein kann, auf den ersten Blick Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG. Das BAG arbeitet in seiner Entscheidung allerdings heraus, dass der deutsche Gesetzgeber weitergehende Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters stellen wollte, was sich in § 10 Satz 1 und 2 AGG niedergeschlagen habe. Eine in einer Versorgungsordnung vorgesehene Altersgrenze sei daher nur dann zulässig, wenn sie zum einen objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei und zum anderen die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich seien. Das BAG hatte sich in der vorliegenden Entscheidung nicht damit auseinanderzusetzen, ob eine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung möglicherweise aus der über mehrere Jahre erfolgten Teilzeitarbeit der Klägerin folgt. Diese Frage war aber Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 28. Mai 2013 (3 AZR 266/11). Die dort streitgegenständliche Versorgungsordnung sah u.a. vor, dass das ruhegehaltsfähige Einkommen von Teilzeitbeschäftigten unter Hinzuziehung eines Beschäftigungsquotienten ermittelt wird, welcher sich aus dem Verhältnis der Teilzeit- zu einer Vollzeittätigkeit errechnete. Bei einer Vollzeitbeschäftigung von mindestens 30 Jahren sollte der Beschäftigungsquotient keine Anwendung mehr finden. Das BAG konnte hierin keine Diskriminierung erkennen.
Nadine Ceruti |
Das BAG hat dem EuGH im Wege der Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Leiharbeitnehmer für die Anzahl der in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmer bei der Verpflichtung zur Massenentlassungsanzeige zu berücksichtigen sind.
BAG, Vorlagebeschluss vom 16. November 2017 - 2 AZR 90/17
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist am 24. November2011 von der Beklagten gekündigt worden. Bis zum 23. Dezember 2014 sind durch die Beklagte sodann noch elf weitere Kündigungen ausgesprochen worden. Eine Massenentlassungsanzeige hat die Beklagte nicht vorgenommen. Die Klägerin hält ihre Kündigung gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG aufgrund der nicht erfolgten Massenentlassungsanzeige für unwirksam. Die Beklagte bestreitet eine bestehende Anzeigepflicht. In ihrem Betrieb seien 130 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei hierbei auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigten seien. Die zwölf Kündigungen beträfen damit nicht 10% der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, so dass die Anzeigepflicht des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG nicht ausgelöst worden sei.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage hingegen stattgegeben. Entscheidungserheblich war dabei, ob durch die zwölf ausgesprochenen Kündigungen innerhalb von 30 Tagen, 10 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer entlassen worden sind. Das BAG hat vor dem Hintergrund dieser Frage einen Vorlagebeschluss mit drei Vorlagefragen für das Verfahren vor dem EuGH gefasst. Die erste Vorlagefrage will geklärt wissen, ob für die in § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG geforderte Anzahl an Arbeitnehmern, auf die im Zeitpunkt der Entlassung bei gewöhnlichem Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist. Das BAG ist der Auffassung, dass die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (RL 98/59/EG) dahingehend auszulegen sei. Für die Personalstärke wären dafür sowohl vergangene, als auch zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Danach würde ein befristet angestellter Arbeitnehmer nur dann zählen, wenn dieser einen gewöhnlich vorhandenen Beschäftigungsbedarf abdeckt. Die zweite Vorlagefrage bezieht sich auf die Berücksichtigung von im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmern. Das BAG nimmt eine sog. "gespaltene Berücksichtigung" an: der Leiharbeitnehmer sei bei der Größe des Betriebs, nicht aber bei der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Das BAG begründet dies damit, dass zwischen Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen keine Vertragsbeziehung bestehe, sodass der Leiharbeitnehmer in erster Linie Massenentlassungsschutz durch das Leiharbeitsunternehmen genießen muss. Dennoch sei aus Sicht des BAG nicht ausgeschlossen, die Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen. Weder Wortlaut noch Systematik der RL 98/59/EG stünden dem entgegen. An die zweite Vorlagefrage schließt der BAG die dritte Frage an, unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG berücksichtigt werden können, wenn sie nicht dauerhaft im entleihenden Unternehmen eingesetzt werden. Auch hier stellt das BAG darauf ab, ob ein regelmäßig vorhandener Beschäftigungsbedarf durch den Leiharbeitnehmer abgedeckt wird und damit kennzeichnend für die Personalstärke ist. Danach solle es nicht auf die Dauer der Beschäftigung des Leiharbeitnehmers im eingesetzten Unternehmen ankommen, sondern ob dieser einen Arbeitsplatz besetze, der trotz eines Austauschs, einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf abdeckt. Die Vertretung von Stammpersonal durch Leiharbeitnehmer und auch die nur vorrübergehende Beschäftigung von eigenen Arbeitnehmern, soll für die Bestimmung der Anzahl außer Betracht bleiben.
Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH hinsichtlich der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Massenentlassungsanzeige entscheidet. Unabhängig davon, wie der EuGH letztlich entscheidet, aus Sicht des Arbeitgebers lässt sich kein eindeutiger Vor- oder Nachteil feststellen. Bei einer Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer würden die Schwellenwerte auf 2. und 3. Stufe des § 17 KSchG zum Nachteil der Stammbelegschaft und Vorteil des Arbeitgebers erhöht werden. Auf der anderen Seite könnte die Eingangsstufe zur Auslösung der Anzeigepflicht gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG aus Arbeitnehmersicht schneller erreicht werden. Insgesamt bleibt die Massenentlassungsanzeige für den Arbeitgeber ein Feld mit großen Unsicherheiten. § 17 KSchG ist schon Gegenstand vieler gerichtlicher Entscheidungen bis hoch zum EuGH gewesen. Aus dem reinen Gesetzestext des § 17 KSchG lassen sich die vielen „Fallen“ der Massenentlassungsanzeige nicht mehr entnehmen. Als Arbeitgeber kann man hier schon die Frage aufwerfen, wie anhand des bloßen Gesetzestextes eine wirksame Massenentlassungsanzeige noch möglich sein soll. Es ist dringend erforderlich, dass hier der Gesetzgeber tätig wird und Klarheit hinsichtlich der Voraussetzungen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige schafft. Bis dahin ist es in der Praxis ratsam, eine Massenentlassung stets vorsorglich anzuzeigen. Bei der Berechnung der Schwellenwerte sollten also für die Eingangsschwelle (1. Stufe) die Leiharbeitnehmer wohlwollend mit berücksichtigt werden und für die Bestimmung der Anzahl der Arbeitnehmer auf 2. und 3. Stufe unberücksichtigt bleiben.
Dr. Hilmar Rölz, MLE |
Bei einer von der Konzernobergesellschaft durchgeführten konzernweiten Mitarbeiterbefragung steht dem Betriebsrat einer Tochtergesellschaft kein itbestimmungsrecht zu. Er kann die Tochtergesellschaft nicht verpflichten, Anweisungen hinsichtlich der Durchführung der Befragung gegenüber der Konzernobergesellschaft zu tätigen.
BAG, Beschluss vom 21. November 2017 – 1 ABR 47/16
Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte des örtlichen Betriebsrates bei einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung. Die Konzernobergesellschaft (ein Universitätsklinikum) beabsichtigt, eine konzernweite Mitarbeiterbefragung mittels eines standardisierten Fragebogens durchzuführen. Mit der Durchführung der Befragung soll ein Drittunternehmen beauftragt werden. Die Teilnahme an der Befragung erfolgt freiwillig. Zudem soll die Befragung anonym durchgeführt werden. Das Universitätsklinikum erhält lediglich eine zusammengefasste Auswertung der Fragebögen ohne die Rohdaten. Mit der Befragung sollen unter anderem auch im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements Handlungsbedarfe identifiziert werden. Der bei der Tochtergesellschaft gebildete Betriebsrat beansprucht ein Recht auf Anweisung der Tochtergesellschaft gegenüber der Konzernobergesellschaft, dass die Durchführung und Auswertung der Befragung hinsichtlich der Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft ohne seine Zustimmung zu unterbleiben habe. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei der Mitarbeiterbefragung um eine mitbestimmungspflichtige Gefährdungsbeurteilung bzw. eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes. Zudem handele es sich um einen mitbestimmungspflichtigen Personalfragebogen. Die Vorinstanzen haben den Anträgen des Betriebsrates stattgegeben.
Die Rechtsbeschwerde des Universitätsklinikums hatte Erfolg. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hält das BAG die Anträge des Betriebsrates für unbegründet. Nach Ansicht des BAG hat der örtliche Betriebsrat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Tochtergesellschaft, gegenüber der Konzernobergesellschaft die streitbefangene Anweisung zu tätigen. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen. Bei der vom Betriebsrat erstrebten Verpflichtung handele es sich weder um eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme, noch um einen aus sonstigen Beteiligungsrechten folgenden Anspruch des Betriebsrates. Die vom Betriebsrat verlangte Rechtsfolge, d. h. die Ausübung einer Anweisungsmacht der Tochtergesellschaft gegenüber der Konzernobergesellschaft, stelle keine
Maßnahme des Gesundheitsschutzes und auch keinen Personalfragebogen dar. Zudem sei die Tochtergesellschaft, gegen die der Betriebsrat sein Begehren richte, nicht Träger der Mitarbeiterbefragung. Diese sei vielmehr eine Maßnahme der Konzernobergesellschaft und werde auch nicht von der Tochtergesellschaft auf betrieblicher Ebene umgesetzt. Nach Ansicht des BAG könne die vom Betriebsrat beanspruchte Verpflichtung der Tochtergesellschaft auch nicht auf datenschutzrechtliche Erwägungen gestützt werden, wie dies die Vorinstanz unter Heranziehung des datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgebotes vertreten hat. Eine solche Anweisung könne der Betriebsrat nicht aus eigenem Recht verlangen, da sie aus dem Persönlichkeitsrecht der von der Verwendung personenbezogener Daten betroffenen Arbeitnehmer folge. Das BAG stellt darüber hinaus fest, dass dem Betriebsrat bei der Durchführung der Mitarbeiterbefragung hinsichtlich der Mitarbeiter der Tochtergesellschaft kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Bei der Befragung handele es sich bereits nicht um eine Maßnahme der Tochtergesellschaft. Die Tochtergesellschaft habe gerade keine eigene Entscheidungsbefugnis. Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes setze die Mitbestimmung jedoch auf der Ebene ein, auf der die Entscheidungskompetenz in der betreffenden Angelegenheit liege. Ungeachtet dessen unterfalle die Mitarbeiterbefragung weder der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG noch der nach § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Zwar könne eine Beschäftigtenbefragung als Mittel der Gefährdungsanalyse infrage kommen. Die streitgegenständliche Mitarbeiterbefragung sei jedoch keine Gefährdungsbeurteilung, da sie schon wegen der Freiwilligkeit der Teilnahme und ihrer Anonymität, vor allem aber wegen ihres Konzernbezuges keine hinreichenden Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb der Tochtergesellschaft zulasse. Bei der Befragung handele es sich auch nicht um einen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Personalfragebogen, da die Teilnahme freiwillig ausgestaltete sei und somit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers ausscheide.
Der Beschluss des BAG ist nicht nur für Arbeitgeber in Konzernstrukturen in vielerlei Hinsicht von Relevanz. Der Beschluss zeigt in erster Linie die Grenzen der Mitbestimmung der örtlichen Betriebsräte bei konzernbezogenen Maßnahmen der Konzernobergesellschaft. Er verdeutlicht dabei instruktiv, wann lokalen Betriebsräten bei Maßnahmen der Konzernobergesellschaft kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Das BAG bringt dies auf den Punkt: “Wo […] nicht bestimmt wi rd, ist auch nichts durch den Betriebsrat mitzubestimmen.“ Relevant ist somit auf welcher Ebene im Konzern die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit liegt. Liegt sie – wie im entschiedenen Fall - ausschließlich bei der Konzernobergesellschaft und überlässt diese die konkrete Ausführung auch nicht den konzernangehörigen Unternehmen, so setzt die Mitbestimmung auch auf der Ebene der Konzernleitung ein. In der Praxis ist daher im Hinblick auf die Angrenzung der Mitbestimmungsrechte der jeweiligen Gremien darauf zu achten, dass die Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit innerhalb des Konzerns klar definiert und zugeordnet werden. Die vorliegende Entscheidung macht zudem deutlich, dass in derartigen Fällen die lokalen Betriebsräte keinen rechtlichen Anspruch haben, auf die Maßnahme der Konzernobergesellschaft einzuwirken. Insbesondere können sie – mangels des Bestehens von Beteiligungsrechten - nicht von ihrem Betriebspartner verlangen, die Konzernobergesellschaft zu einem Unterlassen ihrer Maßnahme anzuweisen. Vor dem Hintergrund der im Mai in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung ist noch eine weiterer Punkt von Relevanz: Das BAG stellt klar, dass das Persönlichkeitsrecht der von der Verwendung personenbezogener Daten betroffenen Arbeitnehmer keinen Anspruch des Betriebsrates gegenüber seinem Betriebspartner vermittelt. Die Vorinstanz hatte dies anders gesehen. Schließlich befasst sich die Entscheidung noch mit dem Bestehen von etwaigen Mitbestimmungsrechten bei der Durchführung einer freiwilligen und anonymen Mitarbeiterbefragungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer mitbestimmungspflichtigen Gefährdungsbeurteilung. Angesichts des Umstandes, dass Mitarbeiterbefragungen ein zunehmend wichtigeres Instrument im Personalmanagement werden, dürfte die Entscheidung somit für Arbeitgeber gleich aus mehreren Gründen von Interesse sein.
Achim Braner |
Für unternehmenseinheitliche Lohngerechtigkeit ist nicht der örtliche Betriebsrat,
sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig.
ABAG, Beschluss vom 26. September 2017 – 1 ABR 27/16
Die Arbeitgeberin unterhält ein Verkehrsunternehmen mit insgesamt vier Betrieben. In jedem Betrieb besteht ein örtlicher Betriebsrat. Diese haben einen Gesamtbetriebsrat errichtet. Der Betriebsrat eines der Betriebe verlangte Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten sämtlicher Arbeitnehmer des Unternehmens, um die Einhaltung des unternehmenseinheitlichen Gelichbehandlungsgrundsatzes überprüfen zu können. Die Arbeitgeberin erklärte sich dazu bereit, die Einsichtnahme in die betriebsbezogene Bruttoentgeltliste zu gewähren, nicht aber die Bruttoentgeltliste des gesamten Unternehmens. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben dem Antrag des Betriebsrats statt. Die Entscheidung Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin vor dem BAG hatte Erfolg. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BetrVG von Arbeitnehmern, die nicht dem von ihm repräsentierten Betrieb angehören. Nach § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BetrVG sind dem Betriebsrat jederzeit auf Verlangen, die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehören grundsätzlich auch die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter. Das Einsichtsrecht setzt jedoch voraus, dass es zur Durchführung einer Aufgabe des Betriebsrats erforderlich ist. Vorliegend wollte der Betriebsrat die unternehmenseinheitliche Lohngerechtigkeit überprüfen. Die Aufgabe eines örtlichen Betriebsrats beschränkt sich jedoch auf die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Seine Mitbestimmungs- und Überwachungsrechte sind demnach auf den Betrieb begrenzt. Die überbetriebliche Lohngerechtigkeit betrifft keine innerbetrieblichen Belange mehr, so dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG insoweit dem Gesamtbetriebsrat obliegt. Ebenso besteht kein Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 BetrVG als Teil der Überwachungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Über dieses Recht kann grundsätzlich die Einhaltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes überwacht werden. Dieser Grundsatz verpflichtet sowohl Betriebsrat als auch Arbeitgeber dazu eine betriebsübergreifende Gleichbehandlung zu gewährleisten, wenn eine verteilende Entscheidung nicht auf den einzelnen Betrieb begrenzt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens beziehen. Auch dies liegt in der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Das bloße Ermitteln einer Rechtsgrundlage für mögliche Entgeltklagen einzelner Arbeitnehmer – so hatte der antragstellende Betriebsrat die von ihm begehrte Einsicht begründet – ist nicht Teil der Überwachungsbefugnis des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Das Einsichtsrecht des Betriebsrats in die Bruttoentgeltlisten führt regelmäßig zu Schwierigkeiten zwischen den agierenden Parteien und ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen. Arbeitgeber wollen oftmals nicht, dass die Betriebsräte Zugang zu den Bruttoentgeltlisten haben. Aber auch Arbeitnehmer können ein Interesse daran haben, dass dem Betriebsrat die Einsicht verwehrt wird, handelt es sich doch um sensible Daten. Die vorgenannte Entscheidung des BAG wird es den örtlichen Betriebsräten zukünftig erschweren, Einsicht in die unternehmensbezogenen
Bruttoentgeltlisten zu erhalten, wenn sie den Gesamtbetriebsrat nicht zur Einsichtnahme veranlassen können. Ein Anspruch darauf besteht aus § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG in der Regel nicht. Spannend bleibt deshalb die Frage, wie die überbetriebliche Lohngerechtigkeit eingehalten werden kann, wenn der Gesamtbetriebsrat sich zu einer Überprüfung nicht veranlasst sieht. Denn zumindest der lokale Betriebsrat hat keinen Anspruch auf ein Tätigwerden des Gesamtbetriebsrats. Auch das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) gibt dem Betriebsrat kein Recht auf Einsicht in die unternehmensweiten Bruttoentgeltlisten. Zwar räumt § 13 Abs. 3 Satz 1 EntgTranspG dem Betriebsausschuss das Recht auf Einsicht in die Bruttoentgeltlisten ein. Dieses Recht besteht jedoch nur in Betrieben ab 201 Arbeitnehmern, da erst ab dieser Größe ein Betriebsausschuss zu bilden ist, und nur hinsichtlich der Entgeltlisten der Arbeitnehmer des Betriebs, dessen Betriebsrat den Betriebsausschuss gebildet hat. Selbst wenn der Gesamtbetriebsrat tätig werden sollte, ist zu erwarten, dass die Beurteilung, ob einem bestimmten örtlichen Betriebsrat Einsicht zu gewähren ist, weiterhin negativ ausfallen wird. Hierfür spielt auch die EU-Datenschutzgrundverordnung eine Rolle, die zum 25. Mai 2018 in Kraft tritt. Da mit dem Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung der Vorrang des BetrVG vor dem Datenschutzrecht entfallen wird, dürften Auskunftspflichten über personenbezogene Arbeitnehmerdaten in Zukunft enger auszulegen sein. Besteht keine Rechtfertigung für die Datenverarbeitung, ist diese rechtswidrig und vom Arbeitgeber nicht vorzunehmen. Bislang war die Rechtsprechung in dieser Hinsicht großzügig und hat dem aus § 80 BetrVG folgenden Informationsinteresse des Betriebsrats überwiegend Vorrang eingeräumt. Zukünftig ist zu empfehlen, vertieft zu prüfen, ob Arbeitnehmerdaten herauszugeben sind oder ob dem die neue Rechtslage entgegen gehalten werden kann.
Martina Ziffels |
BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16
Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der Kläger ist als Werbeentwickler bei der Beklagten tätig. Die Beklagte informierte den Kläger über die Installation einer neuen Software auf seinem Dienst-PC, mit der regelmäßig Screenshots angefertigt und alle Tastatureingaben protokolliert werden („Keylogger“). Die Beklagte bat um Mitteilung durch den Kläger, falls dieser mit der Überwachung nicht einverstanden sei. Eine solche Mitteilung unterblieb. Die Auswertung der Daten ergab, dass der Kläger den Dienst-PC teilweise für private Zwecke genutzt hat. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Die vor dem BAG eingereichte Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Kündigung ist nach Ansicht des BAG unwirksam. Die Datenverarbeitung mittels „Keylogger“ greift massiv in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. In die Datenverarbeitung hat der Kläger auch nicht eingewilligt, indem er nicht widersprochen hat. Eine zulässige Datenerhebung gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG liegt ebenfalls nicht vor. Danach kann der Arbeitgeber Daten erheben, wenn dies für die Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist, wenn ein begründeter Verdacht einer Pflichtverletzung besteht (Satz 1) oder wenn konkrete Tatsachen einen Anfangsverdacht einer Straftat begründen (Satz 2). Dies war hier nicht gegeben. Die Datenerhebung der Beklagten konnte nicht verwertet
werden.
LAG Hessen, Urteil vom 23. August 2017 – 6 Sa 137 /17
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war bei der Beklagten seit 1990 beschäftigt. 2015 und 2016 wurden dem Kläger mehrere Abmahnungen aufgrund mehrfacher Beleidigungen von Abteilungsleitern und Drohungen gegenüber Mitarbeitern erteilt. Daraufhin wurde ein Personalgespräch geführt. Der Kläger nahm dieses Gespräch heimlich mit seinem Smartphone auf, wovon die Beklagte Kenntnis erlangte. Es folgte die außerordentliche Kündigung unter Anhörung des Betriebsrates mit sofortiger Wirkung, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten. Gegen die Kündigung erhob der Kläger Klage beim Arbeitsgericht. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung und auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Durch den Mitschnitt hat der Kläger eine ihm als Arbeitnehmer obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme berechtigter Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet wird das Recht auf Wahrung der Unbefangenheit des Wortes. Die Verletzung dieses Rechts stellt einen wichtigen Grund nach § 626 BGB dar. Auch die Unwissenheit des Klägers über das Verbot eines solchen Mitschnitts kann ihn nicht entlasten, da er sich vorher hätte kundig machen müssen. Die lange Betriebszugehörigkeit wurde in der Interessenabwägung berücksichtigt. Diese Abwägung fiel jedoch auch in anbetracht der vorherigen Vorfälle zugunsten der Beklagten aus.
LAG Köln, Urteil vom 13. Oktober 2017 – 4 Sa 109/17
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und Weiterbeschäftigung. Die Beklagte bietet bundesweit an mehreren Standorten mit etwa 200 Mitarbeitern Dienstleistungen für Messe- und Marktauftritte an. Der Kläger ist Leiter der
Schreinerei. Er leitet ein Team von 20 Mitarbeitern. Aus Kosten- und Effizienzgründen und einer schlechten Auftragsentwicklung sollten im Bereich der Schreinerei Stellen abgebaut und die Leitungsebene herausgenommen werden. Der Kläger bestreitet, dass die Auftragszahlen rückläufig sind. Nach Ansicht der Beklagten habe sich die Komplexität der Leitung im Bereich Schreinerei.
deutlich reduziert, sodass die Leitung von einem Betriebsleiter übernommen werden sollte. Die Beklagte kündigte dem Kläger ordentlich. Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits verurteilt. Das LAG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die ordentliche Kündigung ist nach Ansicht des LAG sozial nicht gerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt, weder durch außerbetriebliche noch innerbetriebliche Gründe. Den behaupteten Umsatz- und Auftragsrückgang muss die Beklagte darlegen und beweisen, um die Kündigung wegen außerbetrieblicher Gründe rechtfertigen zu können. Innerbetriebliche Gründe für eine Kündigung,
die sich aus einer organisatorischen Maßnahme wie dem Wegfall einer Hierarchieebene ergeben können, sind gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, dass ihre unternehmerische Entscheidung, die Hierarchieebene der Leitung der Schreinerei abzubauen, organisatorisch durchführbar und zeitlich nachhaltig ist.
LAG Köln, Urteil vom 18. Mai 2017 – 7 Sa 913/16
Die Parteien streiten um eine Entschädigungsforderung wegen Diskriminierung des Klägers in seiner Eigenschaft als Mann. Die Beklagte unterhält eine Werkstatt und ein Autohaus. Sie beschäftigt ausschließlich männliche Mitarbeiter. Anfang 2015 schaltet die Beklagte eine Stellenanzeige, in der sie ausdrücklich eine Verkäuferin sucht („Frauen an die Macht!“). Der Kläger, ausgebildeter Automobilkaufmann, bewirbt sich auf die Stelle und erhält von der Beklagten eine Absage. Eingestellt wurde eine Frau, die sich vor dem Kläger beworben hatte, ebenfalls eine abgeschlossene Ausbildung zur Automobilkauffrau hat und im Gegensatz zum Kläger in der Automobilbranche durchgehend beschäftigt war. Der Kläger macht daraufhin einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG geltend, da bei seiner Bewerbung wegen seines männlichen Geschlechts diskriminiert worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar liegt nach Ansicht des LAG eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seines männlichen Geschlechts vor. Diese Benachteiligung ist jedoch nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Die Beklagte verfolgte mit der ausdrücklichen Suche nach einer Verkäuferin den unternehmerischen Zweck, den Kunden beim Autokauf Verkäufer und Verkäuferinnen anzubieten, um damit bessere Verkaufsergebnisse zu erzielen. Nach Ansicht des Gerichts liegt es als Erfahrungstatsache auf der Hand, dass Kunden eines größeren Autohauses zu einem nicht unbedeutenden Teil weiblich sind. Auch kann nach Ansicht des LAG unterstellt werden, dass vom Empfängerhorizont eines Teils der Kundschaft das Geschlecht des Verkaufsberaters für das Gelingen der Kommunikation im Verkaufsgespräch eine nicht unwichtige Rolle spielt. Insbesondere bei einem Autokauf, der als „Vertrauenssache“ gelte, komme der Persönlichkeit des Verkäufers eine gesteigerte Bedeutung zu. Die Eigenart der Persönlichkeit eines Menschen werde durch sein Geschlecht mitgeprägt.