30.01.2015

Kartell- und EU-Recht Q1/2015

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Unabhängiges Marktverhalten als Milderungsgrund in Kartellverfahren?

Auch wenn zum Teil behauptet wird, dass Kartelle im Durchschnitt einen Kartell-Mehrerlös von ca. 20 % erbrächten, sind viele Kartelle letztendlich wirtschaftlich nicht erfolgreich. In vielen Ermittlungsverfahren der Kartellbehörden hört man als Berater immer wieder die Erklärung: „Wir haben zwar Verabredungen getroffen, aber niemand hat sich daran gehalten“. Es ist anerkannt, dass der Misserfolg einer Kartellvereinbarung kein Grund zur Bußgeldbefreiung ist, insbesondere weil bereits die Verabredung, und nicht erst die Wirkung eines Kartells bußgeldbewehrt ist.

Auch wenn zum Teil behauptet wird, dass Kartelle im Durchschnitt einen Kartell-Mehrerlös von ca. 20 % erbrächten, sind viele Kartelle letztendlich wirtschaftlich nicht erfolgreich. In vielen Ermittlungsverfahren der Kartellbehörden hört man als Berater immer wieder die Erklärung: „Wir haben zwar Verabredungen getroffen, aber niemand hat sich daran gehalten“. Es ist anerkannt, dass der Misserfolg einer Kartellvereinbarung kein Grund zur Bußgeldbefreiung ist, insbesondere weil bereits die Verabredung, und nicht erst die Wirkung eines Kartells bußgeldbewehrt ist.

EuG-Entscheidung vom 14. Mai 2014

Im Verfahren Reagens/Kommission (EuG, Urteil vom 14. Mai 2014, T-30/10) hat nun ein Kartellbeteiligter vorgetragen, dass er während der gesamten Dauer des Kartells ein vom Kartell unabhängiges, wettbewerbsorientiertes Marktverhalten praktiziert habe. In seiner Klage vor dem EuG rügte er, dass die Kommission dies nicht als Milderungsgrund berücksichtigt habe. Die Kommission verteidigte dies damit, dass die bloße Behauptung eines unabhängigen Verhaltens nicht ausreichen würde, um einen mildernden Umstand nach Tz. 29 der Bußgeldleitlinien 2006 anzunehmen. Danach wird als mildernder Umstand akzeptiert, wenn die Kartellbeteiligung eines Unternehmens sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der kartellrechtswidrigen Vereinbarungen in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat. Den hierfür erforderlichen Nachweis hatte das Unternehmen aus der Sicht der Kommission nicht erbracht.

Das EuG hat den Beschwerdepunkt des Klägers zurückgewiesen. Es verweist zunächst auf die Feststellung der Kommission, wonach ein Kartell eine gemeinsame Unternehmung ist, in welcher jeder Teilnehmer eine eigene besondere Rolle spielt und deshalb interne Konflikte oder Rivalitäten oder sogar das „Betrügen des Kartells“ der Annahme einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung nicht entgegensteht. Sodann weist das EuG darauf hin, dass bei nachgewiesener Teilnahme an einem Kartell das bloße Abweichen vom besprochenen Kartellverhalten keine Milderung begründet. Das Gericht führt aus, dass auch ein solches unabhängiges Verhalten eines Kartellteilnehmers schlichtweg den Versuch darstellt, das Kartell bestmöglich für eigene Zwecke auszunutzen. Es wäre sonst für Unternehmen viel zu einfach, das Risiko einer Bebußung zu reduzieren, wenn sie zunächst von der Kartellabsprache profitieren und im anschließenden Ermittlungsverfahren eine Bußgeldreduzierung erreichen könnten und zwar mit dem Argument, dass sie nur eine untergeordnete Rolle in der Umsetzung der Absprache gespielt haben.

Das EuG kommt daher zu folgender Schlussfolgerung: Ein Unternehmen, welches an Kartelltreffen teilgenommen hat, kann eine Bußgeldminderung nur dann beanspruchen, wenn es nicht nur eine unabhängige Marktpolitik verfolgt, sondern sich klar und deutlich von den Kartellabsprachen distanziert hat. An der letzten Voraussetzung hat es im vorliegenden Fall des EuG gefehlt, so dass es die Klage insofern zurückgewiesen hat. Wie das Postulat der Rechtsprechung in der Praxis umzusetzen ist, bleibt etwas im Unklaren. Eine ältere Rechtsprechung konkretisiert das Postulat wie folgt: „Zu diesem Zweck muss dieses Unternehmen zumindest nachweisen, dass es sich den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde.“ (EuG, Urteil vom 12. Dezember 2012, T-400/09 – Ecka Granulate).

Praktische Konsequenzen

In der Praxis ist davon auszugehen, dass der von der Rechtsprechung geforderte Nachweis in den allermeisten Fällen nicht gelingen wird. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die aus einem Kartell aussteigen wollen, diesen Schritt nicht nur mit Mentalvorbehalt gehen dürfen, sondern vollständig von einer Teilnahme an Kartelltreffen Abstand nehmen müssen. Ein solcher Schritt will in der Praxis jedoch überlegt sein. Das regelmäßige Fehlen eines bisherigen Kartell-Teilnehmers wird bei den anderen Kartell-Teilnehmern den Verdacht aufkeimen lassen, dass dieser Teilnehmer sich nicht nur aus dem Kartell zurückzieht, sondern möglicherweise alsbald einen Kronzeugenantrag stellen wird. In dieser Situation ist es dann nicht ausgeschlossen, dass auch andere Kartell-Teilnehmer sich den bußgeldbefreienden Weg zur Kartellbehörde überlegen. Wer also aus einem Kartell aussteigen will, muss rasch und entschlossen handeln.

Kartellrechtlicher Double-Dip

Um in das Dilemma eines späteren Ausstiegs gar nicht erst zu kommen, sollten Unternehmen bereits in der Phase der Gründung eines Kartells ausdrücklich von einer Beteiligung Abstand nehmen. Die Nicht-Teilnahme an einem Kartell kann durchaus Vorteile haben: Sollten Wettbewerber tatsächlich eine Kartellabsprache treffen und infolgedessen das allgemeine Preisniveau auf dem Markt steigen, dürfte hiervon im Regelfall auch das nicht am Kartell beteiligte Unternehmen profitieren – so jedenfalls nach der Theorie des „Umbrella Pricing“ (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014, C-557/12 – Kone). Das nicht am Kartell beteiligte Unternehmen kann damit ohne eigenes Zutun zum nicht bußgeldgefährdeten „Trittbrettfahrer“ eines Kartells werden. Besonders interessant ist dies auch deshalb, weil eventuelle Schadensersatzansprüche von Kartellgeschädigten nicht den „Trittbrettfahrer“, sondern die Kartell-Teilnehmer treffen. Das ist dann kartellrechtlicher Double-Dip: Vom Kartell profitieren und kein Bußgeld riskieren!

 

Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Stuttgart
Telefon +49 711 9338 12893
thomas.kapp@luther-lawfirm.com

 

Funke darf nicht alle Programmzeitschriften von Springer erwerben – Keine Austauschbarkeit mit digitalen Medien, kein „Vendor Loan“ an Dritten

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BKartA B6-98/13, Entscheidung vom 25. April 2014

Die Funke Medien Gruppe GmbH & Co. KGaA (Funke) durfte von der Axel Springer SE (Springer) zwar die Programmzeitschriften Hörzu und TV Digital erwerben, musste aber einige der zum ursprünglichen Paket gehörenden Zeitschriften (BILD Woche, Funk Uhr, TV Neu) sowie mehrere eigene Zeitschriften an einen Dritten abgeben, um die Fusionskontrollgenehmigung des Bundeskartellamts zu erhalten. Für die Verlagswirtschaft insgesamt enttäuschend ist die Feststellung, Programmzeitschriften seien nicht mit digitalen Medien austauschbar, gehörten also nicht demselben Markt an. Grundsätzlich von Interesse sind die Bedenken des Bundeskartellamts gegen ein „Vendor Loan“ an den Dritten.

Funke (früher WAZ-Mediengruppe) verlegt regionale Tageszeitungen in mehreren Bundesländern, Publikumszeitschriften, insbesondere Programmzeitschriften wie Gong, Bild + Funk, TVdirekt, und Frauenzeitschriften, ist überdies an Radio- und Fernsehsendern sowie an Online-Medien beteiligt. Springer ist als Verleger von Zeitungen (Bild, Welt) und Zeitschriften (Auto-Bild, Sport-Bild, Computer-Bild, Hörzu) bekannt, hat sich aber in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einem Digital-Unternehmen gewandelt mit maßgeblichen Beteiligungen an Radio- und Fernsehsendern sowie zahlreichen Online-Medien. Teil dieser Strategie war auch die Veräußerung der Programmzeitschriften, die zunächst als Teil einer einzigen großen Transaktion angemeldet wurde: Frauenzeitschriften, regionale Anzeigenblätter und Programmzeitschriften sollten von Springer an Funke übergehen; außerdem wollten beide Verlage bei Werbevermarktung und Pressevertrieb über ein Gemeinschaftsunternehmen kooperieren. Das Paket wurde dann aber in vier Teile aufgespalten. Den ersten Teil (Übertragung des Hamburger Abendblatts, der Berliner Morgenpost sowie der BILD der Frau) gab das Bundeskartellamt Ende 2013 ohne Einwände innerhalb der Monatsfrist frei. Der zweite Teil – die Übertragung der Programmzeitschriften – weckte beim Bundeskartellamt Bedenken, die die Parteien durch Veräußerungszusagen beseitigten.

I. Lesermarkt und Anzeigenmarkt für Programmzeitschriften

Wie in der Presse-Fusionskontrolle üblich unterschied das Bundeskartellamt zwischen Lesermarkt und Anzeigenmarkt. Sachlich relevant war zum einen der Lesermarkt für entgeltliche Programmzeitschriften. Andere Zeitschriften, auch kostenlose Beilagen von Tageszeitungen und Magazinen (rtv, Prisma) und Wurfsendungen (Einkauf aktuell) gehören nach Ansicht des Amtes nicht zu diesem Markt. Programmzeitschriften verfügen neben dem für einen bestimmten Zeitraum nach Sendern geordneten Fernsehprogramm über redaktionelle Beiträge (Filmzusammenfassungen, Kommentare, Hintergrundwissen, Programmempfehlungen) und einen Mantel mit Service und Unterhaltung. Digitale Medien waren – nach „erneut intensiven Ermittlungen“, so das Amt – nicht einzubeziehen. Elektronische Programmführer (EPG) der Fernsehgeräte, Internetanwendungen und Apps seien nicht mit Programmzeitschriften austauschbar, sie würden komplementär genutzt, wenn man schnell und tagesaktuell Informationen über das Fernsehprogramm erhalten wolle. Außerdem würden die Internetanwendungen ganz überwiegend von denselben Verlagen betrieben, die die Programmzeitschriften herausgeben, sodass sich selbst bei einer Einbeziehung der digitalen Medien an der Markteinschätzung nichts ändere: es bestehe ein Oligopol aus Bauer (Marktanteil 40 bis 45 %), Springer (30 bis 35 %), Funke (10 bis 15 %) und Burda (5 bis10 %).

Auf dem Anzeigenmarkt für Programmzeitschriften seien die Verhältnisse genauso. Für die Anzeigenkunden lägen die Besonderheiten von Programmzeitschriften in der großen Reichweite und der breiten Zielgruppe. Nur wenige Werbekunden würden zu anderen Mediengattungen (Online- oder Fernsehwerbung) oder zu Publikumszeitschriften wechseln wollen. Digitale Medien seien auch hier nicht einzubeziehen. Das Amt definierte den Markt, wie so viele Medienmärkte, also sehr eng. Die Anbieter auf diesem Markt und ihre Anteile waren dieselben wie auf dem Lesermarkt.

II. Verstärkung des Oligopols

Mit der Transaktion hätte Springer alle seine Programmzeitschriften auf Funke übertragen. Die Anzahl der Anbieter von Programmzeitschriften hätte sich von vier auf drei verringert, der gemeinsame Anteil von Funke und Bauer auf dem Lesermarkt und auf dem Anzeigenmarkt wäre damit auf über 90 % gewachsen. Dies sei, so das Amt, umso bedenklicher als zwischen den Oligopolmitgliedern kein wesentlicher Wettbewerb bestehe. Auch fehle Außenwettbewerb, weil es keine Wettbewerber gebe, zumindest keiner auf den Markt dränge. Die Marktstrukturen seien so verfestigt, dass mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Oligopol-Mitglieder zu rechnen sei. Außerdem bestehe zwischen ihnen eine enge Reaktionsverbundenheit wegen der hohen Markttransparenz und fehlender Anreize für Wettbewerbsverstöße. Der Preiswettbewerb funktioniere nicht: Trotz sinkender Marktvolumina hätten sich die Preise parallel erhöht. Marktzutrittsschranken seien relativ hoch. Verschärft werde die Situation dadurch, dass dieselben Verlage den Markt für die Internetanwendungen („benachbarte Plattformen“) besetzten. Auf dem Lesermarkt bestehe zudem kein wesentlicher Wettbewerb bei den Inhalten.

III. Veräußerung an Klambt nur mit Übernahme des unternehmerischen Risikos

Um dennoch eine Genehmigung des Bundeskartellamts zu erhalten, machten die Parteien Veräußerungszusagen. Mehrere Programmzeitschriften aus dem Springer-Portfolio und einige von Funke (die zwei, Super TV, TV 4 Wochen, TV 4 X 7 und TV piccolino plus) gingen an einen Dritten außerhalb des Oligopols.

Dieser Dritter war die Mediengruppe Klambt GmbH & Co. KG (Klambt). Es ging dabei nicht nur darum, den hinzuerworbenen Marktanteil von Funke zu verkleinern, sondern ein Marktpotenzial in der Hand eines unabhängigen Dritten zu erhalten. Deshalb musste Klambt mit den zu veräußernden Titeln eine hinreichende, auf beiden Märkten wettbewerbsfähige Marktposition erlangen und dauerhaft sowie unterbrechungsfrei in der Lage sein, die redaktionellen Anforderungen an Programmzeitschriften zu erfüllen sowie die Vermarktbarkeit von Anzeigen sicherzustellen. Zudem musste die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit, Markt- und Wettbewerbsfähigkeit und der Fortbestand des mit dem Titelportfolio erworbenen wettbewerblichen Potentials hinreichend abgesichert sein.

Klambt verlegte bis zu dem Zeitpunkt keine Programmzeitschriften, aber Frauenzeitschriften. Da größtenteils Frauen Programmzeitschriften lesen, passten die Programmzeitschriften gut in das bestehende Verlagsprogramm; redaktionelle Inhalte können von den Frauenzeitschriften auf Programmzeitschriften übertragen werden. Mit dem Erwerb der Springer- und Funke-Programmzeitschriften erhielt Klambt auf dem Lesermarkt einen Marktanteil von 8 bis 10 % und auf dem Anzeigenmarkt von 5 bis 10 %.

Zunächst hatte das Bundeskartellamt allerdings Zweifel, ob Klambt geeignet sei, die Marktposition dauerhaft und hinreichend nachhaltig zu besetzen. Denn das Finanzierungskonzept sah ein „Vendor Loan“ vor. Mit anderen Worten: das Amt befürchtete, dass Klambt finanziell nicht unabhängig sein würde. Die Finanzierung wurde daher so geändert, dass Klambt durch seinen „finanziellen Einsatz ein hinreichendes wirtschaftliches und unternehmerisches Risiko [übernimmt], das die Grundlage für eine dauerhafte und eigenständige Wettbewerbstätigkeit bildet“.

Nach dieser Änderung genehmigte das Bundeskartellamt die Übernahme der Springer-Programmzeitschriften durch Funke.

Siehe auch die Luther-Studien „Medienkartellrecht in Deutschland 2011/2012“ sowie „Zeitungsfusionen in Deutschland 2009/2010“

 

Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Brüssel/Düsseldorf
Telefon +32 2 62 77763/+49 211 5660 18763
helmut.janssen@luther-lawfirm.com

 

Dr. Patricia Rogosch
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Brüssel
Telefon +32 2 627 77 67
patricia.rogosch@luther-lawfirm.com

 

 

Paradigmenwechsel im Gasmarkt – Neue Marktabgrenzungspraxis des Bundeskartellamts

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Das Bundeskartellamt hat seine Marktabgrenzung bei Erdgas an die aktuelle Marktentwicklung angepasst und damit seine jahrzehntelange Praxis aufgegeben (Beschluss vom 23. Oktober 2014 im Fusionskontrollverfahren EWE/VNG, B 8-69/14). Sowohl in sachlicher als auch in räumlicher Hinsicht nimmt die Behörde nun vielfach deutlich weitere Gasliefermärkte an.

Einheitliche Gasgroßhandelsstufe

In der Vergangenheit hatte das Bundeskartellamt stets unterschieden zwischen einem Markt für die Lieferung von Gas durch überregionale Ferngasgesellschaften an große Weiterverteiler (z. B. regionale Ferngasunternehmen) sowie (auf einer nachfolgenden Stufe) einem Markt für die Lieferung von Gas durch die vorgenannten großen Weiterverteiler an regionale und lokale Weiterverteiler. Diese Differenzierung wurde nun ausdrücklich aufgegeben. Das Bundeskartellamt geht jetzt anstatt von zwei Weiterverteilermärkten von einem einheitlichen Gasgroßhandelsmarkt aus. Dieser wird zudem in räumlicher Hinsicht als deutschlandweit eingestuft, während die Behörde in der Vergangenheit die beiden Weiterverteilermärkte stets nach Netzgebieten abgegrenzt hat.

Neue Differenzierungen auf Endkundenebene

Auf der Letztverbraucherstufe werden zukünftig drei sachlich relevante Märkte unterschieden: die Belieferung von leistungsgemessenen Letztverbrauchern (insbesondere Industriekunden), die Belieferung von Standardlastprofilkunden auf der Grundlage von Sonderverträgen sowie schließlich (neu) die Belieferung von Haushaltskunden in der Grundversorgung mit Erdgas. Bei den beiden erstgenannten Märkten nimmt das Bundeskartellamt deutschlandweite Märkte an, nur in der Grundversorgung werden verschiedene netzbezogene Märkte zugrunde gelegt.

Geringere Marktanteile aufgrund weiterer Märkte

Vor diesem Hintergrund haben auf den nun deutschland­weiten Gasliefermärkten zahlreiche Gasversorger nur noch geringe Marktanteile. Wer beispielsweise bei der Belieferung von Industriekunden einen regionalen Schwerpunkt und damit im betreffenden Netzgebiet bislang einen Marktanteil möglicherweise weiter oberhalb der Einzelmarktbeherrschungsvermutung von 40 % hatte, weist auf einem deutschlandweiten Markt jetzt einen Marktanteil im vermutlich allenfalls niedrigen einstelligen Prozentbereich auf.

In einer solchen Situation rücken eine marktbeherrschende Stellung (§ 18 GWB) und damit die Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchs- und Diskriminierungsverbote für marktbeherrschende (§§ 19, 29 GWB) und für marktstarke Unternehmen (§ 20 GWB) in weite Ferne. Fusionen und sonstige Zusammenschlüsse werden ebenfalls wesentlich erleichtert, wenn nach ihrem Vollzug die neue Einheit keinen nennenswerten Marktanteil mehr erreicht. Gleiches gilt für Kooperationen (beim Einkauf, bei der Vermarktung, etc.), denn unterhalb eines gemeinsamen Marktanteils der beteiligten Unternehmen von 10 % sehen die Kartellbehörden regelmäßig keine wettbewerblichen Probleme.

Lediglich Gasgrundversorger sind vor dem Hintergrund der neuen Praxis stets als Monopolisten bei der Grundversorgung von Haushaltskunden anzusehen. Hier kann es bereits aus rechtlichen Gründen keine Wettbewerber geben. Für ein möglicherweise missbräuchliches oder diskriminierendes Verhalten ist dabei aufgrund der detaillierten Vorgaben der Grundversorgungsverordnung aber ohnehin kein Raum.

Größere Handlungsspielräume für Unternehmen

Das Bundeskartellamt hat mit der neuen Marktabgrenzung eine bereits seit einiger Zeit überfällige und daher erwartete Modernisierung seiner Praxis vorgenommen. Die Behörde hat damit anerkannt, dass sich die Markt- und Machtverhältnisse in der Gaswirtschaft und damit wirtschaftliche Realität grundlegend geändert haben. Aus kartellrechtlicher Sicht dürften dadurch die Handlungsspielräume der Gasversorger in der Zukunft größer werden.

 

Franz-Rudolf Groß, LL.M. (London)
Counsel
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18722
franz-rudolf.gross@luther-lawfirm.com

 

Dr. Martin A. Steger
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 25033
martin.steger@luther-lawfirm.com

 

 

Speakers Corner: „Uber Taxi“ aus kartellrechtlicher Sicht

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Der Herbst 2014 hat die deutsche Verkehrslandschaft in Bewegung gebracht. Die Deutsche Bahn wurde in einem bisher nicht vorstellbaren Umfang bestreikt, die Fernbusunternehmen werden zu einem ernstzunehmenden Fernverkehrsanbieter und der Fahrdienst-Vermittler Uber hat die überkommene deutsche Taxilandschaft herausgefordert. Die Taxibranche sieht ihr Geschäft durch Uber in Gefahr, weil über die Smartphone-App Beförderungsleistungen angeboten werden, die in vielen Fällen günstiger sind als eine Taxifahrt. Aus Sicht der Taxifahrer betreibt Uber allerdings einen unzulässigen Billigwettbewerb, weil die rechtlichen Vorschriften zur Personenbeförderung in Deutschland nicht eingehalten werden. Die hauptsächlichen Kritikpunkte an Uber: Die Uber-Fahrer besäßen keine Genehmigung zur Personenbeförderung und ihre Fahrzeuge seien nicht entsprechend versichert. Uber sieht demgegenüber diese Vorschriften in Deutschland als nicht mehr zeitgemäß an. Über die regulierungsrechtliche Zulässigkeit der von Uber angebotenen Fahrdienste wird derzeit vor Gericht gestritten.

Das Thema „Uber Taxi“ wird auch außerhalb anhängiger Rechtsverfahren kontrovers diskutiert. Das Bundeswirtschaftsministerium hat verlauten lassen: „Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht halten wir generell eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung bestehender Regelungen an die Anforderung der digitalen Welt und den veränderten Modalitätsbedürfnissen der Verbraucherin und Verbraucher für erforderlich.“ Auch im Verbraucherschutzministerium ist man der Meinung, mehr Wettbewerb könne zu „mehr Angeboten, höherer Qualität und besseren Preisen“ führen. Lediglich das Verkehrsministerium hält an den bisherigen Vorschriften fest. In die Diskussion über Uber hat sich mittlerweile auch das Bundeskartellamt eingeschaltet. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sagte der „Rheinischen Post“: „Uber hat Bewegung in den Markt gebracht, mehr Wettbewerb kann dem Taxigeschäft nicht schaden“. Auch Mundt hält es für angebracht, „eine liberalere Ausgestaltung der bisherigen Regulierung zu diskutieren“.

Aus kartellrechtlicher Perspektive ist zunächst zu konstatieren, dass das deutsche Taxigewerbe ein staatlich lizenziertes Kartell ist. Unter den nach den Regeln des Personenförderungsgesetzes tätigen Taxifahrern gibt es keinen Preiswettbewerb. Der Tarif wird vielmehr vom Staat vorgegeben. Auch wenn nach kartellrechtlichen Vorschriften jede Förderung eines privaten Kartells unzulässig ist, ist die staatliche Preisfestsetzung als solche bisher über die Regeln des Kartellrechts erhaben. Dies gilt auch für das EU-Recht. Insofern kann mit den bestehenden Instrumenten des geltenden Kartellrechts in den Konflikt zwischen dem Geschäftsmodell von Uber und dem klassischen Taxigewerbe nicht eingegriffen werden. Dennoch stellt sich ordnungspolitisch die Frage, ob nicht eine Revision des Personenbeförderungsgesetzes unter den Auspizien einer modernen Wettbewerbspolitik angebracht ist. Dies umso mehr, als in den letzten Jahren Liberalisierungen in vielen Verkehrsbereichen (Bahn, Bus etc.) vorgenommen wurden. Insbesondere gilt es – ähnlich wie in den Fällen Microsoft, Google, Apple – zu verhindern, dass digital orientierte Unternehmen ohne demokratische Legitimation ihre eigenen Rechtsregeln schaffen. Insofern ist Uber ein weiteres Beispiel dafür, wie die Digitalisierung der Welt auf globaler Ebene bestehende (rechtliche und faktische) Systeme herausfordert. Das ordnungsliberale Gedankengut erfährt damit eine unerwartete Renaissance: Der Gesetzgeber muss einen Ordnungsrahmen für innerhalb dieses Rahmens freie Wettbewerbsprozesse schaffen. Der Fall Uber sollte daher Anlass für den Gesetzgeber sein, über einen modernen Ordnungsrahmen im Taxigewerbe nachzudenken und entsprechende Änderungen zu vollziehen. Diesen Regeln muss sich dann auch ein Unternehmen wie Uber unterwerfen.

Für uns stellen sich darauf folgende Fragen:

  1. Wie schätzen Sie die Aktivitäten von Uber grundsätzlich ein?
  2. Sehen Sie einen Anpassungsbedarf bei den geltenden Regeln des Personenbeförderungsgesetzes?
  3. Falls Sie Frage 2 mit ja beantwortet haben: Welche Änderungen schlagen Sie vor?

Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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thomas.kapp@luther-lawfirm.com

 

Karin Hummel, M.A.
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Nachrichten in Kürze

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Margrethe Vestager ist neue Kommissarin für Wettbewerb in der Juncker-Kommission

Margrethe Vestager ist seit 1. November 2014 neue EU-Kommissarin für Wettbewerb. Sie löst im Ressort Wettbewerb den bisherigen Kommissar Joaquín Almunia ab. Als Wettbewerbskommissarin wird Frau Vestager auch an Projekten beteiligt sein, die durch die Vizepräsidenten der Kommission für „Arbeitsplätze, Wachstum, Investition und Wettbewerbsfähigkeit“, „Digitaler Binnenmarkt“ sowie „Energie und Klimaschutz“ koordiniert werden. Auf ihre eigene Agenda hat sie sich unter anderem die weitere Modernisierung des EU-Beihilfenrechts, die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen als „Rückgrat unserer Wirtschaft“ sowie die aufmerksame Überwachung des Finanzsektors und der dortigen Regelungen über staatliche Beihilfen gesetzt. Frau Vestager gehört der dänischen linksliberalen Partei RV an, deren Geschicke sie bereits über mehrere Jahre als Vorsitzende und Fraktionsvorsitzende mitbestimmte. Zuvor bekleidete Frau Vestager in der Regierung Dänemarks verschiedene Ämter. Sie war etwa als Bildungs- und Kirchenministerin tätig. In den Jahren 2011 bis 2014 leitete sie das Wirtschafts- und Innenministerium. In Deutschland wird die Personalie Vestager wohlwollend aufgenommen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, merkte auf der Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht e.V. am 4. Dezember 2014 in Bonn an: „Was sie sagt und wie sie es sagt, ist durchaus in unserem Sinne und im Sinne des Wettbewerbs.“

EU-Richtlinie für Schadensersatz bei Kartellrechtsverstößen verabschiedet

Am 26. November 2014 hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, die Schadensersatzrichtlinie (vgl. Newsletter Q3/2014) unterzeichnet. Zuvor hatte bereits der Rat der Europäischen Union am 10. November 2014 den Gesetzgebungsakt beschlossen. Die Richtlinie ist am 5. Dezember 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden (ABl. L 349 v. 5. Dezember 2014, 1) und trat 20 Tage hiernach in Kraft. Nunmehr haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Schadensersatzregelungen im nationalen Recht zu implementieren. Die Richtlinie soll im Rahmen einer europäischen Harmonisierung Opfern von Kartellrechtsverstößen einen wirksamen Anspruch auf Schadensersatz auf nationaler Ebene durch Beseitigung von bestehenden Verfahrenshindernissen bei der Klagedurchsetzung ermöglichen. Im deutschen Recht sind Änderungen insbesondere im Zivilprozessrecht im Hinblick auf die Offenlegungspflichten von Beweismitteln sowie die Privilegierung kleiner und mittlerer Unternehmen und Kronzeugen im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung zu erwarten. Auch die Kommission wird aufgrund der Richtlinie Anpassungen vornehmen. Sie hat hierzu bereits eine (bis zum 25. März andauernde) öffentliche Konsultation zur Verordnung Nr. 773/2004/EG über die Durchführung von Kartellverfahren sowie weiterer Kommissionsmitteilungen eingeleitet.

Vorschlag für die Erhöhung der Richterzahl beim Gericht der Europäischen Union

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) sieht sich Klagen mehrerer Unternehmen ausgesetzt, die Schadensersatz wegen einer überlangen Verfahrensdauer fordern. Die Unternehmen machen eine Verletzung ihres Rechts auf Entscheidung in einem angemessenen Zeitrahmen geltend. Bei den Klagen geht es insgesamt um nahezu 20 Millionen Euro, wie im Oktober des Jahres 2014 bekannt wurde. Die Richter des Gerichts haben wiederholt wegen der notorischen Überlastung zusätzliche Kapazitäten nachgefragt. Ein nunmehr vorgelegter Vorschlag für eine Verdopplung der bisherigen Richterzahl von 28 würde allerdings zu Kosten in Höhe von 22,9 Millionen Euro führen. Das Papier sieht vor, die Erhöhung auf 56 Richter in drei Stufen bis zum Jahr 2019 durchzuführen. Am 11. Dezember stimmten Vertreter der Mitgliedsstaaten dem Vorschlag grundsätzlich zu, wollen aber weniger Hilfspersonal als gefordert genehmigen.

Umgehen einer E-Mail-Sperre kostet durchsuchtes Unternehmen 2,5 Millionen Euro

Am 26. November 2014 hat das EuG in der Rechtssache T-272/12 den Beschluss der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2012 bestätigt, dem tschechischen Energiekonzern EPH ein Bußgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro (0,25 % des Umsatzes) aufzuerlegen. Grund für die Verhängung des Bußgelds war das Umgehen einer E-Mail-Sperre, die die Kommission während einer Durchsuchung der EPH angeordnet hatte. Nach der Verordnung 1/2003 kann die Kommission sanktionieren, dass Nachprüfungen nicht geduldet werden. Im jetzt entschiedenen Fall hatte sich die Kommission im Rahmen der Durchsuchung bei EPH exklusive Zugriffsrechte auf mehrere E-Mailkonten einrichten lassen. Ein nicht informierter Mitarbeiter der IT-Abteilung des Unternehmens hatte einem Mitarbeiter von EPH allerdings auf dessen Bitten ein neues Passwort und erneuten Zugriff auf sein E-Mail-Konto eingeräumt. In einem anderen Fall war bewusst eine E-Mail-Umleitung für einen Mitarbeiter eingerichtet worden. Dadurch wurden neue E-Mails an einen anderen Server und nicht in das betreffende E-Mail-Konto gesendet. Das Gericht lehnte sich in seiner Bewertung an die Entscheidung des EuGH in Sachen E.ON an (Az.: C‑89/11 P). Dort hatte der Gerichtshof festgestellt, dass ein Verstoß wegen Siegelbruchs Anlass zu Zweifeln an der Integrität der Beweise im versiegelten Raum gibt. Das EuG stellte für den IT-Bereich ähnlich strenge Maßstäbe auf. Danach genügt u.a. der Nachweis, dass in unzulässiger Weise Zugang zu Daten gewährt wurde. Die Kommission muss nicht nachweisen, dass es zu einer Manipulation oder Löschung der Daten kam. Zum Thema „Kartellbehördliche Durchsuchungen der Unternehmens-IT“ berichteten wir ausführlich im Newsletter Q3/2013.

EU-Kommission winkt Facebook/WhatsApp-Deal durch

Die EU-Kommission hat am 3. Oktober 2014 grünes Licht für den Zusammenschluss zwischen dem Facebook Messenger und WhatsApp gegeben. Beide seien keine engen Wettbewerber. Die Verbraucher würden auch nach dem Zusammenschluss weiterhin vielfältige Entscheidungsmöglichkeiten bei den betroffenen Kommunikationsanwendungen („Apps“ zum Austausch von Textnachrichten sowie von Bild-, Video- und Tondateien) haben. Facebook verfügt über ca. 1,32 Milliarden aktive Nutzer und dabei 300 Millionen Messenger-Nutzer. WhatsApp hat 600 Millionen Nutzer. Vor der EU-Kommission hatte bereits die US Federal Trade Commission die Transaktion freigegeben, aber insbesondere die Einhaltung des den Nutzern zugesagten Datenschutzes durch WhatsApp verlangt. Facebook, das WhatsApp für ca. 16 Milliarden Dollar kauft, hatte im Anschluss hieran versprochen, das Datenschutzniveau von WhatsApp beizubehalten. Die EU-Kommission hat datenschutzbezogene Bedenken nicht als Gegenstand des EU-Wettbewerbsrechts angesehen und daher nicht weiter geprüft.

EU-Parlament schlägt Entflechtung von Google vor

Am 27. November 2014 hat das Europäische Parlament mit 384 Ja-, 174 Neinstimmen und 56 Enthaltungen einen Beschluss gefasst, wonach die Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission auch Vorschläge zur „Entflechtung“ von Suchmaschinen in der Europäischen Union in Betracht ziehen sollen. Die Entschließung des Parlaments richtet sich faktisch vor allem gegen den Marktführer Google. Es wird argumentiert, dem Markt für Suchmaschinen komme eine hohe Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der EU zu. Ungehinderter Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen für investitionsfördernde Unternehmen seien in diesem Wirtschaftszweig von entscheidender Bedeutung. Als langfristige Lösung sei deswegen auch über eine Entkopplung des Suchmaschinenteils von anderen Diensten nachzudenken. Google etwa steht im Verdacht, eigene Dienste (Karten, Hotel- und Restaurantsuche) gegenüber fremden Diensten zu bevorzugen. Das Europäische Parlament und seine Entscheidung haben keinerlei rechtliche Bedeutung für den Ausgang eines Kartellverfahrens gegen Google. Auch Kartellamtspräsident Mundt sprach sich auf einer Veranstaltung in Brüssel am 10. Dezember 2014 dafür aus, sich der Grenzen des Kartellrechts bewusst zu sein und eine Entflechtung der Suchmaschine von anderen Diensten von Google in Betracht zu ziehen. Insoweit sei auch zu erwägen, ob Google als „essential facility“ eingeordnet werden müsse.

Durchsuchung von Unternehmen im Bereich Biokraftstoffe

Die Europäische Kommission hat am 7. Oktober 2014 die Geschäftsräume von mehreren Unternehmen durchsucht, welche mit Produktion, Vertrieb und Handel des Biokraftstoffs Ethanol befasst sind. Die Kommission vermutet die abgesprochen fehlerhafte Meldung von Preisen an Preisagenturen. Die an diese Agenturen gemeldeten Preise haben erhebliche Bedeutung. Sie werden regelmäßig bei einer Vielzahl von Produkten als Ausgangspunkt für die Bestimmung von Handelspreisen in physischen und Derivatmärkten in Europa und weltweit herangezogen. Die nunmehr durchgeführten Untersuchungshandlungen der Kommission sollen an die Durchsuchung von Unternehmen der Ölbranche wegen des Verdachts auf Manipulation des Ölpreises vom Mai des Jahres 2013 anknüpfen.

Bundeskartellamt erlässt einstweilige Anordnung in Fusion Edeka/Tengelmann

Das Bundeskartellamt hat am 3. Dezember 2014 eine einstweilige Anordnung im Verfahren zur Prüfung des Zusammenschlussvorhabens EDEKA/Tengelmann erlassen. Das Amt will damit verhindern, dass die Unternehmen bereits vor Abschluss der behördlichen Prüfungen Teile ihrer Fusion vollziehen („Gun Jumping“). Die Fusionspartner hatten schon vor der Anmeldung des Zusammenschlusses verschiedene Maßnahmen wie die gemeinsame Warenbeschaffung und -verrechnung oder Veränderungen bei Filialnetz, Lagern und Fleischwerken vereinbart. In einer Presseerklärung vom 4. Dezember 2014 führte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, aus, Lieferanten, Wettbewerber und Verbraucher müssten sich darauf verlassen können, dass EDEKA und Tengelmann nicht schon vor einer Entscheidung des Bundeskartellamtes unverrückbare Fakten schaffen. Mit der einstweiligen Anordnung wolle das Amt sicherstellen, dass der Status quo erhalten bleibt bis das Verfahren abgeschlossen werden kann. Die Anordnung enthalte dabei keinerlei Vorwegnahme der wettbewerblichen Beurteilung des Zusammenschlusses.

BGH urteilt zur Aufteilung einer EU-Kartellgeldbuße zwischen Gesamtschuldnern

Mit einem Urteil vom 18. November 2014 (Az.: KZR 15/12) hat sich der BGH zum Thema der Aufteilung einer unionsrechtlichen Kartellgeldbuße im Innenverhältnis von Gesamtschuldnern nach deutschem Recht geäußert. Im Jahr 2009 hatte die Europäische Kommission in der Sache Calciumcarbid-Kartell gegen die Klägerin und zwei Beklagte eine Geldbuße als Gesamtschuldner verhängt. Während die Beklagten Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Kommission einlegten, zahlte die Klägerin die Hälfte der Geldbuße mitsamt Zinsen. Im Anschluss machte sie die gezahlte Summe bei den beiden Beklagten gerichtlich geltend. Die Klägerin war mit der Beklagten zu 2, welche wiederum die Anteile an der kartellbeteiligten Beklagten zu 1 hielt, zur Tatzeit konzernrechtlich verbunden. Später veräußerte die Klägerin jedoch ihre Anteile an der Beklagten zu 2. Die Klägerin war der Ansicht, sie müsse als nicht am Kartell Beteiligte die Geldbuße nicht tragen. Die Instanzgerichte wiesen die von der Klägerin angestrengte Klage ab. Die Klägerin habe als Obergesellschaft potenziell vom Kartell profitiert (Gewinnausschüttungen, Wertsteigerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile). Auf eine tatsächliche Kartellrendite sowie auf einzelne Verursachungs- und Verschuldensbeiträge komme es nicht an. Der BGH verwarf diese Ansicht und knüpfte an zwischenzeitlich ergangene EuGH-Rechtsprechung an (vgl. Urteile vom 10. April 2014, C-231/11 P bis C-233/11 P sowie C-247/11 P bis C-253/11 P). Danach ist für Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis allein das nationale Recht maßgeblich, in Deutschland § 426 BGB. Es seien deswegen die von den Gesamtschuldnern zu tragenden Kopfanteile festzustellen und hierzu alle fallrelevanten Einzelumstände abzuwägen. Der BGH verwies den Fall an das OLG zurück, das nun die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sowie die den Gesellschaften zugeflossenen Mehrerlöse und sonstigen Vorteile ermitteln und berücksichtigen muss.

Wettbewerbsbehörde Südafrikas eröffnet Kartellverfahren gegen Automobilzulieferer

Den weltweiten Untersuchungen zu Kartellen von Automobilzulieferern hat sich im Oktober des Jahres 2014 auch die Wettbewerbsbehörde Südafrikas angeschlossen. Unter den betroffenen Unternehmen sind bereits anderweitig in Kartellverfahren verwickelte Marktakteure wie Aisin Industry, Denso, Hitachi, Mitsubishi, NGK, Panasonic oder Tokai Rai. Es finden sich unter den in den Fokus der Behörden geratenen Zuliefererunternehmen aber auch neue Namen. Den Unternehmen wird vorgeworfen, seit dem Jahr 2000 an Preisfestsetzungen, Marktaufteilungen und Angebotsabsprachen beteiligt gewesen zu sein. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen Bereiche wie beispielsweise Servolenkungen, Glühkerzen, Pulsationsdämpfer und Hecksonnenblenden. Die geschädigten Automobilhersteller sollen Toyota, Daihatsu, Nissan und Isuzu sein. Angestoßen wurde die Verfahrenseröffnung durch die Wettbewerbsbehörde von mehreren Kronzeugenanträgen.

Aktuelle Veranstaltungen

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TerminThema/ReferentVeranstalter/Ort
25. Februar 2015Luther Kartellrechtsfrühstück
„Gemeinschaftsunternehmen – kartellrechtliche Risiken managen“
(Dr. Thomas Kapp, LL.M. [UCLA])
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
Frankfurt a.M.
26. Februar 2015BeckAkademie Seminare
„Kartellrecht und Compliance“
(Dr. Thomas Kapp, LL.M. [UCLA])
(Dr. Norbert Löw, Evonik Industries AG)
Verlag C.H. Beck oHG
Frankfurt a.M.
Aktuelle Veröffentlichungen

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Aufsätze:
Anne Wegner, LL.M. (EUI, Florenz) und Sophie Oberhammer„(Nicht-) Aufnahme eines Versandhändlers in einen Verband stationärer Großhändler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2013 – VI‑U (Kart) 5/12“
in: Zeitschrift für Vertriebsrecht (ZVertriebsR) 2014, S. 308-311
Dr. Helmut Janssen, LL.M.„Schadensersatz wegen Verletzung des Kartellrechts – Auswirkungen der neuen EU-Richtlinie“,
in: Compliance-Berater, 2015, S. 35-40
Kommentierungen:
Dr. Holger Stappert und Dr. Sven Leif Erik Johannsen, LL.M. GVO Nr. 267/2010 (Versicherungs-GVO),
in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Bd. 1, herausgegeben von Prof. Dr. Günther Kirsch, Dr. Frank Montag, Prof. Dr. Dres. h.c. Franz Jürgen Säcker, C.H. Beck-Verlag, 2. Aufl. 2015
Dr. Holger Stappert (gemeinsam mit externem Autor Dr. Michael Esser)Sonderbereich Versicherungswirtschaft (Versicherungskartellrecht),
in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Bd. 1, herausgegeben von Prof. Dr. Günther Kirsch, Dr. Frank Montag, Prof. Dr. Dres. h.c. Franz Jürgen Säcker, C.H. Beck-Verlag, 2. Aufl. 2015
Dr. Holger Stappert und Dr. Angelo ValloneVerordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung – NAV),
in: Praxiskommentar zum EnWG, herausgegeben von Rosin/Pohlmann/Gentzsch/Metzenthin/Böwing, EW Medien und Kongresse, Loseblattsammlung, Stand: 5. Lieferung 2014
Literatur von unseren Anwälten

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Kartellrecht in der anwaltlichen Praxis

  • 5. Auflage 2015. Rund 260 Seiten
  • Erscheinungstermin 1. März 2015
  • Preis ca. 55,00 Euro.
  • C.H.BECK, ISBN 978-3-406-66389-5

Zum Inhalt

Der Band bietet eine leicht verständliche Einführung in das deutsche und europäische Kartellrecht. Er zeigt die Grundgedanken und Leitlinien dieses Rechtsgebiets auf und verdeutlicht sie anhand zahlreicher Fallbeispiele. Das Werk unterstützt den Unternehmensjuristen und den nicht auf Kartellrecht spezialisierten Rechtsanwalt bei der Lösung kartellrechtlicher Fragestellungen.

Zur Neuauflage

Die 5. Auflage berücksichtigt die seit dem 1. August 2014 geltenden Änderungen durch die 8. GWB-Novelle sowie die sonstigen gesetzgeberische Aktivitäten wie etwa die neue Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer. Rechtsprechung und Praxis der Kartellbehörden sind bis Anfang Januar 2015 eingearbeitet, viele Beispiele aktualisiert. Die Hinweise zu grenzüberschreitenden Sachverhalte sind noch einmal ausgeweitet worden. Dem zunehmenden „private enforcement“ trägt die Neustrukturierung und Erweiterung des Kapitels zum Schadensersatzrecht Rechnung.

Zum Autor

Dr. Helmut Janssen ist Partner der Luther Rechtsanwalts­­gesellschaft mbH und leitet das Büro in Brüssel.

Aus den Besprechungen der Vorauflagen

„umfassende Hilfestellung für die tagtägliche Bewältigung praktischer Kartellrechts-Arbeit … kann … ohne jegliche Vorbehalte zur ausgiebigen Lektüre und als Nachschlagewerk von höchster Aktualität empfohlen werden“

Schön, in Kuselit, zur 4. Auflage 2010
„…gelungene Zusammenfassung der Schwerpunkte der kartellrechtlichen Praxis.“
Denzel, in: Neue Juristische Wochenschrift, 23/2007, zur 3. Auflage 2007

„… Glanzleistung.“
Haager, in: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Heft 3/ 2003, zur 2. Auflage

 

Grundriss zum Energierecht

Der rechtliche Rahmen für die Energiewirtschaft

  • Herausgeber: Stuhlmacher, Stappert, Schoon, Jansen
  • 2. Auflage 2015, ca. LXXXVI Seiten und ca. 914 Seiten DIN A5, Hardcover
  • Preis ca. 99,00 Euro
  • EW Medien und Kongresse GmbH, ISBN: 978-3-8022-1125-6

Zum Inhalt

Die Energiewirtschaft steht seit Jahren im Zentrum des politischen Interesses. Galt es zunächst die Strom- und Gasmärkte zu liberalisieren, stehen spätestens seit der Energiewende Fragen der zukünftigen Erzeugungsstruktur und des Klimaschutzes auf der Tagesordnung. Gleichzeitig erhöht sich durch die Tätigkeit der nationalen und europäischen Behörden auch in den Bereichen des Netzbetriebs und des Handels die Regulierungsdichte unaufhaltsam.

Der Grundriss zum Energierecht bietet nun bereits in zweiter Auflage einen umfassenden Überblick über den Rechtsrahmen für die Energiewirtschaft. Sie finden hier für alle energiewirtschaftlichen Aktivitäten eine rechtsgebietsübergreifende verständliche Darstellung über die geltenden Gesetze und erhalten eine Vielzahl praktischer Hinweise zur Auslegung und Anwendung der rechtlichen Bestimmungen. Die Inhalte sind komplett überarbeitet, auf den aktuellen Rechtsstand gebracht und um zahlreiche Kapitel ergänzt worden. Auch das EEG 2014 und seine Auswirkungen auf die Praxis sind bereits berücksichtigt worden.

  • Entflechtung des Netzbetriebes
  • Netzanschluss-, Netzzugang und Messwesen
  • Netzentgelte und Anreizregulierung
  • Konzessionsverträge
  • Energielieferung und Grundversorgung
  • Energie- und Stromsteuern
  • Kartell-, Beihilfen- und Vergaberecht
  • Energiehandel OTC und an Börsen
  • Aufsichtsrecht im Energiehandel
  • Rohstoffgewinnung und Fracking
  • Konventionelle und nukleare Erzeugung
  • Erneuerbare Energien (inkl. Offshore-Erzeugung)
  • Energiespeicherung und Power-to-Gas
  • Leitungsbau
  • Klimaschutz (inkl. EEG 2014, Emissionshandel, EEWärmeG)
  • KWKG, Fernwärme und Contracting
  • Investitionsschutz

Zu den Herausgebern

Dr. Holger Stappert ist Partner bei Luther und berät im Kartell- und Energierecht. Er leitet die Sektorengruppe Energy & Utilities der Sozietät. Dr. Guido Jansen ist Partner bei Luther und berät ebenfalls im Kartell- und Energierecht.

Zu den Autoren

Neben zahlreichen Experten aus der Energiewirtschaft haben an dem Werk – außer den Mitherausgebern Dr. Holger Stappert und Dr. Guido Jansen – weitere Rechtsanwälte der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mitgewirkt: Franz-Rudolf Groß, Dr. Angelo Vallone, Gesa Milbrett und Dr. Martin A. Steger, Energiewirtschafts- und Kartellrecht; Dr. Helmut Janssen, Kartellrecht sowie EU-Beihilfenrecht; Rechtsanwalt Dr. Carsten E. Beisheim, Gesellschaftsrecht / M&A; Rechtsanwalt Dr. Richard Happ, Prozessführung und Streitbeilegung; Rechtsanwältin Claudia Schoppen sowie Rechtsanwälte Dr. Stefan Altenschmidt, Dr. Stefan Kobes, Dr. Gernot-Rüdiger Engel und Philipp-Alexander Schütter, öffentliches Wirtschaftsrecht und Umweltrecht.

 

Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht

Band 1: Europäisches Wettbewerbsrecht

  • Herausgeber: Bornkamm, Montag, Säcker
  • 2. Auflage 2015
  • Buch. XXXV, 3288 S. In Leinen
  • Preis: 399,00 Euro
  • C.H.BECK, ISBN: 978-3-406-65461-9

Zur Neuauflage Band 1

Der Band zum Europäischen Wettbewerbsrecht

  • erläutert das gesamte europäische Wettbewerbsrecht einschließlich der ökonomischen Grundlagen für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften.
  • erklärt für das Europäische und Deutsche Wett­bewerbs­recht gleichermaßen geltende Grund­be­grif­fe wie Unter­nehmen, Markt, Wettbewerbs­­beschrän­kung, Markt­­beherrschung.
  • erläutert sowohl die Art. 101 ff. AEUV als auch die Gruppen­frei­stellungsverordnungen (Vertikal-, KfZ-, FuE, Spezialisierungs-, Technologie- und Versicherungs-GVO).
  • setzt sich mit Sonderbereichen wie Versicherungs­wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft auseinander.
  • bietet eine umfassende und kritische Kommentierung der Europäischen Fusionskontrollverordnung.
  • macht Ausführungen zum Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Gewerblichen Rechtsschutz sowie zur Abgrenzung zum Regulierungsrecht.
  • behandelt das Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz in Wettbewerbssachen und vor dem Europäischen Gerichtshof einschließlich der Kompetenzen zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen.
  • bezieht die aktuellen Bekanntmachungen der EU-Kommission mit ein.

Vorteile auf einen Blick

  • aktuell
  • umfassend
  • praxisnahe Darstellung

Zielgruppen

Rechtsanwälte, Unternehmen, Justiz.

Zu den Autoren

Unter den Autoren finden sich auch Rechtsanwälte der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Dr. Holger Stappert ist Partner bei Luther und berät im Kartell- und Energierecht. Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute), ist spezialisiert auf das deutsche und europäische Kartellrecht sowie das Vertriebsrecht.