06.09.2018

IP / IT Ausgabe 6 / 2018

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Neuer Medienstaatsvertrag soll Rundfunkstaatsvertrag ersetzen und ausdrücklich Social-Media-Plattformen erfassen

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Die Bundesländer planen den Rundfunkstaatsvertrag zu überarbeiten und zu einem zeitgemäßen Medienstaatsvertrag umzugestalten. Die Novellierung soll vor allem der fortschreitenden Digitalisierung und damit einhergehenden Medienkonvergenz Rechnung tragen, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen den einzelnen Mediengattungen wesentlich erschwert. Den neuen Kern des Medienstaatsvertrages sollen in erster Linie eine technologieneutrale Medienregulierung, eine erweiterte Plattformregulierung und eine Regulierung von Medienintermediären bilden.

Hintergrund des Rundfunkstaatsvertrages

Der Rundfunkstaatsvertrag als Staatsvertrag zwischen den einzelnen Bundesländern reguliert den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk in Deutschland. Dieses duale Rundfunksystem dient vor allem der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Um dieses Ziel zu erfüllen, muss der Rundfunk frei und unabhängig sein. Insofern enthält der Rundfunkstaatsvertrag grundlegende Regelungen zur Unabhängigkeit und Sicherung der Meinungsvielfalt des Rundfunks sowie allgemeine Vorschriften zur Werberegulierung und zum Jugendschutz. Daneben stehen Vorschriften zur Medienaufsicht und Finanzierung, insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Hilfe des Rundfunkbeitrags.

Wen betrifft der neue Medienstaatsvertrag?

Relevant werden die neuen Regelungen des Medienstaatsvertrages vor allem für Unternehmen und Personen, die in irgendeiner Form an der Verbreitung von meinungsrelevanten journalistisch-redaktionellen Angeboten beteiligt sind. Hierzu zählen zukünftig nicht mehr nur reine Bewegtbild-Angebote und damit die klassischen Fernsehsender, sondern auch alle Unternehmen, die mit ihren Inhalten den öffentlichen Meinungsbildungsprozess potentiell beeinflussen können. Besonders ins Blickfeld geraten dabei auch die Plattformbetreiber und Intermediäre, da sie als sogenannte Gatekeeper einen großen Einfluss auf die Auffindbarkeit von Inhalten und damit indirekt auf die Meinungsbildungder Öffentlichkeit haben.

Welche (neuen) Anforderungen werden gestellt?

Der aktuelle Diskussionsentwurf des Medienstaatsvertrages, der im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens (http://www.rundfunkkommission.rlp.de) von der federführenden Landesregierung Rheinland Pfalz veröffentlicht wurde, enthält insbesondere zu den Bereichen des Rundfunkbegriffs, der Plattformregulierung und den Intermediären erste Formulierungsvorschläge. Ziel des neuen Gesetzes soll es unter anderem sein, das bisherige rundfunkrechtliche Zulassungsregime zu flexibilisieren und zu liberalisieren.

1. Rundfunkbegriff

Der Rundfunkbegriff soll nur geringfügig angepasst werden. Nach wie vor erfasst er ausschließlich journalistisch-redaktionelle Angebote, die nun allerdings als wesentlicher Bestandteil der Definition des Rundfunks aufgenommen werden sollen (§ 2 Abs. 1 MStV-E). Ebenso wird die Definition des Rundfunks auch zukünftig nicht technikneutral ausgestaltet sein, sondern weiterhin auf das Kriterium der „Linearität“ setzen, da auch die kommende Reform der AVMD-Richtlinie (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, RL 2010/13/EU) an dieser Unterscheidung zwischen linearen und non-linearen Angeboten festhält. Insofern werden die audiovisuellen Mediendienste auf Abruf nicht von dem neuen Begriffsverständnis erfasst, weshalb es auch zukünftig zwangsläufig bei der abgestuften Regulierung der Mediengattungen bleibt.

Die bisher in § 2 Abs. 3 RStV existierenden negativen Tatbestandsmerkmale des Rundfunks sollen durch eine Bagatell-Regelung (vgl. § 20b MStV-E) abgelöst werden. Von diesem sog. Bagatellrundfunk, für den es grundsätzlich keiner Zulassung bedarf, sollen solche Angebote erfasst sein, die bspw. nur eine geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung haben, indem sie etwa monatlich nur eine geringe Anzahl an Zuschauern erreichen. Hierzu sollen zukünftig auch ausdrücklich die von Twitch oder YouTube bekannten „Let’s Play“ Livestreams gehören, deren Zulassungspflicht in der jüngeren Vergangenheit für viel Kritik gesorgt hatte.

2. Plattformregulierung

Die bestehende Plattformregulierung soll im Wesentlichen beibehalten, allerdings neu strukturiert und auf weitere Plattformen und Benutzeroberflächen, z.B. auf Endgeräten wie Smart-TVs, ausgeweitet werden. Ziel der Plattformregulierung ist es verlässliche und faire Rahmenbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen und eine Medienvielfalt herzustellen bzw. zu bewahren. Die Plattformanbieter als Gatekeeper der Inhalte haben, insbesondere im Wege von Algorithmen, unmittelbaren Einfluss auf den Zugang zu Informationen und die Auffindbarkeit von Inhalten. Der Medienstaatsvertragsentwurf sieht ein zweistufiges Regulierungsmodell vor, das vor allem den Zugang zu Inhalten mit besonderer Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung sicherstellen soll. Das soll vornehmlich durch ein allgemeines Diskriminierungsverbot und das Gebot der Chancengleichheit geschehen. Darüber hinaus sollen weitere Maßnahmen wie Veränderungsverbote („Signalintegrität“), Transparenzvorgaben (§ 52 f MStV-E) und Aufsichtsregelungen die Einhaltung dieser Vorgaben gewährleisten.

3. Medienintermediäre

Neu sind die vorgeschlagenen Vorschriften für Intermediäre. Diese verfolgen zwar grundsätzlich dieselben Ziele wie die der Plattformregulierung, gehen in vielen Bereichen allerdings deutlich weiter und beschränken sich nicht nur auf audiovisuelle Angebote. Dementsprechend werden von der Definition der Medienintermediäre nach § 2 Nr. 13 b MStV-E nicht nur klassische Videoportale wie YouTube, sondern auch ausdrücklich Plattformen wie Suchmaschinen, Social-Media-Plattformen und Blogging-Portale, erfasst. Die Regelungen enthalten sehr weitgehende Transparenzvorgaben (§ 53 d MStV-E) und Diskriminierungsverbote (§ 53 e MStV-E). Ferner enthält § 53 d Abs. 4 MStV-E eine spezielle Kennzeichnungspflicht für mittels eines Computerprogramms automatisiert erstellte Inhalte durch bspw. Social Bots.

Unser Kommentar

Auch wenn es sich zunächst um einen Gesetzesentwurf handelt und die Vorgaben sich im Rahmen der Umsetzung der novellierten AVMD-Richtlinie noch deutlich ändern könnten, ist betroffenen Unternehmen anzuraten, die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit des Beteiligungsverfahren zu nutzen und eigene Ideen und Anregungen, die ggf. die eigenen Interessen widerspiegeln, in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Gerade für Plattformanbieter wird es zukünftig, neben dem Medienstaatsvertrag, eine Reihe weiterer gesetzlicher Vorschriften geben, die große Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Anbieter haben können. Hierzu zählen allen voran die Transparenzverordnung (Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten), EU-Urheberrechtsrichtlinie (Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt) sowie der für September angekündigte Entwurf einer EU- Verordnung zur Filterpflicht von rechtswidrigen und insbesondere terroristischen Inhalten. Unternehmen die entweder selbst Plattformen im Internet anbieten oder diese nutzen, um eigene Inhalte zu verbreiten, sollten sich frühzeitig mit den neuen Vorgaben beschäftigen, um so eventuelle Compliance-Verstöße oder Haftungsrisiken zu vermeiden.

OLG Köln: Fotografieren nach der DSGVO – KUG gilt weiter

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Die journalistische Veröffentlichung von Lichtbildern erkennbarer natürlicher Personen richtet sich nach den Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes (KUG), welche die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verdrängen. Die Öffnungsklausel in Artikel 85 DSGVO, die abweichende Regelungen im Hinblick auf Verarbeitungen personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken erlaubt, findet insoweit Anwendung. Abseits journalistischer Veröffentlichungen ist die Konkurrenz zwischen DSGVO und KUG weiterhin offen.

  • „„Beschluss vom 18. Juni 2018 - Az.: 15 W 27/18

Hintergrund

Der Antragsteller des dem Beschluss zugrunde liegenden Verfahrens wehrte sich gegen die Veröffentlichung eines Fernsehbeitrags über die Räumung, Sperrung und Bewachung eines Gebäudes, in welchem er erkennbar dargestellt wurde. Das angerufene Landgericht Köln wies den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers zurück; die Rechtsverteidigung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung böte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner bestehe nicht. Bei den Aufnahmen handele es sich um Bildnisse der Zeitgeschichte, deren Nutzung auch nach Anwendbarkeit der DSGVO gemäß § 23 Nr. 1 KUG erlaubt sei. Der Antragsteller verfolgte sein Begehren im Wege der sofortigen Beschwerde vor dem OLG Köln weiter.

Die Entscheidung

Das Beschwerdegericht hat nun die Bewertung der Vorinstanz bestätigt, nach der die Veröffentlichung der Aufnahmen auf Grundlage von §§ 22, 23 KUG gerechtfertigt war. Der Antragsteller könne sich nicht auf die strengeren Anforderungen der DSGVO berufen, die keine entsprechende Ausnahme vorsieht. Artikel 85 DSGVO erlaube – wie schon die durch die Verordnung abgelöste Datenschutzrichtlinie – nationalen Gesetzen, zugunsten journalistischer Zwecke von den Regelungen der DSGVO abzuweichen. Davon erfasst seien auch bereits bestehende Regelungen wie das KUG. Artikel 85 Absatz 2 DSGVO stelle auf die Erforderlichkeit zur Herbeiführung der praktischen Konkordanz zwischen Datenschutz einerseits und Äußerungs- und Kommunikationsfreiheit andererseits ab. Da Datenschutzregelungen als Vorfeldschutz letztlich immer die journalistische Arbeit beeinträchtigten, seien keine strengen Maßstäbe anzulegen.

Unser Kommentar

Es bleibt umstritten, welche Anforderungen nach der DSGVO an die Verarbeitung von Fotoaufnahmen erkennbarer natürlicher Personen zu stellen sind. Solche Fotoaufnahmen berühren zum einen das dem KUG zugrunde liegende Recht am eigenen Bild, welches Ausfluss des Persönlichkeitsrechts ist. Ferner stellt jede Anfertigung, Bearbeitung und Veröffentlichung betreffender Aufnahmen auch eine Verarbeitung darin enthaltener personenbezogener Daten (jedenfalls das äußere Erscheinungsbild der abgebildeten Person) dar, die den Anforderungen der DSGVO unterliegt. Besonders strenge Anforderungen können sich ergeben, soweit Fotoaufnahmen sog. besondere Kategorien personenbezogener Daten (bspw. betreffend die Gesundheit/die ethnische Herkunft der abgebildeten Person) enthalten; welche Anforderungen im Hinblick auf Fotoaufnahmen an das Vorliegen besonderer Kategorien personenbezogener Daten zu stellen sind, ist indes ebenfalls noch umstritten.

Vor dem Hintergrund der sich überschneidenden Anwendungsbereiche der beiden Gesetze ist unklar, welche der teilweise voneinander abweichenden Anforderungen Fotografen, Journalisten und andere Fotonutzer und -Verwerter bei der Anfertigung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Aufnahmen zu beachten haben. Die Entscheidung des OLG bringt nur begrenzt Licht in das beschriebene Dunkel. Lediglich für den Bereich der Veröffentlichung von Fotoaufnahmen zu journalistischen Zwecken stellt der Beschluss klar, dass das KUG in seinem Anwendungsbereich die Vorschriften der DSGVO als speziellere Norm verdrängt. Das KUG regelt indes lediglich die Veröffentlichung, nicht aber bereits die Erstellung und/oder Bearbeitung der Aufnahmen zu journalistischen Zwecken. Ob hierfür die Vorschriften der DSGVO maßgeblich sind, bleibt offen. Es liegt nach unserer Einschätzung nahe, auch die im Verhältnis zu der Veröffentlichung datenschutzrechtlich weniger intensiven Eingriffsformen der Erstellung und Bearbeitung den Regelungen des KUG zu unterstellen. Ferner lässt die Entscheidung des OLG Köln keine Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen KUG und DSGVO abseits journalistischer Tätigkeiten (bspw. Werbefotos) zu.

Die Datenschutzbehörden werden Fotonutzern im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen früher oder später konkrete Vorgaben für den rechtssicheren datenschutzrechtlichen Umgang mit Lichtbildern an die Hand geben müssen. Betroffene Fotonutzer sollten die weitere Entwicklung genau verfolgen und in jedem Einzelfall die zu erfüllenden Anforderungen genau prüfen, um unnötige Risiken zu vermeiden.

OLG Dresden: Facebook darf Hass-Kommentare auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze löschen

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Eine Klausel in den Nutzungsbedingungen, nach welcher die sog. „Hassrede“ auf Facebook untersagt wird, ist auch dann nicht AGB-rechtlich unzulässig, wenn hierdurch Meinungsäußerungen unterhalb der Schmähkritik und außerhalb des Anwendungsbereichs des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes („NetzDG“) verboten werden können.

  • Beschluss vom 8. August 2018 - Az.: 4 W 577/18

Hintergrund

Hintergrund der Entscheidung ist der Kommentar eines Nutzers, welcher von Facebook unter Hinweis auf die Nutzungsbedingungen gelöscht wurde. Zudem wurde der Nutzer zeitweise von Facebook wegen dieses Kommentars gesperrt. Die Nutzungsbedingungen von Facebook enthalten eine eigene Erläuterung dessen, was Facebook als Hassrede versteht und Facebook zum Anlasse einer Löschung bzw. Sperrung nehmen kann. Die Nutzungsbedingungen enthalten dabei die nachfolgende Regelung:

,,Wir lassen Hassrede auf F… grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.

Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein. Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt. Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden.

Der Nutzer verfasste über seinen Account den nachstehenden Kommentar „Nach den bisher gemachten Erfahrungen mit den Islam, der eine mehr andere weniger, ist wohl sehr klar zu erkennen, dass diese Menschenrasse nicht zur Europäischen Kultur passen“, welchen Facebook als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen einstufte und löschte. Zudem wurde das Nutzerkonto auf die Funktion Read-only für die Dauer von 30 Tagen beschränkt. Gegen die Löschung seines Kommentars und die zeitweise Beschränkung seines Accounts ging der Nutzer im Wege der einstweiligen Verfügung vor. Mit Beschluss vom 15. Mai 2018 lehnte das Landgericht Görlitz den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab und wies den Antrag zurück. Hiergegen richtete sich der Nutzer mit seiner sofortigen Beschwerde. Das OLG wies die sofortige Beschwerde als unbegründet zurück.

Die Entscheidung

Das OLG Dresden hat festgestellt, dass dem Nutzer kein Anspruch auf Wiederherstellung seines Kommentars zustehe. Die betreffende Regelung sei nicht nach § 306 BGB unwirksam, insbesondere stelle sie keine nach § 305c BGB überraschende Klausel dar. Ob eine Klausel ungewöhnlich im Sinne von § 305c BGB ist, beurteile sich nach den Gesamtumständen des Vertrages, insbesondere danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweiche. Eine solche Abweichung sei hier allerdings nicht ersichtlich, denn der abstrakt generelle Ausschluss bestimmter Inhalte durch Community Richtlinien sozialer Netzwerke sei als Ausübung der von Art. 2, 12, 14 GG geschützten Freiheiten der Anbieter ohne weiteres zulässig, und zwar gerade auch dann, wenn bestimmte Inhalte verboten werden sollen, die nach der Rechtsordnung legal seien.

NetzDG nicht alleiniger Maßstab

Dass § 3 NetzDG die Anbieter eines sozialen Netzwerkes nur zur Entfernung offensichtlich rechtswidriger Inhalte i.S.d. in § 1 Abs. 2 NetzDG aufgeführten Straftatbestände verpflichte, stehe nach den Feststellungen des OLG Dresden strengeren Verhaltensregeln der Anbieter nicht entgegen. Es sei nicht Ziel dieses Gesetzes, auf den Plattformen der sozialen Netzwerke begangene Ordnungswidrigkeiten oder bloße unerlaubte Handlungen zu erfassen. Vielmehr machten der Begriff und die abschließende Aufzählung der einschlägigen Straftatbestände deutlich, dass die Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten in sozialen Netzwerken geregelt werden sollten. Erfasst würden also ausschließlich Handlungen, die den Tatbestand eines oder mehrerer der in Absatz 3 genannten Strafgesetze erfüllen und rechtswidrig, aber nicht notwendigerweise schuldhaft begangen würden. Das Gesetz gebe daher nur Mindestanforderungen für ein Einschreiten der Anbieter vor, überlasse diesen aber darüber hinaus die Befugnis, durch eigene Standards zulässiges und unzulässiges Verhalten selbst zu regeln.

Abwägung zwischen virtuellem Hausrecht und
Meinungsfreiheit

Bei seiner Entscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen auch die Meinungsfreiheit des Nutzers Berücksichtigung finden muss. Hieraus lasse sich aber nicht folgern, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegenüber den Grundrechten der Anbieter nicht schlechthin vorrangig sei.

Auf Seiten der Anbieter sei namentlich deren „virtuelles“ Hausrecht zu berücksichtigen. Es finde seine Grundlage zum einen im Eigentumsrecht des Anbieters, sofern dieser das Eigentum an der Hardware hat, auf der die Beiträge der Nutzer gespeichert werden. Gem. §§ 903 S. 1 Alt. 2, 1004 BGB könne daher der Betreiber jeden anderen von der Nutzung der Hardware durch das Speichern von Inhalten auf dieser abhalten. Habe der Betreiber die Hardware nur gemietet, so könne er aufgrund des Besitzes und seines Rechtes zum Besitz andere von jeder Einwirkung ausschließen. Zum anderen finde sich die Grundlage eines virtuellen Hausrechts auch darin, dass der Anbieter der Gefahr ausgesetzt sei, als Intermediär für Beiträge anderer zu haften und etwa auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Dem Betreiber müsse daher das Recht zustehen, Beiträge zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Darüber hinaus sei auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Anbieters betroffen, auf die sich auch Facebook als juristische Person berufen  könne. Grundsätzlich gehöre es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen wolle. Ebenso wenig wie eine Zeitung verpflichtet wäre, alle ihr eingesandten Leserbriefe abzudrucken, sei Facebook daher verpflichtet, die Nutzungsbedingungen für seine

Unser Kommentar

Die Entscheidung erging im einstweiligen Verfügungsverfahren, sodass hiergegen kein weiteres Rechtsmittel zulässig ist. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshof darüber, ob Internetportale Meinungsäußerungen, die gegen die eigenen Nutzungsbedingungen verstoßen, jedoch die Schwelle zur Strafbarkeit nicht überschreiten, löschen dürfen, erscheint wegen der derzeit unterschiedlichen Entscheidungspraxis der Instanzgerichte erforderlich. So hatte erst kürzlich das Landgericht Frankfurt am Main (Beschl. v. 14. Mai 2018 – 2 03 O 182/18) genau in die gegenteilige Richtung entschieden, als das OLG Dresden und eine erfolgte Löschung eines Kommentars und die Sperrung des betroffenen Nutzers wieder gerichtlich aufgehoben.

Neuer Mindeststandard bei der Mitnutzung von externen Cloud-Diensten

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Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) veröffentlicht  Mindeststandard zur Mitnutzung externer Cloud-Dienste, um ein Mindestmaß an Informationssicherheit zu gewährleisten.

Hintergrund der Regelungen

Cloud-Dienste werden nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der Bundesverwaltung eingesetzt. Für Daten mit Schutzbedarf ist beim Einsatz von Cloud-Diensten die Informationssicherheit von Bedeutung. Das BSI hat daher Mindeststandards veröffentlicht, die das IT-Sicherheitsniveau in der Bundesverwaltung erhöhen sollen, wenn externe Cloud-Dienste (mit)benutzt werden.

Wen betrifft der Mindeststandard des BSI zur Mitnutzung von externen Cloud-Diensten?

Der Mindeststandard betrifft grundsätzlich die Bundesverwaltung. Die im Mindeststandard enthaltenen Anforderungen können allerdings auch Unternehmen als Leitfaden und/oder Richtlinie für die eigene Inanspruchnahme von Cloud-Angeboten dienen. Der Mindeststandard grenzt zunächst zwischen Nutzung und Mitnutzung von externen Cloud-Diensten ab. Beauftragt eine Behörde einen externen Cloud-Dienst selbst, wird von einer Nutzung ausgegangen, wobei zwischen der Behörde und dem Cloud-Anbieter ein Vertragsverhältnis entsteht. Nimmt hingegen ein oder mehrere IT-Anwender einer Behörde einen externen Cloud-Dienst in Anspruch, ohne dass ein Vertragsverhältnis zwischen mitnutzender Behörde und Cloud-Anbieter besteht, wird von einer Mitnutzung ausgegangen. In diesem Fall ist der Mindeststandard des BSI zur Mitnutzung von externen Cloud-Diensten einzuhalten. Insbesondere bei einer institutionsübergreifenden Zusammenarbeit wird die Form der Mitnutzung von externen Cloud-Diensten häufig gewählt.

Welche (neuen) Anforderungen werden gestellt?

Ziel des Mindeststandards ist es, dass die mitnutzende Behörde abhängig vom Schutzbedarf der zu verarbeitenden Daten anhand der nun festgelegten Bewertungskriterien bewusste Entscheidungen für oder gegen eine Mitnutzung des externen Cloud-Dienstes trifft. Das BSI gibt im Mindeststandard zur Mitnutzung externer Cloud-Dienste zunächst vor, dass zusätzlich zur Schutzbedarfsfeststellung aus dem IT-Grundschutz eine vorgelagerte Datenkategorisierung und Risikoanalyse von der mitnutzenden Behörde durchzuführen ist. In der durchzuführenden Risikoanalyse und Datenkategorisierung sind neben dem Schutzbedarf, Geheim- und Datenschutzaspekte sowie Personen- und Dienstgeheimnisse zu ermitteln. Darüber hinaus werden für die Bewertung im Rahmen des Informationssicherheitsmanagements Informationen über den Cloud-Anbieter und externen Cloud-Dienst benötigt. Da die mitnutzende Behörde nicht selbst Vertragspartei ist, muss unter anderem geklärt werden, wer mit dem externen Cloud-Anbieter einen Vertrag abgeschlossen hat, sowie Informationen zum Vertrag und zur Sicherheitskonzeption der Cloud-Nutzung bezogen werden. Beispielsweise sind Informationen zum anwendbaren Recht, zum Gerichtsstand, zu etwaigen Offenbarungspflichten und Ermittlungsbefugnissen, zur Nutzung und Weitergabe von Daten an Dritte, zu Datenlokationen, zur Verfügbarkeit der Daten, zur Verschlüsselung der Datenübertragung und der Daten, zu Kündigungsfristen sowie zur Datenrückgabe und Datenlöschung einzuholen und zu bewerten. Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass der externe Cloud-Dienst mitbenutzt werden kann, sind weitere Sicherheitsanforderungen zu beachten. So werden unter anderem Mindestanforderungen an Kennwörter gestellt und Vorgaben zum Umgang mit Benutzernamen und Kennwörtern gemacht.

Unser Kommentar

Es ist unerlässlich, bestimmte Sicherheitsanforderungen bei der Inanspruchnahme von Cloud- Diensten einzuhalten. Der nun veröffentlichte Mindeststandard zur Mitnutzung externer Cloud- Dienste führt dazu, dass im Vorfeld zu einer Mitbenutzung getroffene Entscheidungen transparent und nachvollziehbar werden und somit ein gewisses Sicherheitsniveau erreicht wird. Mit dem Mindeststandard wird allerdings nur ein Mindestmaß an Informationssicherheit erreicht. Abhängig von der Anwendung ist der Mindeststandard sicherlich durch zusätzliche Anforderungen zu erweitern.

BGH: Verstöße gegen Gemeinschaftsmarken weiterhin strafbar

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Die heimliche Einfuhr von Waren unter einem durch Tarnaufkleber verdeckten Kennzeichen fällt unter den markenrechtlichen Benutzungsbegriff und kann daher eine Verletzung von Gemeinschaftsmarken, mit ggf. auch strafrechtlicher Relevanz, darstellen. Dies gilt trotz der Tatsache, dass die anzuwendende strafrechtliche Norm des § 143a  Abs.1 MarkenG statt auf die derzeit gültige Verordnung auf eine nicht mehr existente  Vorgängernorm verweist.

  • Beschluss vom 23. Januar 2018, Az.: StR 554/17

Hintergrund

Der Angeklagte führte Marken-Kleidung, die in der Türkei – und somit außerhalb der Europäischen Union – hergestellt bzw. erworben wurde, ohne Erlaubnis der Unionsmarkeninhaber über Polen und/oder Großbritannien nach Deutschland ein. Die Schriftzüge und Labels der verschiedenen Markenhersteller waren dabei mit Tarnaufklebern der Bezeichnung „Mio Calvino“ überklebt.

Von Interesse ist der Sachverhalt und die darauf beruhende Entscheidung insbesondere deshalb, da der Wortlaut des § 143 a MarkenG im Rahmen des Inkrafttretens der VO (EU) Nr. 2015/2424 vom 16. Dezember 2015 nicht angepasst worden ist. Obwohl die Verordnung die in § 143 a Abs. 1 zitierte VO (EG) Nr. 207/2009 (Gemeinschaftsmarkenverordnung) abänderte, blieb § 143a MarkenG unverändert und verweist weiterhin starr auf Art. 9 Abs. 1 S. 2 der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Damit läuft die Regelung, die zwischenzeitlich in Art. 9 Abs.2 Unionsmarkenverordnung überführt worden ist, leer.

Die Entscheidung

Der BGH bejahte dennoch eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 143a Abs. 1 Nr. 1 MarkenG. Dem Gericht zufolge genüge das absolut wirkende Verbot der Benutzung einer Gemeinschafts- bzw. Unionsmarke, da durch die explizite Nennung der Voraussetzungen (i) handeln trotz eines Verbots und (ii) ohne Zustimmung des Markeninhabers, kein Ausspruch eines gesonderten Verbots erforderlich sei. Die Norm des § 143a Abs. 1 MarkenG verstoße in seiner jetzigen Fassung – trotz der leerlaufenden Verweisung – auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), da die Norm auch ohne Verweisung voll ausformuliert sei und sämtliche Tatbestandvoraussetzungen nenne. Zur Bestimmung des strafbaren Verhaltens bedürfe es somit keines Rückgriffs auf die in Bezug genommene Norm.

Schließlich enthalte Art 9 Abs. 2 der Unionsmarkenverordnung dieselben Rechte und Verbote wie die in § 143a MarkenG zitierte Vorgängerverordnung, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine andere Beurteilung als bisher gerechtfertigt ist.

Dem BGH zufolge, sei das Landgericht Berlin bei seiner Beurteilung auch zu Recht von einer Benutzung eines mit einer Unionsmarke identischen Zeichens ausgegangen. Unter den Benutzungsbegriff falle unter anderem auch die Einfuhr von Waren „unter dem Zeichen“. Unter Berücksichtigung des markenfunktionalen Benutzungsbegriffs ist auch das heimliche „Einschmuggeln“ von Markenware, mit verdeckten Kennzeichen, hiervon erfasst. Der Markeninhaber erhalte den Schutz seiner spezifischen markenrechtlichen Interessen um sicherzustellen, dass die Marke ihre Funktion erfüllen kann. Unabhängig davon, ob der Täter eine Ware heimlich oder offen importiert, sei die Einfuhr geeignet,  die Herkunftsfunktion der Marke zu beeinträchtigen. Da die im Ausland erfolgte Kennzeichnung von Waren infolge des Territorialitätsprinzips nicht vom Verbietungsrecht des Markeninhabers erfasst werde, soll bereits der Eintritt der mit dem Zeichen versehenen Waren in den Geltungsbereich der markenrechtlichen Normen als inländische Verletzungshandlung verfolgbar sein. Einfuhr „unter dem Zeichen“ sei demzufolge der Import widerrechtlich gekennzeichneter Ware.

Unser Kommentar

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass markenrechtliche Verletzungen von Unionsmarken neben zivilrechtlichen auch nach wie vor – ohne dass es gesetzgeberischer Korrekturen bedarf – strafrechtlich geahndet werden und die Täter entsprechend bestraft werden können. Dies ist insbesondere für die Markeninhaber eine bedeutende Nachricht, da das vom Gesetzgeber intendierte Schutzniveau somit keine ungewollte Lücke enthält. Gleichwohl sollte der Gesetzgeber bei nächster Gelegenheit die Verweisung anpassen. Unabhängig von dem Bild, dass der  Gesetzgeber durch leerlaufende Verweisungen in Normen, dazu noch in besonders sensiblen Strafnormen hinterlässt, sollte auch berücksichtigt werden, dass durch den Grundrechtsbezug nicht zwingend der BGH, sondern das Bundesverfassungsgericht das „letzte Wort“ haben könnte –
wenngleich es unseres Erachtens angesichts der genannten nachvollziehbaren Gründe des BGH an einer Grundrechtsverletzung mangelt.

Veranstaltungen und Veröffentlichungen

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  • Eine Übersicht mit unseren Veranstaltungen finden Sie hier: Veranstaltungen