20.01.2016
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Ende 2008 hatte EDEKA rund 2.300 Plus-Filialen von Tengelmann übernommen, um sie in ihr aus ca. 2.000 Filialen bestehendes Discount-Netz Netto zu integrieren. Nach dieser Übernahme verglich EDEKA die Bezugskonditionen der beiden bislang konkurrierenden Discounter und forderte von vielen Lieferanten eine Neufestsetzung. Dieses Vorgehen untersuchte das Bundeskartellamt exemplarisch an den Konditionen, die EDEKA mit den vier Sektkellereien Rotkäppchen-Mumm, Henkell, Freixenet und Schloss Wachenheim Ende März 2009 vereinbart hatte. Das Amt erklärte diese „Hochzeitsrabatte“ für verboten. Das OLG Düsseldorf entschied anders: die Voraussetzungen des sogenannten „Anzapfverbots“ hätten nicht vorgelegen. Dieses Verbot besagt: Ein nachfragendes Unternehmen darf seine Marktstellung nicht dazu ausnutzen, von ihm abhängige Unternehmen dazu aufzufordern, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren (§ 19 Abs. 2 Nr. 5, § 20 GWB). Im Ergebnis ließ das Gericht viele Fragen offen und nahm an, dass das Verhalten von EDEKA wegen der ebenfalls erheblichen Marktstellung der vier Sekthersteller gerechtfertigt sei. Das Bundeskartellamt hat Rechtsmittel zum BGH eingelegt.
EDEKA hatte von mehreren Lieferanten verlangt, das bisher für Netto vereinbarte Zahlungsziel rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf das für die Plus-Filialen vereinbarte Ziel zu verlängern. Das Gericht stellte fest, dass EDEKA keine einseitige Festlegung getroffen habe, sondern die Verlängerung explizit von der Zustimmung der Hersteller abhängig gemacht habe und nach deren Widerspruch in Verhandlungen mit ihnen eingetreten sei. In einem Fall habe sich EDEKA mit seiner ursprünglichen Forderung auch nur teilweise durchsetzen können.
EDEKA hatte gegenüber drei von vier Lieferanten günstigere Bezugskonditionen der Plus-Märkte für die gesamte EDEKAGruppe reklamiert. Die Preise für die Zukunft seien entsprechend zu senken, für die Vergangenheit ein Ausgleich zu zahlen. Das Bundeskartellamt war davon ausgegangen, dass EDEKA den Lieferanten die Herleitung und Berechnung dieses Bestwertabgleichs nicht erläutert hatte. Die Beweisaufnahme vor Gericht hatte jedoch ergeben, dass Methodik und Berechnung des Abgleichs den Lieferanten durchaus nachvollziehbar waren.
EDEKA hatte einen dauerhaften Bonus für potenzielle Kosteneinsparungen der Lieferanten verlangt. Nach Auffassung des Bundeskartellamts stand diesem Synergiebonus offensichtlich keine Gegenleistung gegenüber. Das Gericht sah dies anders. Synergievorteile seien zumindest nicht offensichtlich undenkbar. So könnten die Sekthersteller in Zukunft möglicherweise durch den Absatz größerer Mengen Kosten einsparen oder wegen einer Stilllegung von Warenlagern Logistikosten senken.
Die Plus-Filialen sollten als Folge ihrer Integration in das Netto-Netz renoviert und modernisiert werden. Dafür verlangte EDEKA eine Partnerschaftsvergütung. Nach Ansicht des Bundeskartellamts stand auch dieser Vergütung offensichtlich keine Gegenleistung gegenüber. Das Gericht hingegen meinte, dass eine verbesserte Warenpräsentation in einem renovierten und modernisierten Umfeld eine Gegenleistung sein könne, die Absatzchancen erhöhe.
Einen Bonus hatte EDEKA für zusätzliche Listungen von Produkten in den neuen Filialen jeweils im Jahr 2009 und 2010 verlangt. Nach Ansicht des Amtes waren die Darstellung und die Begründung dieses Bonus für die Lieferanten nicht nachvollziehbar. Demgegenüber urteilte das Gericht: die Umstellung des Plus-Sortiments auf das Netto-Sortiment schaffe die Möglichkeit der Angebotserweiterung; wer bereits mit seinen Artikeln bei Netto gelistet sei, der sei künftig auch in den ehemaligen Plus-Filialen vertreten und könne so seinen Umsatz steigern; auch könnten neue Artikel gelistet werden. Die Berechnungsmethode für den jeweils geforderten Betrag hatte EDEKA zwar nicht mitgeteilt. Das sei aber bei Verhandlungen im Handel auch nicht üblich. Entsprechend den Gepflogenheiten seien die Sekthersteller auch sogleich in Verhandlungen eingetreten und hätten zusätzliche Listungen gefordert. Zudem hätte das Amt darlegen müssen, dass ein nicht marktmächtiger Händler die Berechnungsmethode näher erläutert hätte.
Sämtliche Sonderkonditionen sollten rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 gelten bzw. für den Gesamtjahresumsatz 2009. Das Bundeskartellamt hielt dies für rechtswidrig, weil Wettbewerber von EDEKA während der Laufzeit der Jahresvereinbarungen diese nicht ändern konnten. Es konnte sich auf den BGH berufen. Nach ihm ist das Anzapfverbot verletzt, wenn ein nachfragestarkes Unternehmen, ohne hierfür einen zivilrechtlichen Anspruch zu haben, seine Lieferanten dazu bewegt, für abgeschlossene Sachverhalte ihnen ungünstigere Konditionen zu vereinbaren, während seine Wettbewerber diese Möglichkeit, in laufende Verträge mit Rückwirkung einzugreifen, nicht haben. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf hatte EDEKA aber nicht in laufende Verträge rückwirkend eingegriffen. Als EDEKA das Verhandlungsergebnis der Jahresgespräche 2009 den Sektherstellern bestätigte, hatte es sich mit Blick auf die bevorstehende Integration der Plus-Filialen ein Nachverhandeln der Konditionen ausdrücklich vorbehalten. Die Sekthersteller widersprachen diesem Vorbehalt nicht, sodass er wirksam vereinbart wurde. Die Plus-Filialen wurden zum 1. Januar 2009 übernommen, die Sonderverhandlungen im April 2009 abgeschlossen. Der Vorbehalt selbst und das anschließende Nachverhandeln seien kartellrechtlich unbedenklich, weil EDEKA ein berechtigtes Interesse habe, das überwiegende Geschäftsjahr 2009 mit Konditionen abzuwickeln, die dem fusionsbedingten erheblichen Zuwachs des Filialnetzes Rechnung trugen.
Zur Ermittlung, ob EDEKA seine Forderungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund erhoben hatte, stellte das Gericht die Interessen der Parteien gegenüber und wog sie unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfreiheit gegeneinander ab. Anders als vom Bundeskartellamt gemeint, fällt nach Ansicht des Gerichts bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen aber nicht entscheidend ins Gewicht, dass den Forderungen keine konkrete Gegenleistung von EDEKA gegenüberstand. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass es für die Sekthersteller im Ergebnis nicht darauf ankam, ob jede einzelne Forderung von EDEKA der Sache nach gerechtfertigt war. Für sie war vielmehr das Paket aller Konditionen im Verhältnis zur insgesamt von EDEKA geschuldeten Gegenleistung maßgebend.
Entscheidend für die sachliche Rechtfertigung war vielmehr, dass die von EDEKA aufgestellten Forderungen nicht auf dem Ausnutzen von Marktmacht beruhten. Unstreitig war EDEKA als Vertriebskanal für die Sekthersteller unverzichtbar. Die im Verhältnis zu den Sektlieferanten bestehende konkrete Marktstärke von EDEKA werde allerdings durch Gegenmacht der Sektlieferanten beschränkt. Denn die Lieferanten seien aufgrund ihrer eigenen Marktstärke in der Lage, den geforderten Anpassungen selbst oder auch durch Aushandeln von Gegenforderungen erfolgreich entgegenzutreten.
Das Bundeskartellamt wollte das Verfahren gegen EDEKA als Musterverfahren für den gesamten Lebensmittelhandel führen und hatte sich vom OLG Düsseldorf grundsätzliche Aussagen erhofft. Das Gericht wollte jedoch keine über den konkreten Fall hinausgehenden Aussagen machen; es komme bei der Interessenabwägung allein auf das konkrete Verhältnis zwischen EDEKA und den Sektlieferanten an. Umgekehrt, so das Gericht, lasse seine Entscheidung nicht darauf schließen, das Anzapfverbot finde im Verhältnis zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und seinen Lieferanten generell keine Anwendung.
Hat das Bundeskartellamt eine für sein Musterverfahren ungeeignete Lieferantengruppe gewählt? Den Markt kannte es jedenfalls gut, insbesondere aus dem Verfahren zur Freigabe der Plus-Übernahme und der zeitgleich durchgeführten Sektoruntersuchung. Von Bedeutung ist die Entscheidung für den derzeitigen Erwerb von 100 Kaisers-Filialen durch EDEKA. Sollte die Übernahme im Wege der Ministererlaubnis möglich werden, erleichtert sie EDEKA das Fordern von Hochzeitsrabatten.
Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London) | ||
Dr. Patricia Rogosch
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Die AC-Treuhand AG mit Sitz in Zürich („ACT“) ist ein Beratungsunternehmen, das verschiedene Dienstleistungen für nationale und internationale Verbände und Interessengemeinschaften anbietet, einschließlich von Administrationsleistungen, Beschaffung, Verarbeitung und Auswertung von Marktdaten, der Präsentation von Marktstatistiken und der Prüfung von gemeldeten Zahlen bei den Mitgliedern. Die Kommission wirft der ACT vor, bei zwei Kartellen (Zinsstabilisatoren und ESBO/ Ester) eine zentrale Rolle gespielt zu haben, indem sie mehrere Zusammenkünfte organisiert habe, bei den Zusammenkünften anwesend war und sich aktiv beteiligt habe, indem sie Liefermengen der betreffenden Güter erfasst und den betreffenden Herstellern zur Verfügung gestellt habe, und indem sie angeboten habe, bei Spannungen zwischen diesen Herstellern als Moderator aufzutreten und diese im Bedarfsfalle zu Kompromissen zu ermutigen. Die Kommission sah darin einen Verstoß gegen Art. 81 EG (heute Art. 101 AEUV), auch wenn die ACT in den Kartellmärkten selbst nicht tätig war. Wegen ihrer Beteiligung wurde die ACT mit einem Bußgeld in Höhe von EUR 174.000,00 pro Kartell belegt.
Der EuGH hat nunmehr mit Urteil vom 22. Oktober 2015(C-194/14 P) – entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts (!) – entschieden, dass auch ein Beratungsunternehmen für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG verantwortlich gemacht werden kann, wenn es sich aktiv und in voller Kenntnis der Sachlage an der Durchführung oder der Überwachung eines Kar tells zwischen Herstellern beteiligt, die auf einem anderen Markt tätig sind als das Beratungsunternehmen selbst.
Als unbeachtlich hat der EuGH angesehen, dass ACT selbst nicht auf dem betroffenen Kartellmarkt tätig war. Vielmehr hat er festgestellt, dass der Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 EG keine Anhaltpunkte dafür enthält, dass dieses Verbot ausschließlich die Parteien solcher Vereinbarungen bzw. abgestimmter Verhaltensweisen betrifft, die auf den davon betroffenen Märkten tätig sind. Der EuGH sieht es nämlich bei der Auslegung der Begriffe „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweisen“ nicht als Voraussetzung an, dass eine wechselseitige Beschränkung der Handelsfreiheit der Marktbeteiligten vorliege. Vielmehr bezieht sich der Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 EG allgemein auf alle Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die in horizontaler oder vertikaler Weise den Wettbewerb beschränken, und zwar unabhängig davon, dass nur das Geschäftsverhalten anderer Parteien durch die Bedingungen der in Rede stehenden Vereinbarung betroffen ist.
Der EuGH wies ausdrücklich darauf hin, dass für die ACT die Unzulässigkeit ihres Verhaltens ohne weiteres vorhersehbar war: „Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen.“
Der Fall ist insofern bemerkenswert, als ACT bereits im Jahr 2003 von der Kommission im Fall Peroxid wegen einer Teilnahme an einem Kartell als Beratungsunternehmen bebußt worden war. Dort hatte die ACT schwerpunktmäßig Sekretariatsarbeiten wie Verwahrung von Dokumenten, Sammlung, Verarbeitung und Mitteilung bestimmter Daten, Organisation von Zusammenkünften, Reservierung von Räumen und Erstattung von Reisekosten übernommen. Die ACT wurde bereits von der Kommission in Billigung des EuG bebußt, allerdings wegen der Neuartigkeit des Sachverhalts lediglich mit einer symbolischen Buße von EUR 1.000,00.
Offenbar hat ACT das damals gesetzte Signal nicht richtig verstanden und war demnach der Meinung, es könne seine Beratungstätigkeit auch im Umfeld von Kartellen weiterhin ungestraft fortsetzen. Dieser Auffassung ist der EuGH nunmehr entschieden entgegengetreten. Dies bedeutet für die künftige Praxis, dass eine Beteiligung an einem Kartell (jedenfalls als Gehilfe oder Anstifter) auch dann möglich ist, wenn man selbst auf dem kartellbefangenen Markt nicht tätig ist. Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für alle Beratungsunternehmen (Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsberater etc.) sowie alle Unternehmen mit „Vermittlungsdienstleistungen“ (z. B. Marktforschungsinstitute, Handelsplattformen etc.). Natürlich sind die praktischen Fälle selten so eindeutig wie der Fall ACT. Dennoch werden Beratungsunternehmen künftig bei ihrer Beratungstätigkeit prüfen müssen, ob diese nicht zumindest mittelbar zur Einrichtung oder Aufrechterhaltung eines Kartells beiträgt. Da Berater häufig mit der Organisation von Unternehmertreffen, der Protokollierung von Zusammenkünften von Unternehmensvertretern und der Unterstützung eines Informationsaustausches zwischen Unternehmen betraut sind, müssen sie stets die Zulässigkeit ihrer Tätigkeit überprüfen. Auch bei der Beurkundung von Verträgen werden Notare sich künftig in bestimmten Fällen die Frage stellen müssen, ob die Verträge kartellrechtswidrige Vereinbarungen (z. B. Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen) enthalten.
Die Entscheidung wird auch für die Tätigkeit von Verbänden eine erhebliche Bedeutung haben, weil auch deren Tätigkeit jetzt noch eher an die Unterstützung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ihrer Mitglieder heranrücken kann, als dies bisher in der Praxis vielleicht vermutet wurde.
Insgesamt passt die Entscheidung in die Linie der Kommission und der europäischen Gerichte, die Anwendung des Kartellrechts zunehmend auszudehnen und zu verschärfen. Hierauf wird sich die Praxis einstellen müssen.
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA) |
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Mit der stärkeren Verfolgung von Kartellen durch Bußgeldverfahren stellt sich für Unternehmen zunehmend auch die Frage, als Geschädigte eines Kartells Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Wie die Praxis zeigt, ist die Berechnung des aus einem Kartell entstandenen Schadens vielfach eine komplizierte und aufwendige Angelegenheit. Aus diesem Grund gehen verhandlungsstarke Unternehmen sowie Vergabestellen zunehmend dazu über, in ihren Einkaufs- bzw. Vergabebedingungen eine Klausel aufzunehmen, in denen ein möglicher Kartellschadensersatz pauschaliert wird. So verlangt die Deutsche Bahn bei einer nachgewiesenen Kartellbeteiligung einen pauschalierten Schadensersatz von 15 % des Auftragswerts. Derartige Klauseln haben in der Industriepraxis inzwischen weite Verbreitung gefunden.
Die Einordnung der juristischen Wirksamkeit einer solchen pauschalierten Schadensersatzklausel ist allerdings in neuerer Zeit in Diskussion geraten. Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 31. Juli 2013 (6 U 51/12 (Kart)) soll eine derartige pauschalierte Schadensersatzklausel (15 % der Abrechnungssumme) rechtlich wirksam sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einem beklagten Kartellanten trotz einer vereinbarten Schadenspauschalierung der Nachweis, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden sei, grundsätzlich nicht abgeschnitten ist. Dieser Nachweis kann von einem Kartellanten daher jederzeit geführt werden. Mangels eines solchen Nachweises ist jedoch die Schadenspauschalierung auch aus Gründen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht unzulässig. Zwar findet in § 309 Nr. 5 a BGB eine Einschränkung dahingehend statt, dass die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen darf. In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall gab es jedoch im Bußgeldbescheid Anhaltspunkte für eine Preisüberhöhung von 10-12 %. Das OLG Karlsruhe war der Meinung, dass eine Pauschalierung in Höhe von 15 % der Auftragssumme damit noch im angemessenen Rahmen liege.
In die andere Richtung geht die Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 22. Oktober 2014 (2 O 29/14). Das LG Potsdam nahm Anstoß daran, dass die Geschädigte nicht darlegen und beweisen konnte, dass die Pauschale von 15 % des Auftrags werts dem typischen Schadensumfang bei allen von ihr erfassten Fällen entspricht. Insofern war dem LG Potsdam offenbar die Klauselformulierung („Wenn der Auftragsnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 15 v.H. der Auftragssumme an den Auftraggeber zu zahlen, …“) zu weit gefasst. Das LG Potsdam ging davon aus, dass es offenbar auch Wettbewerbsverstöße gebe, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem wesentlich geringeren Schaden führen würden.
Ohne in die juristischen Feinheiten dieser Auseinandersetzung einzutreten, stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, inwieweit im Rahmen des Private Enforcement einem Geschädigten die Möglichkeit gegeben werden soll, sich durch eine pauschale Klausel zu schützen. Insbesondere bei der Schwierigkeit der Feststellung der Schadenshöhe bei Kartellverstößen besteht hierfür ein praktisches Bedürfnis. Die Schadensfeststellung wird insofern kompliziert, dass bei einer möglichen Weitergabe eines möglichen Schadens an Dritte (sogenanntes Passing-on) ein möglicher Schaden des unmittelbaren Abnehmers sich vermindern oder sogar ganz entfallen kann. Die Rechtsprechung muss klar vor Augen haben, dass eine zu strenge Anwendung der Regeln des AGB-Rechts zu einer deutlichen Schwächung des Private Enforcement führen kann. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich weder Rechtsprechung noch Literatur bisher eine gefestigte Meinung gebildet haben.
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA) |
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Die Europäische Kommission führt derzeit eine Konsultation zu der Frage durch, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden über einen europäischen Rechtsakt mit zusätzlichen Instrumenten zur Durchsetzung des Kartellrechts gestärkt werden sollten. Zwar habe die Kartellverordnung 1/2003 erhebliche Fortschritte bei der behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung in der Europäischen Union gebracht. Es müssten aber weiterhin Unterschiede zwischen den nationalen Systemen abgebaut werden. Bei gleichen materiell-rechtlichen Bedingungen sollten auch vergleichbare verfahrensrechtliche Bestimmungen gelten. Teilweise dürften beispielsweise nationale Wettbewerbshüter bei Nachprüfungen in Räumlichkeiten eines unter Kartellverdacht stehenden Unternehmens Beweise auf digitalen Datenträgern nicht beschlagnahmen oder für eine Kartellbuße nicht die volle Dauer der Kartellbeteiligung berücksichtigen. Stellungnahmen können im Rahmen der Konsultation bis zum 12. Februar 2016 eingereicht werden.
Die Kommission erwägt die Ergänzung ihres Kronzeugenprogramms. Bei anonymen Hinweisen soll künftig ein fortgesetzter Kontakt zum Whistleblower möglich sein, ohne dass die Person des Informanten preisgegeben wird. Der Europäischen Kommission würde so nach der ersten Kontaktaufnahme ermöglicht, weitere Informationen anzufragen, die für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, eine Durchsuchung und die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes erforderlich sein können. Zur Wahrung der Anonymität des Whistleblowers soll ein sicheres zweiseitiges Kommunikationsportal, das von einem Drittanbieter unterhalten wird, aufgesetzt werden. So müsste etwa der Manager oder Kunde eines Kartellanten trotz des Austauschs mit der Kommission keine Vergeltungsmaßnahmen des Kartelltäters befürchten, da sein Verhalten diesem verborgen bleibt. Das Bundeskartellamt unterhält bereits ein ähnliches System, das von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zertifiziert ist und in vergleichbarer Form in der unternehmensinternen Korruptionsbekämpfung oder bei Polizeibehörden verwendet wird.
Das LAG Düsseldorf hat mit Urteil vom 27. November 2015 (Az. 14 Sa 800/15) auf die Berufung von ThyssenKrupp hin entschieden, dass ein Verkaufsleiter nicht für Bußgelder auf Schadensersatz haftet, wenn sein grob pflichtwidriger Tatbeitrag gegenüber dem Organisationsverschulden des Unternehmens bei Schaffung eines kartellrechtswidrigen Absprachesystems in den Hintergrund tritt. ThyssenKrupp hatte im Jahr 2001 auf einer Tagung seinen Mitarbeitern unter Anwesenheit von Geschäftsführung und Vorstand das Absprachesystem vorgestellt. Das hieraus resultierende Mitverschulden des Arbeitgebers am Kartellverstoß überwiege in diesem Fall die Beteiligung des Verkaufsleiters an den Absprachen. Hintergrund der Entscheidung ist das Schienenkartell. ThyssenKrupp wollte nach Verhängung eines Bußgelds in Höhe von EUR 88 Mio. im Jahr 2013 einen Schaden in Höhe von EUR 300.000 (insbesondere Rechtsverfolgungskosten und Teile des Bußgelds) bei dem Verkaufsleiter einklagen. ThyssenKrupp hat gegen das Urteil zwischenzeitlich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. 8 AZN 1150/15). Zum weiteren Hintergrund des Schienenkartells und den in diesem Zusammenhang bereits ergangenen Entscheidungen des LAG Düsseldorf siehe auch Newsletter 2/2015 (Abwälzung von Bußgeld und Schadensersatz auf Geschäftsführer? – „ThyssenKrupp/Sehlbach“; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 16 Sa 458/14; Teilurteile und Beschlüsse vom 20. Januar 2015 – 16 Sa 459/14, 16 Sa 460/14).
Das Bundeskartellamt hat nach der Pressemitteilung vom 8. Dezember 2015 im Rahmen eines Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 12,44 Mio. gegen drei Herausgeber von Anzeigenblättern und deren Verantwortliche verhängt. Die Unternehmen Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG, die WM Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG sowie die Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG hätten in kartellrechtswidriger Weise die Einstellung miteinander konkurrierender Anzeigenblätter und damit den „Abkauf von Wettbewerb“ abgesprochen. Das Bundeskartellamt berichtet, nach der Absprache sei das in der Region Chemnitz von der Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG und der WM Beteiligungs- und Verwaltungs- GmbH & Co. KG herausgegebene Anzeigenblatt „WochenSpiegel Sachsen“ eingestellt worden. Dieses Anzeigenblatt habe im Wettbewerb mit dem Anzeigenblatt „Blick“ der Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG gestanden. Im Gegenzug habe die Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG zugesagt, ihr in Dresden erscheinendes Anzeigenblatt „Sächsischer Bote“ zugunsten der dort erscheinenden Anzeigenblätter von WM Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG („Wochenkurier“) und Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG („DaWo“ und „FreitagsSZ“) einzustellen.
Das Bundeskartellamt hat zum Abschluss des Kartellverfahrens gegen Matratzenhersteller eine Geldbuße in Höhe von EUR 15,5 Mio. gegen die Tempur Deutschland GmbH („Tempur“) verhängt. Nach seiner Pressemitteilung vom 22. Oktober 2015 sah das Amt das zu sanktionierende Verhalten in einer vertikalen Preisbindung der Einzelhändler beim Vertrieb ihrer Produkte. Verbotene horizontale Verhaltensweisen seien in dem durch Beschwerden angestoßenen Verfahren nicht aufgedeckt worden. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts hat Tempur von August 2005 bis Juli 2011 mit ihren Händlern vereinbart, verschiedene Matratzen sowohl im Online-Handel als auch im stationären Handel grundsätzlich nur zu den Preisempfehlungen der Tempur anzubieten. Die meisten Händler hätten sich hieran gehalten. Sie hätten befürchtet, ansonsten mit negativen Folgen rechnen zu müssen. Bei der Nichtbefolgung bestimmter Vorgaben des Herstellers Tempur habe dieser beispielsweise die Belieferung der Kunden teilweise erheblich verzögert, ganz eingestellt oder die Erlaubnis zur Nutzung des Markennamens für Online-Werbung bei der Google-Suche entzogen. Zuvor waren im August 2014 bzw. im Februar 2015 bereits wegen vertikaler Preisbindung Bußgelder gegen die Recticel Schlafkomfort GmbH (s. Newsletter 4/2014) und die Metzeler Schaum GmbH verhängt worden.
Im März 2013 hatte das Bundeskartellamt im Anschluss an die Prüfungsergebnisse der Sektorenuntersuchung Fernwärme ein Missbrauchsverfahren wegen Preishöhenmissbrauchs gegen mehrere Versorgungsunternehmen eingeleitet. Betroffen von dem Verfahren war u.a. die Stadtwerke Leipzig GmbH („SW Leipzig“). Dieses Verfahren wurde nunmehr im Oktober 2015 im Wege der Einigung abgeschlossen. Die SW Leipzig wird beginnend zum 1. Januar 2016 eine jährliche Senkung der Fernwärmepreise in Höhe von ca. EUR 8 Mio. über eine Laufzeit von fünf Jahren (Gesamtvolumen: ca. EUR 40,8 Mio.) vornehmen. Nach dem Bundeskartellamt werden von den Zusagen der SW Leipzig zur Umsetzung günstigerer Wärmepreise die Verbraucher in Leipzig unmittelbar und zeitnah profitieren. Die Behörde betonte, sie habe in diesem Fall ausnahmsweise zukünftige Preissenkungen akzeptiert. Diese könnten als Kompensation für möglicherweise überhöhte Preise in der Vergangenheit herangezogen werden. Denn die zugesagten Preissenkungen erreichten weiterhin denselben Kundenkreis. Eine verstärkte Kundenbindung werde indes nicht herbeigeführt, da – wie üblich – der etablierte Fernwärmeversorger in seinem jeweiligen lokalen Netzgebiet konkurrenzlos sei. Wechselmöglichkeiten der Kunden bestünden praktisch ohnehin nicht. Die von der SW Leipzig vorgebrachten Rechtfertigungsgründe für vergleichsweise höhere Preise ließ das Bundeskartellamt nicht gelten. Um in dem rechtlich und technisch komplexen Sachverhalt keine weiteren Bewertungen vornehmen zu müssen und um einen langjährigen Rechtsstreit zu vermeiden, setzte das Amt auf eine Einigung.
Die WSW Energie und Wasser AG („SW Wuppertal“) hat im Oktober 2015 einem Vergleich zur Zahlung von EUR 15 Mio. zugestimmt. Diesen Betrag muss das Versorgungsunternehmen zur Beendigung des Missbrauchsverfahrens vor dem Bundeskartellamt seinen Wasserkunden bis Mitte des Jahres 2016 zurückzahlen. Die Behörde hatte der SW Wuppertal vorgeworfen, zwischen dem Jahr 2009 und April 2013 Preise verlangt zu haben, die oberhalb derjenigen vergleichbarer Versorgungsgebiete lagen. In seiner Bewertung habe das Bundeskartellamt die besonderen Bedingungen der Wasserversorgung in Wuppertal berücksichtigt. Diese seien schwierig, z. B. wegen der Höhenunterschiede im Stadtgebiet, mehreren Talsperren und Wasserwerken, Reservekapazitäten und aufgrund des Bevölkerungsrückgangs. Dennoch sei dadurch höchstens ein Teil der Preisüberhöhung gerechtfertigt. Da es bis zuletzt Streit über Einzelheiten des Sachverhalts und dessen Bewertung gab, wirkte das Amt zur Vermeidung eines langjährigen Rechtsstreits für den vergangenen Sachverhalt auf eine Beendigung im Wege der Einigung hin. Da die SW Wuppertal zwischenzeitlich als Eigenbetrieb rekommunalisiert wurden, konnte keine künftige Absenkung der Preise nach Mai 2013 angeordnet werden.
Ein Konsortium, bestehend aus den drei deutschen Premium- Automobilherstellern BMW, Daimler und Audi, wird den bislang zum finnischen Nokia-Konzern gehörenden Kartendienst „HERE“ übernehmen. Die Transaktion wurde durch das Bundeskartellamt innerhalb der Monatsfrist freigegeben, wie in der Pressemitteilung des Amtes vom 6. Oktober 2015 mitgeteilt wird. Der Dienst „HERE“ stelle – wie die Konkurrenten TomTom und Google – hochpräzise digitale Karten für den EWR zur Verfügung. Bisher dienten diese als Grundlage für bekannte Navigationsanwendungen. Kunden von „HERE“ seien u.a. Smartphone- und Tablethersteller sowie Unternehmen mit Flottenmanagement. Die Kartenmaterialien von „HERE“ sollen künftig auch für das vernetzte und automatisierte Fahren eingesetzt werden. Die Karten werden dann über die in Fahrzeugen verbauten Sensoren in Echtzeit aktualisiert, was Voraussetzung für das automatisierte Fahren ist. Da Google wegen eigener Pläne seine Karten bislang anderen Unternehmen nicht zur Verfügung stellt, mussten sich die Automobilhersteller anderweitig umsehen. TomTom wird Automobilherstellern als Alternative zu „HERE“ erhalten bleiben und wird nach den Erkenntnissen des Bundeskartellamts von diesen auch (weiterhin und ggf. künftig zur Entwicklung des autonomen Fahrens) genutzt werden.
Der Investmentfonds Oakley Capital Limited darf alle Geschäftsanteile an der EliteMedianet GmbH erwerben, welche die Dating- Plattformen www.elitepartner.de und www.academicpartner.de unterhält. Dies hat das Bundeskartellamt im Hauptprüfverfahren nach Untersuchung des Marktes für Online-Datingplattformen und Einbindung der Erkenntnisse eines Anfang 2015 ins Leben gerufenen „Think Tank Internetplattformen“ entschieden. In der Pressmitteilung des Bundeskartellamts vom 22. Oktober 2015 heißt es, die Behörde habe das Vorhaben freigeben können, obwohl die Oakley Capital Limited bereits die Anteile an der Parship GmbH mit der Plattform www.parship.de hält. Denn nach den Ermittlungen des Amtes lasse sich der relevante Markt nicht auf die großen Partnervermittlungs-Plattformen beschränken. Der Markt umfasse vielmehr eine Vielzahl weiterer Datingplattformen wie zum Beispiel www.friendscout24.de oder zahlreiche Spezialanbieter für bestimmte Nutzergruppen. Für Wettbewerb sorgten überdies verschiedene Dating-Apps. Es blieben daher auch nach dem Zusammenschluss hinreichende Ausweichmöglichkeiten bestehen. Der Markteintritt sei für Wettbewerber einfach, was der Erfolg mobiler Datingplattformen wie Tinder und Lovoo belege.
Das Bundeskartellamt hat in seiner Pressemitteilung vom 7. Dezember 2015 mitgeteilt, dass die Vonovia SE („Vonovia“) im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebotes alle Anteile an der Deutsche Wohnen AG („Deutsche Wohnen“) erwerben darf. Im Falle eines erfolgreichen Übernahmeangebots werde Vonovia einen Mietwohnungsbestand von ca. 500.000 Wohneinheiten aufweisen und damit ihre Position als bundesweit führendes Unternehmen ausbauen. Das Bundeskartellamt habe die betroffenen lokalen und regionalen Märkte intensiv untersucht. Dabei sei aber jeweils keine marktbeherrschende Stellung von Vonovia oder eine kartellrechtlich relevante Beeinträchtigung des Wettbewerbs infolge der Fusion festgestellt worden. Das Amt erteilte die Freigabe in der ersten Phase.
Das Bundeskar tellamt hat laut Pressemit teilung vom 23. Dezember 2015 der Plattform für Hotelbuchungen von Booking.com Deutschland GmbH und Booking.com B.V. („Booking.com“) aufgegeben, die Verwendung bisheriger Bestpreisklauseln zu unterlassen und diese bis zum 31. Januar 2016 vollständig aus den Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu entfernen, soweit Hotels in Deutschland betroffen sind. Das Bundeskartellamt hatte zunächst die ursprünglich verwendete Vertragsregelung, die sog. weite Bestpreisklausel, als kartellrechtswidrig eingeordnet. Die getroffene Verpflichtung beinhaltete, dass Kundenhotels der Plattform Booking. com immer den niedrigsten Zimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Buchungs- und Stornierungsbedingungen zu gewähren hatten, und zwar auf allen Online- und Offline-Buchungskanälen. Die Kartellrechtswidrigkeit der sog. weiten Bestpreisklausel war schließlich durch das OLG Düsseldorf am 9. Januar 2015 bestätigt worden (wir berichteten im Newsletter 2/2015, Seite 9 ff.). Die danach im Laufe des Verfahrens durch Booking.com angebotene und seit Juli 2015 angewendete sog. enge Bestpreisklausel lehnte die Behörde nunmehr ebenfalls ab. Mit dieser wollte Booking.com den Hotels zwar erlauben, ihre Zimmer auf anderen Hotel-Portalen preiswerter anzubieten. Das Bundeskartellamt kritisierte indes, das Unternehmen habe den Kundenhotels weiterhin vorschreiben wollen, dass der Preis auf der hoteleigenen Website nicht niedriger sein dürfe als bei Booking.com. Dies verletze die Preissetzungsfreiheit der Hotels auf ihren eigenen Online-Vertriebskanälen. Der Anreiz für ein Hotel, seine Preise auf einem Hotel-Portal zu senken sei sehr gering, wenn es gleichzeitig im eigenen Online-Vertrieb höhere Preise ausweisen müsse. Außerdem werde der Marktzutritt neuer Plattformanbieter weiterhin erheblich erschwert. Es bestehe kaum noch ein Anreiz für Hotels, die eigenen Zimmer auf einer neuen Plattform günstiger anzubieten, solange die Hotels die Preissenkungen auf ihren eigenen Webseiten nicht nachvollziehen könnten.
Wie im letzten Newsletter 4/2015 berichtet, haben Verlage Beschwerden gegen die auf Hörbücher spezialisierte Amazon-Tochtergesellschaft Audible.com („Audible“) beim Bundeskartellamt eingelegt. Am 16. November 2015 teilte das Bundeskartellamt nunmehr mit, es habe auf eine Beschwerde des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hin ein Verwaltungsverfahren gegen die Amazon-Tochtergesellschaft Audible.com sowie gegen die Apple Computer Inc. („Apple“) eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens sei die langjährige Praxis zum Bezug von Hörbüchern bei Audible für den Vertrieb über Apples Download-Shop iTunes-Store, insbesondere die ausschließliche Belieferung von Apple durch Audible (neben dem Angebot über die eigene Website). Hörbuchverlage müssten beim Absatz digitaler Hörbücher hinreichende Ausweichalternativen haben. Die Europäische Kommission prüfe den Sachverhalt ebenfalls. Audible ist einer der größten Produzenten und Anbieter von Hörbüchern in Deutschland und Europa. Apple unterhält über den iTunes-Store eine der größten digitalen Medien-Handelsplattformen.
Am 13. Januar 2016 gab Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bekannt, die Fusion von Kaiser‘s Tengelmann und EDEKA unter Auflagen zu erlauben. Er gab damit „gesamtwirtschaftlichen Vorteilen“, insbesondere dem Erhalt von Arbeitsplätzen, stärkeres Gewicht als dem Wettbewerb. EDEKA muss zum Erhalt der Erlaubnis allerdings sicherstellen, dass mindestens 97 % der ca. 16.000 Stellen bei Kaiser‘s Tengelmann für die nächsten fünf Jahre erhalten bleiben. Dabei müssen auch bestimmte tarifliche Bedingungen (Bezahlung nach Einzelhandel-Tarifverträgen) und existierende Mitbestimmungs- und Betriebsratsstrukturen abgesichert werden. Für fünf Jahre dürfen zudem grundsätzlich keine Filialen von Kaiser´s Tengelmann an selbständige Einzelhändler verkauft werden. EDEKA will diese Bedingungen nun prüfen. Wettbewerber haben bis zum 26. Januar 2016 Zeit, eine Stellungnahme einzureichen. Wie in den Newslettern 2/2015 und 4/2015 berichtet, hatte das Bundeskartellamt am 1. April 2015 die Übernahme zunächst untersagt, woraufhin die Unternehmen um eine Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB ersuchten. Von der Gewährung einer solchen Erlaubnis hatte zuletzt die Monopolkommission in ihrem 70. Sondergutachten vom 3. August 2015 abgeraten. Zwischenzeitlich wurde zudem die einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts vom 3. Dezember 2014, wonach die Unternehmen nicht vor Abschluss der behördlichen Prüfungen Teile ihrer Fusion vollziehen durften (wir berichteten in Newsletter 1/2015), am 9. Dezember 2015 durch das OLG Düsseldorf aufgehoben. Das Gericht kritisierte die mangelnde Begründung zur Notwendigkeit der Anordnung, um drohende Nachteile oder schwere Schäden für das Gemeinwohl zu verhindern. Da wegen der zu Unrecht untersagten Vereinbarung ein günstigerer Warenbezug über EDEKA für Tengelmann nicht möglich war, könnten die Unternehmen nunmehr gegebenenfalls die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Die Deutsche Bahn hat sich mit drei Fluggesellschaften (Nippon Airways, SAS und Cargolux) in den USA außergerichtlich geeinigt. Vor dem Landgericht Köln hatte die DB Schenker vor ungefähr einem Jahr gegen insgesamt zehn Fluggesellschaften, u.a. die Lufthansa, Schadensersatzklagen in Höhe von insgesamt ca. EUR 1,2 Mrd. und EUR 560 Mio. Zinsen wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen mit Blick auf Treibstoff- und Sicherheitszuschläge erhoben. In New York hatte DB Schenker gegen sieben Airlines Ansprüche in Höhe von ca. USD 370 Mio geltend gemacht. Gegen das Luftfrachtkartell hatte die Europäische Kommission im November 2010 Geldbußen in Höhe von ca. EUR 790 Mio. verhängt. Die Lufthansa war als Kronzeugin nicht mit einem Bußgeld belegt worden. Den vorgenannten Beschluss der Europäischen Kommission hob das Europäische Gericht indes am 16. Dezember 2015 wegen Divergenzen zwischen verfügendem Teil und Begründung auf (Rs. T-9/11 u.a.). Die Unternehmen könnten insbesondere nicht genau Art und Umfang der zur Last gelegten Zuwiderhandlung(en) bestimmen, was nicht mit dem Grundsatz auf effektiven Rechtsschutz vereinbar sei.
Die Monopolkommission hat in ihrem 72. Sondergutachten vom 27. Oktober 2015 zur dieses Jahr anstehenden GWB-Novelle dazu geraten, die deutschen Bußgeldvorschriften in § 81 GWB weiter an die europäischen Formulierungen in Art. 101 f. AEUV, die Praxis der Europäischen Kommission und die europäische Rechtsprechung anzugleichen. Der Haftungsumfang müsse alle Unternehmensteile erfassen. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Begriff des „Unternehmens“ in Art. 101 f. AEUV. Andernfalls sei (weiterhin) eine unterschiedliche Behandlung von Kartelltätern bei der Verfolgung durch die deutschen oder die europäische Kartellbehörde zu befürchten. Die Umsetzung des Vorschlags werde allerdings zu einer Verschärfung der Bußgeldhaftung (entsprechend der europäischen Praxis) führen. Natürliche Personen sollten überdies stärker in Haftung genommen werden können, um einen Bewusstseinswandel mit Blick auf Kartelltaten herbeizuführen. Für eine weitere Kriminalisierung von schwerwiegenden Kartellverstößen empfiehlt die Monopolkommission die Schaffung einer Strafvorschrift. Die Straftat solle von Amts wegen verfolgt und mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe zu ahnden sein. Die Monopolkommission empfiehlt schließlich, Vermögensverschiebungen ebenfalls strafrechtlich mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen. Dies solle Vorgehensweisen wie im sog. Wurstkartell künftig verhindern (zum Fall s. Newsletter 2/2015). Als ergänzende Sanktion bei Verstößen gegen die Straftatbestände sei die Verhängung eines Berufsverbots in Betracht zu ziehen.
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