16.10.2017
Darf ein sog. Plattformverbot, d.h. ein Verbot, Vertragswaren über Online-Plattformen Dritter (z.B. eBay, Amazon etc.) zu vertreiben, in selektiven Vertriebssystemen zur Absicherung eines „Luxusimages“ vereinbart werden? Mit dieser Frage hat sich derzeit der EuGH (Az.: C-230/16) aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des OLG Frankfurt a. M. (Az.: 11 U 96/14 (Kart)) (wir berichteten hierüber kurz im Newsletter 3. Quartal 2016) zu befassen.
Darf ein sog. Plattformverbot, d.h. ein Verbot, Vertragswaren über Online-Plattformen Dritter (z.B. eBay, Amazon etc.) zu vertreiben, in selektiven Vertriebssystemen zur Absicherung eines „Luxusimages“ vereinbart werden? Mit dieser Frage hat sich derzeit der EuGH (Az.: C-230/16) aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des OLG Frankfurt a. M. (Az.: 11 U 96/14 (Kart)) (wir berichteten hierüber kurz im Newsletter 3. Quartal 2016) zu befassen.
In dem sowohl in der kartellrechtlichen Praxis als auch im Onlinehandel vielbeachteten Verfahren liegen nunmehr die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH vor, die – obgleich für den EuGH nicht bindend – einen wichtigen Anhaltspunkt für die Entscheidung des EuGH bieten.
Hintergrund des vor dem EuGH anhängigen Verfahrens ist ein Rechtsstreit zwischen der deutschen Tochter von Coty, einem Unternehmen, das sich auf das Angebot von Luxus-Kosmetika spezialisiert hat, und einem von ihm autorisierten Einzelhändler. Dieser hatte trotz entgegenstehender vertraglicher Vereinbarung mit dem Kosmetikunternehmen, das den Vertrieb seiner Produkte als sog. selektives Vertriebssystem organisiert, dessen Waren u.a. über die Online-Plattform eines Dritten, namentlich die Online-Plattform Amazon, vertrieben und war vom Kosmetikunternehmen daraufhin auf Unterlassung in Anspruch genommen worden.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Frankfurt a. M. (Az.: 2-3 O 128/13) hatte die Klage des Kosmetikunternehmen mit der Begründung abgewiesen, die in den Vertriebsverträgen mit dem Einzelhändler enthaltene Regelung, die jedweden Vertrieb über Online-Plattformen Dritter verbietet, verstoße gegen das in § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV normierte Kartellverbot. Darüber hinaus urteilte das Landgericht Frankfurt a. M., das pauschale Verbot des Vertriebs über Online-Plattformen Dritter stelle eine unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar, sodass eine Gruppenfreistellung nach § 2 GWB bzw. Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht in Betracht komme.
Auf die Berufung des Kosmetikunternehmens hin hatte das OLG Frankfurt a. M. wegen des europarechtlichen Bezugs der für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfragen den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Im Wesentlichen sollte der EuGH die Frage beantworten, ob ein Plattformverbot in selektiven Vertriebssystemen zur Absicherung eines „Luxusimages“ vereinbart werden kann oder ob ein derartiges Verbot stets als wettbewerbsbeschränkend im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Darüber hinaus bat das OLG Frankfurt a. M. den EuGH um die Beantwortung der Frage, ob ein pauschales Plattformverbot als unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 lit. b bzw. lit. c Vertikal-GVO zu qualifizieren sei, mit der Folge, dass eine Gruppenfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht in Betracht kommt.
In seinen Schlussanträgen vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass unter bestimmten Umständen ein Plattformverbot in selektiven Vertriebssystemen zur Absicherung eines „Luxusimages“ vereinbart werden kann.
Zur Begründung weist der Generalanwalt zunächst darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH selektive Vertriebssysteme, die – wie vorliegend das System des Kosmetikunternehmens – auf den Vertrieb von Luxuswaren gerichtet sind und primär der Wahrung eines „Luxusimages“ dienen, nicht von vorneherein unter das Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, sofern die nachfolgenden Kriterien erfüllt sind: Erstens muss die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Zweitens muss die Natur der betreffenden Waren einschließlich ihres „Luxusimages“ zur Wahrung ihrer Qualität und zur Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs einen selektiven Vertrieb erfordern. Drittens dürfen die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.
In Bezug auf die streitgegenständliche Klausel, nach der das Kosmetikunternehmen seinen autorisierten Händlern untersagt, bei Internetverkäufen der Vertragswaren nach außen erkennbar Online-Plattformen Dritter einzuschalten, vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass auch eine solche Regelung nicht von vorneherein unter das Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV falle, sofern die drei vorgenannten Kriterien erfüllt sind.
Hierbei ist der Generalanwalt im Hinblick auf die Rechtfertigung des streitgegenständlichen Verbots der Ansicht, dieses sei im Grundsatz dazu geeignet, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern. Das Verbot könne nämlich das „Luxusimage“ der betreffenden Waren in verschiedener Hinsicht wahren. So gewährleiste es nicht nur, dass die Waren in einer Umgebung verkauft werden, die den von der Spitze des Vertriebssystems gestellten Qualitätsanforderungen entspricht, sondern erlaube auch, sich gegen Phänomene des Parasitismus zu wappnen und zu verhindern, dass die vom Anbieter und anderen autorisierten Händlern zur Verbesserung der Qualität und des Ansehens der betreffenden Waren unternommenen Investitionen und Anstrengungen anderen Unternehmen zugutekommen.
Ferner weist der Generalanwalt darauf hin, dass das Kosmetikunternehmen gerade kein absolutes Verbot des Online-Verkaufs der Vertragswaren vorgesehen, sondern ihren autorisierten Händlern lediglich vorgeschrieben habe, die Vertragswaren nicht über Online-Plattformen Dritter zu vermarkten, da diese nicht verpflichtet seien, die qualitativen Anforderungen zu erfüllen, die es seinen autorisierten Händlern vorgebe. Die streitige Klausel erhalte den autorisierten Händlern daher die Möglichkeit, die Vertragswaren über ihre eigenen Internetseiten zu vertreiben. Zudem verbiete sie es ihnen nicht, nach außen nicht erkennbar Drittplattformen für den Vertrieb der Vertragswaren zu nutzen.
In diesem Zusammenhang stellt der Generalanwalt klar, dass nach den Ergebnissen der Sektoruntersuchung der Europäischen Kommission zum elektronischen Handel im aktuellen Stadium der Entwicklung des elektronischen Handels die eigenen Online-Verkaufsstellen der Händler der bevorzugte Vertriebskanal im Internet seien. Daher lasse sich das an die autorisierten Händler gerichtete Verbot, nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ungeachtet der zunehmenden Bedeutung dieser Plattformen bei der Vermarktung der Vertragswaren zum gegenwärtigen Stand der Entwicklung des elektronischen Handels nicht mit einem völligen Verbot oder einer wesentlichen Beschränkung des Verkaufs über das Internet vergleichen.
Was die Verhältnismäßigkeit der Klausel betrifft, sind nach Auffassung des Generalanwalts keine Aspekte ersichtlich, die den Schluss zuließen, dass das streitgegenständliche Verbot zum jetzigen Zeitpunkt allgemein als in einem Missverhältnis zum angestrebten Ziel stehend anzusehen wäre. Insbesondere könne die Einhaltung qualitativer Vorgaben, die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems in legitimer Weise verlangt werden kann, nur wirksam gewährleistet werden, wenn die Umgebung des Online-Verkaufs von autorisierten Händlern, die vertraglich an den Hersteller gebunden sind, und nicht von einem Drittbetreiber, dessen Praktiken sich dem Einfluss des Herstellers entziehen, gestaltet wird.
Schließlich ist der Generalanwalt hinsichtlich der weiteren vom OLG Frankfurt a. M. aufgeworfenen Fragestellung, ob ein pauschales Plattformverbot als unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 lit. b bzw. lit. c Vertikal-GVO zu qualifizieren sei, der Auffassung, dass ein solches Verbot keine Kernbeschränkung im Sinne der Vertikal-GVO darstellt, so dass es nicht von vorneherein vom Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist. Bei dem streitgegenständlichen Verbot handele es sich weder um eine Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO noch um eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO.
Sollte der EuGH – wie in der Vergangenheit häufig – den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, wäre die bislang umstrittene Frage der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Plattformverboten im Rahmen zulässiger selektiver Vertriebssysteme höchstrichterlich und europaweit geklärt.
Das Bundeskartellamt hatte Beschränkungen in Vertriebsverträgen, die dem Händler verboten, Vertragswaren auch über Internetplattformen wie eBay oder Amazon zu vertreiben, in der Vergangenheit stets als unzulässig erachtet, während die diesbezügliche Rechtsprechung bis dato uneinheitlich war. Zum Teil billigten die Gerichte im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems den Ausschluss des Vertriebs über die Online-Plattformen Dritter, teilweise sahen sie in vergleichbar gelagerten Fall ein solches Vertriebsverbot auch in einem selektiven Vertriebssystem als unzulässig an. Die Europäische Kommission hingegen hatte im Rahmen der auch vom Generalanwalt in Bezug genommenen Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel zuletzt mitgeteilt, dass ihrer Auffassung nach „Marktplatzverbote nicht als Kernbeschränkungen im Sinne von Artikel 4 lit. b Vertikal-GVO und Artikel 4 lit. c Vertikal-GVO angesehen werden sollten“.
Für die betroffenen Unternehmen würde dies Rechtssicherheit bedeuten. Möglicherweise würden die Unternehmen in Zukunft noch stärker bestrebt sein, ihren Vertrieb als selektives Vertriebssystem auszugestalten, um auf diese Weise Einfluss auf den Vertrieb ihrer Waren im Internet nehmen zu können. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, für die aufgrund ihrer Marktanteile in den jeweils relevanten Märkten eine Gruppenfreistellung nach der Vertikal-GVO in Betracht kommt. Denn sollte der EuGH der Ansicht des Generalanwalts, dass es sich bei einem Plattformverbot weder um eine Beschränkung der Kundengruppe des Händlers im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO noch um eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO handelt, anschließen, könnte jedenfalls im Anwendungsbereich der Vertikal-GVO ein Plattformverbot in vielen Fällen rechtlich zulässig vereinbart werden.
Dr. Guido Jansen |
Benjamin Schwenker |
Je nach Eigentümer eines Waldes unterscheidet man in Deutschland zwischen Staatswald (gehört dem Bund oder einem Land), Körperschaftswald (gehört einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wie z.B. einer Gemeinde) und Privatwald. Wirtschaftlich genutzt werden Wälder unter anderem durch den Verkauf von Baumstämmen (Rundholz) an Sägewerke. Das Rundholz aus den Forsten des Landes Baden-Württemberg verkaufte das Land selbst. Es hatte zudem mit zahlreichen Körperschafts- und Privatwaldbesitzern in Baden-Württemberg vereinbart, auch deren Rundholz zu vermarkten und so ein einheitliches Angebot für das gesamte Holz zu schaffen. Der kartellrechtliche Kern des Falles war also eine das Angebot und die Preise vereinheitlichende Vermarktungskooperation von Wettbewerbern. Das Land erbrachte zudem weitere Dienstleistungen für Waldbesitzer, wie z.B. die Erstellung von Betriebsplänen.
Je nach Eigentümer eines Waldes unterscheidet man in Deutschland zwischen Staatswald (gehört dem Bund oder einem Land), Körperschaftswald (gehört einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wie z.B. einer Gemeinde) und Privatwald. Wirtschaftlich genutzt werden Wälder unter anderem durch den Verkauf von Baumstämmen (Rundholz) an Sägewerke. Das Rundholz aus den Forsten des Landes Baden-Württemberg verkaufte das Land selbst. Es hatte zudem mit zahlreichen Körperschafts- und Privatwaldbesitzern in Baden-Württemberg vereinbart, auch deren Rundholz zu vermarkten und so ein einheitliches Angebot für das gesamte Holz zu schaffen. Der kartellrechtliche Kern des Falles war also eine das Angebot und die Preise vereinheitlichende Vermarktungskooperation von Wettbewerbern. Das Land erbrachte zudem weitere Dienstleistungen für Waldbesitzer, wie z.B. die Erstellung von Betriebsplänen.
Die Sägewerk- und Holzindustrie hatte sich bereits im Jahr 2001 beim BKartA über die gemeinsame Vermarktung beschwert. Das Verfahren endete 2008 mit Verpflichtungszusagen des Landes (§ 32b Abs. 1 S.1 GWB). Unter anderem sollte das Land die gemeinsame Vermarktung von Holz und die Erbringung forstwirtschaftlicher Dienstleistungen künftig nur mit Waldeigentümern vereinbaren, deren Fläche eine bestimmte Größenordnung nicht überstieg. Forstbetriebe mit einer größeren Fläche sollten von diesem System ausgeschlossen sein. Das BKartA erwartete dadurch mehr Wettbewerb bei der Produktion und Vermarktung von Rundholz.
Allerdings gingen in den Folgejahren mehrere Beschwerden beim BKartA ein. Weitere Ermittlungen, unter anderem Befragungen von mehr als 300 Sägewerken, zeigten, dass die Zusagen aus dem Jahr 2008 das Ziel einer wettbewerblichen Angebotsstruktur nicht erreichen konnten. Das Amt hob den alten Zusagenbeschluss daher im Jahr 2015 mit Wirkung für die Zukunft auf und erließ einen zweiten Beschluss, mit dem es dem Land die gemeinsame Vermarktung von Rundholz und die Erbringung von Dienstleistungen für die Wettbewerber – wie etwa deren Betriebsplanung – untersagte (§ 32 Abs. 1 GWB). Dem Land waren damit Vermarktungs- und Dienstleistungskooperationen nicht wie zuvor nur mit größeren, sondern auch mit kleineren Wettbewerbern untersagt (für Kleinstflächen bis 100 ha sah das Amt kein Problem). Den Untersagungsbeschluss griff das Land vor dem OLG Düsseldorf an.
Das Land meinte, wenn das BKartA die Verpflichtungszusagen per Beschluss akzeptiert habe, sei es weder befugt, weiter zu ermitteln, noch dürfte es den Beschluss aufheben, da sich der Sachverhalt gegenüber dem Jahr 2008 nicht geändert habe. Das OLG sah dies anders. Zwar lege § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB fest, dass ein Zusagenbeschluss aufgehoben werden dürfe, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für den Beschluss wesentlichen Punkt nachträglich geändert hätten. Dafür sei es aber nicht notwendig, dass sich die Sachlage objektiv geändert habe. Es genüge vielmehr, dass die Behörde erst nachträglich von solchen Umständen Kenntnis erlange, die zum Zeitpunkt der Beschlussverkündung bereits vorgelegen hätten. Diese Kenntnisse hatte das BKartA erst durch seine Ermittlungen im zweiten Verfahren (dasjenige, das mit der Untersagungsverfügung endete) erhalten. Die Ansicht des OLG zum speziellen Kartellverwaltungsverfahrensrecht (§ 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB) stimmt mit der Praxis des BVerwG zur Aufhebung von Verwaltungsakten im allgemeinen Verwaltungsrecht (§§ 48 ff. VwVfG) überein. Den Zusagenbeschluss durfte das BKartA demnach aufheben; er stand dem Untersagungsbeschluss nicht entgegen.
Die gemeinsame Vermarktung erfüllte nach Ansicht des OLG die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Auch ein Land könne ein Unternehmen i.S.d. des Kartellverbots sein – hier werde es als Unternehmen tätig, das Holz verkaufe und Dienstleistungen an Wettbewerber erbringe. Der gemeinsame Vertrieb bezwecke eine spürbare Verzerrung des Wettbewerbs der Holzanbieter. Beim Angebot forstwirtschaftlicher Dienstleistungen werde der Geheimwettbewerb beschränkt. Denn die Dienstleistungen hätten Einfluss darauf, wer wieviel Holz und zu welcher Qualität auf den Markt bringe. Zudem vertieften diese Dienstleistungen die durch die Bündelung des Rundholzangebots bezweckte Wettbewerbsbeschränkung.
Gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV gilt das EU-Kartellverbot eingeschränkt für sogenannte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, mit deren Erbringung Unternehmen betraut worden sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen aber nach Ansicht des OLG nicht vor. Bei der gemeinsamen Rundholzvermarktung handele es sich nicht um eine solche Dienstleistung, weil sie nicht mit Gemeinwohlverpflichtungen verbunden sei. Zudem seien die Tätigkeiten dem Land nicht durch einen Betrauungsakt auferlegt worden.
Der deutsche Gesetzgeber hatte während des laufenden OLG-Verfahrens – im Januar 2017 – eine neue Vorschrift in das Bundeswaldgesetz eingefügt. Danach liegen die Voraussetzungen einer Freistellung vom deutschen Kartellverbot (§ 2 GWB) für bestimmte forstwirtschaftliche Vereinbarungen vor. Im Ergebnis handelt es sich also um eine gesetzliche Ausnahme vom Kartellverbot. Eine Freistellung vom EU-Kartellverbot (Art. 101 Abs. 3 AEUV) kann der deutsche Gesetzgeber aber nicht verfügen. Daher nahm er in das Bundeswaldgesetz eine weitere Vorschrift auf, gemäß der für bestimmte forstwirtschaftliche Vereinbarungen das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen des EU-Rechts vermutet wird (§ 46 Abs. 2 BWaldG). Das OLG ließ im Ergebnis offen, ob der Gegenstand der Vereinbarungen des Landes mit seinen Wettbewerbern unter § 46 Abs. 2 BWaldG fiel. Stattdessen stellt es fest, dass § 46 Abs. 2 BWaldG europarechtswidrig sei und daher nicht angewendet werden dürfe. Zum einen fehle dem deutschen Gesetzgeber dazu die Rechtssetzungskompetenz; diese liegt beim Rat der EU. Zum anderen widerspreche § 46 Abs. 2 BWaldG auch in materieller Hinsicht dem EU-Recht. Denn danach trage dasjenige Unternehmen, das sich auf die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV berufe, die Beweislast (Art. 2 S. 2 VO 1/2003). Zweifel gingen letztlich zu Lasten dieses Unternehmens. Anders § 46 Abs. 2 BWaldG, der vermute, dass die Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV vorliegen. Zwar könne diese Vermutung widerlegt werden, Zweifel gingen jedoch – abweichend von der europarechtlichen Vorgabe – zu Lasten der Kartellbehörde. In dem ihm vorliegenden Fall verneinte dann das OLG eine Freistellung, weil keine Effizienzgewinne ersichtlich waren.
Der Fall ruft eine altbekannte Rechtslage in Erinnerung: Kartellrecht gilt auch für die unternehmerischen Tätigkeiten der öffentlichen Hand, hier die eines Bundeslandes, und zwar unabhängig davon, ob der Staat durch eine Gesellschaft oder in einer anderen Rechtsform (z.B. durch eine Behörde) agiert.
Zu den generellen Themen der gemeinsamen Vermarktung und der Beeinträchtigung des Geheimwettbewerbs durch die Erbringung planerischer Leistungen für Wettbewerber liefert der OLG-Beschluss weiteres Anschauungsmaterial, aber keine über den Fall hinausgehenden Einsichten.
Interessant ist der gescheiterte Versuch des deutschen Gesetzgebers, durch eine Vermutungsregelung die Beweislast für das Vorliegen der EU-Freistellungsvoraussetzungen (Art. 101 Abs. 3 AEUV) von den Unternehmen auf die Kartellbehörde zu verlagern. Wie eine Ausschaltung des EU-Kartellverbots erreicht werden kann, zeigen hingegen die Regelungen für das Presse-Grosso. Dort hat der Gesetzgeber nicht an die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV angeknüpft, sondern die Tätigkeiten der Grossisten zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV erklärt. Der BGH hat dies als zulässig betrachtet (siehe Luther-Studie „Medienkartellrecht in Deutschland. Zur Praxis des Bundeskartellamts 2012 bis 2015“, S. 7).
Wichtig ist die Erkenntnis, dass ein Zusagenbeschluss den Unternehmen nicht die Gewähr gibt, ihr Vermarktungsmodell (oder jede andere dem BKartA in einem Zusagenverfahren vorgelegte Vereinbarung) sei legal oder gar dauerhaft kartellrechtlich abgesichert. Denn trotz unverändertem Sachverhalt darf das BKartA den Beschluss später aufheben. Dies setzt zwar voraus, dass dem Amt neue Erkenntnisse vorliegen. Dies kann aber leicht der Fall sein, wenn im Zusagenverfahren die Marktverhältnisse nicht vollständig aufgeklärt werden – im Rundhollzfall war, so das OLG, eine „umfassende Marktbefragung durch das Amt“ dem Zusagenbeschluss nicht vorangegangen. Daraus lässt sich die Empfehlung ableiten, dass Unternehmen in einem Zusagenverfahren eine weitestgehende Aufklärung des Sachverhalts und eine umfassende Sachverhaltskenntnis des BKartA anstreben sollten, um das Risiko einer späteren Aufhebung des Beschlusses zu verringern. Eine Freistellung vom Kartellverbot ist mit einem Zusagenbeschluss ohnehin nicht verbunden. So kommen etwa Schadensersatzforderungen von Abnehmern dessen ungeachtet in Betracht, insbesondere dann, wenn – wie hier – das OLG nachträglich einen Verstoß gegen das Kartellverbot feststellt. Der Beschluss des OLG ist nicht rechtskräftig, die Rechtsbeschwerde beim BGH ist anhängig.
Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London) |
Tim Börker |
Sanktionen gegen kartellbeteiligte Unternehmensangehörige in der Praxis des Bundeskartellamts
In früheren Beiträgen zum Speaker’s Corner haben wir uns mit Fragen beschäftigt, ob in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden soll (vgl. Newsletter 1/2014, S. 7) oder ob Gefängnisstrafen für Vorstände, Geschäftsführer und Mitarbeiter eines Unternehmens im deutschen Kartellrecht erforderlich sind (vgl. Newsletter 2/2014, S. 7). Eine solche Kriminalisierung des Kartellrechts wird seit längerer Zeit in Deutschland und Europa diskutiert. Die Pro- und Contra-Argumente hatten wir im damaligen Speaker’s Corner für unsere Leser dargestellt (vgl. Newsletter 2/2014, S. 7; vgl. nun auch aktuell Hombrecher, NZKart 2017, 143). Die Politik hat sich derweilen auf die Seite der Contra-Position geschlagen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum XX. Hauptgutachten der Monopolkommission darauf verwiesen, dass bereits das geltende Recht Möglichkeiten für eine wirksame Sanktionierung der verantwortlichen Personen bietet. Zum anderen hat sich die deutsche Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) unlängst gegen eine weitergehende strafrechtliche Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen im deutschen Kartellrecht ausgesprochen. Die gegenwärtige Rechtslage wurde als zweckmäßig und angemessen angesehen. Diese Einschätzung stützte sich insbesondere auf die Praxis des Bundeskartellamts bei der Verfolgung natürlicher Personen. Damit dürfte die Diskussion um eine weitergehende Strafbarkeit von Kartellverstößen im rechtspolitischen Raum vorerst ihr Ende gefunden haben. Aus diesem Grund wollen wir heute diese Praxis des Bundeskartellamts etwas näher beleuchten.
In früheren Beiträgen zum Speaker’s Corner haben wir uns mit Fragen beschäftigt, ob in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden soll (vgl. Newsletter 1/2014, S. 7) oder ob Gefängnisstrafen für Vorstände, Geschäftsführer und Mitarbeiter eines Unternehmens im deutschen Kartellrecht erforderlich sind (vgl. Newsletter 2/2014, S. 7). Eine solche Kriminalisierung des Kartellrechts wird seit längerer Zeit in Deutschland und Europa diskutiert. Die Pro- und Contra-Argumente hatten wir im damaligen Speaker’s Corner für unsere Leser dargestellt (vgl. Newsletter 2/2014, S. 7; vgl. nun auch aktuell Hombrecher, NZKart 2017, 143). Die Politik hat sich derweilen auf die Seite der Contra-Position geschlagen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum XX. Hauptgutachten der Monopolkommission darauf verwiesen, dass bereits das geltende Recht Möglichkeiten für eine wirksame Sanktionierung der verantwortlichen Personen bietet. Zum anderen hat sich die deutsche Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) unlängst gegen eine weitergehende strafrechtliche Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen im deutschen Kartellrecht ausgesprochen. Die gegenwärtige Rechtslage wurde als zweckmäßig und angemessen angesehen. Diese Einschätzung stützte sich insbesondere auf die Praxis des Bundeskartellamts bei der Verfolgung natürlicher Personen. Damit dürfte die Diskussion um eine weitergehende Strafbarkeit von Kartellverstößen im rechtspolitischen Raum vorerst ihr Ende gefunden haben. Aus diesem Grund wollen wir heute diese Praxis des Bundeskartellamts etwas näher beleuchten.
Nach derzeitiger Rechtslage sind nur Submissionsabsprachen strafbewehrt und können mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden (§ 298 StGB). Außerhalb dieses Anwendungsbereichs obliegt jedoch die Verfolgung von Kartellrechtsverstößen (unabhängig von Art und Gewicht des Verstoßes) ausschließlich dem Bundeskartellamt. Für natürliche Personen hat das Bundeskartellamt dafür immerhin einen einschlägigen Bußgeldrahmen für bis zu EUR 1 Mio. zur Verfügung.
Das Bundeskartellamt hat in den Jahren 2008 bis 2016 in 333 Fällen betreffend 35 Verfahren insgesamt rund EUR 25 Mio. Bußgeld gegen natürliche Personen verhängt. Die Höhe der Einzelbußgelder reicht von EUR 500 (eher symbolisches Bußgeld) bis EUR 800.000. Wesentliche Parameter der Bußgeldbemessungen sind die Schwere des Tatbeitrags einerseits und die Vermögensverhältnisse des Täters andererseits. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Sanktionierungspraxis gegen natürliche Personen durch das Bundeskartellamt in den Jahren 2008 bis 2016 wieder:
Jahr | Anzahl der gegen nat. Personen verhängten Geldbußen | Höhe der jährlichen Gesamtbußgelder, die gegen nat. Personen verhängt wurden | Durchschnittliches |
2008 | 41 | EUR2.721.000 | EUR66.000 |
2009 | 28 | EUR1.504.000 | EUR54.000 |
2010 | 27 | EUR2.053.000 | EUR76.000 |
2011 | 32 | EUR2.470.000 | EUR77.000 |
2012 | 38 | EUR1.585.000 | EUR42.000 |
2013 | 57 | EUR2.810.000 | EUR49.000 |
2014 | 81 | EUR8.968.000 | EUR111.000 |
2015 | 24 | EUR2.183.000 | EUR91.000 |
2016 | 5 | EUR102.000 | EUR20.000 |
2008-2016 gesamt | 333 | EUR24.394.000 | EUR73.000 |
jährlicher Durchschnitt | 37 | EUR2.710.000 |
Das Jahr 2014 ragt eindeutig heraus, und zwar sowohl bei den Gesamtbußgeldern wie auch bei den durchschnittlichen Einzelbußgeldern. Dies hat damit zu tun, dass in diesem Jahr große Kartelle (Zucker, Bier, Wurst etc.) bebußt wurden. In diesem Jahr erreichte das Bundeskartellamt auch ein Gesamtbußgeldvolumen von mehr als EUR 1 Mrd. gegen Unternehmen.
Aus der Tabelle lässt sich ablesen, dass die Sanktionierung natürlicher Personen in Verfahren des Bundeskartellamts keinen Einzelfall darstellt. Außerdem konzentrieren sich die Bebußungen nicht nur auf die kartellbeteiligten Geschäftsführer/Vorstände der größeren Unternehmen. Vielmehr hat das Bundeskartellamt zumindest die „täterschaftlich“ handelnden verantwortlichen Personen in einem Kartell möglichst flächendeckend bebußt. In lediglich 20 % der Horizontal-Kartellfälle wurden gegen natürliche Personen keine Geldbußen verhängt. Dabei handelte es sich meist um kleine Verfahren.
Für die Betroffenen werden die persönlich verhängten Bußgelder aus drei Gründen immer bedeutsamer:
Zu diesem Thema interessiert uns Ihre Meinung:
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA) |
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Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Kommission sich bei kartellrechtlichen Untersuchungen zu Beweiszwecken auch auf Dokumente stützen darf, die ihr von anderen als den nationalen Kartellbehörden zur Verfügung gestellt wurden. Die Kommission hatte im Oktober 2011 gegen die Pacific Fruit Group ein Bußgeld wegen der Beteiligung an einem Kartell mit Chiquita ausgesprochen, welches die Absprache von Preisen für Bananen in Griechenland, Italien und Portugal betraf. Im Rahmen der Untersuchung des Kartells hatte die Kommission Kopien bestimmter Dokumente von der italienschien Finanzpolizei erhalten. Das Gericht bestätigte die Zulässigkeit von Beweismitteln welche der Kommission von nationalen Behörden zur Verfügung gestellt werden, solange die Überlassung mit nationalem Recht vereinbar sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die entsprechenden Beweismittel von anderen als den nationalen Kartellbehörden zu einem anderen Zweck ermittelt wurden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) aufgehoben, mit dem die von der Kommission gegen Intel wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verhängte Geldbuße in Höhe von rund EUR 1 Mrd. bestätigt worden war. Der EuGH hat entschieden dass, Treuerabatte zwar bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Per-se-Verstößen darstellen, bei denen eine wettbewerbswidrige Wirkung grundsätzlich vermutet werde. Er betonte aber auch, dass diese widerlegbar sei. Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizierende Praxis tatsächlich keine wettbewerbswidrigen Effekte habe, seien die Wirkungen näher zu prüfen und ein Verstoß unter Umständen zu verneinen. Obwohl die Kommission eine solche Prüfung der wettbewerbsschädigenden Auswirkungen in ihrer Bußgeldentscheidung vorgenommen hatte, wurden diese vom EuG nicht überprüft.
Die Europäische Kommission hat Amazons Vorschläge zur Beseitigung kartellrechtlicher Bedenken gegen den Vertrieb von e-books betreffende Vertragsklauseln akzeptiert. Die Kommission hatte im Juni 2015 Untersuchungen aufgenommen, weil Amazons Vertriebsverträge sog. Meistbegünstigungsklauseln enthielten. Diese verpflichten die Händler Amazon mit anderen Wettbewerbern gleichzustellen bzw. zu informieren, wenn diese bessere Konditionen erhielten. Neben den vereinbarten Preisen ist händlerseitig auch offenzulegen, wie andere Wettbewerber sich beispielsweise durch alternative Vertriebsmodelle, innovative e-books oder das Marketing von Amazon absetzen. Die Kommission geht davon aus, dass dies sowohl den Wettbewerb zwischen Amazon und anderen Anbietern als auch zwischen den Händlern beeinträchtige. Diesen Bedenken begegnete Amazon nun mit einer bindenden Verpflichtungserklärung. Diese sieht vor, dass Amazon die Klauseln weder durchzusetzen noch in zukünftigen Verträgen verwenden wird. Darüber hinaus soll eine Kündigungsmöglichkeit für Verträge mit sog. Discount Pool Provisions geschaffen werden, welche Preisnachlässe für e-books mit dem Einzelhandelspreis auf einer konkurrierenden Plattform verbindet. Die Kommission hat mittlerweile der Ernennung von Advolis als Überwachungstreuhänder zugestimmt.
Die Europäische Kommission hat alle Interessenträger zur Stellungnahme bezüglich der Verpflichtungszusagen aufgerufen, die der russische Staatskonzern Gazprom in Bezug auf die Gasmärkte in Mittel- und Osteuropa angeboten hat. Im April 2015 warf die Kommission Gazprom in einer Mitteilung von Beschwerdepunkten vor, eine Gesamtstrategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte zu verfolgen. Insbesondere nutze Gazprom seine marktbeherrschende Stellung in mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern dazu aus, Abnehmern territoriale Beschränkungen bei der Gasbelieferung aufzuzwingen. Diese führten zu einer Behinderung und Zersplitterung des Marktes für Erdgas in Mittel- und Osteuropa, welche Gazprom in die Lage versetze, systematisch überhöhte Preise zu fordern. Gazprom regierte hierauf mit umfassenden Verpflichtungszusagen, die nach Auffassung der Kommission wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen Gazproms Geschäftspraktiken umfassend ausräumen. Die Kommission wird unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen eine abschließende Entscheidung über die Annahme der Verpflichtungszusagen fällen. Der vollständige Wortlaut der Verpflichtungszusagen ist auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission abrufbar.
Die Europäische Kommission hat im Mai 2017 Untersuchungen gegen Aspen Pharma aufgenommen. Dem Pharmaunternehmen wird vorgeworfen, bei der Preissetzung von Medikamenten zur Krebsbehandlung seine marktbeherrschende Stellung zur Durchsetzung von nicht gerechtfertigte Preiserhöhungen von mehreren hundert Prozent ausgenutzt zu haben. Hierzu soll Aspen gegenüber Abnehmern der betroffenen Medikamente angedroht und in einigen Fällen auch in die Tat umgesetzt haben, dass diese in dem jeweiligen Mitgliedstaat vom Markt genommen werden. Die Untersuchung der Kommission erstreckt sich auf alle Mitgliedsstaaten außer Italien, wo die örtliche Kartellbehörde bereits am 29. September 2016 einen Kartellverstoß festgestellt hatte.
Der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments soll am 4. Dezember 2017 über den Richtlinienentwurf zur Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden abstimmen, den die Kommission am 22. März 2017 veröffentlicht hatte. Bereits seit mehreren Jahren arbeiten Kommission und nationale Wettbewerbsbehörden im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN) an einer Annäherung der nationalen Systeme zur Durchsetzung des EU-Kartellrechts. Dennoch bestehen insbesondere bei der Zusammenarbeit mehrerer nationaler Kartellbehörden Anwendungsschwierigkeiten, die zu divergierenden Untersuchungsergebnissen sowie zu Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen führen können. Die Richtlinie soll eine einheitliche Durchsetzung des EU-Kartellrechts durch die nationalen Kartellbehörden gewährleisten. Hierzu sieht der Entwurf bei Wahrung der Unabhängigkeit der nationalen Behörden stärkere Durchsetzungsbefugnisse, ein einheitliches Instrumentarium zur Aufdeckung und Ahndung von Verstößen, Regeln zur Haftung von Muttergesellschaften bei Verstößen ihrer Töchter und zur Haftung des Rechtsnachfolgers vor. Ferner ist eine Harmonisierung der Kronzeugenregelungen vorgesehen, die einen Anreiz für Unternehmen schaffen sollen, in einem oder auch mehreren Ländern Beweise für rechtswidrige Kartelle vorzulegen.
Die Europäische Kommission hat nach längeren Ermittlungen gegen Facebook ein Bußgeld in Höhe von EUR 110 Mio. für falsche oder irreführende Angaben während des Fusionskontrollverfahrens im Rahmen der Whatsapp-Übernahme im Jahr 2014 ausgesprochen. Auf Anfrage der Kommission während der Fusionskontrolle hatte Facebook seinerzeit behauptet, dass ein Abgleich der Benutzerkonten zwischen Facebook und Whatsapp technisch nicht möglich sei. Im Jahr 2016 hatte Facebook dann allerdings bekanntgegeben, die Telefonnummern von Facebook und Whatsapp zu verknüpfen. Die Kommission ermittelte daraufhin und kam zu dem Ergebnis, dass Facebook bereits 2014 entgegen der damaligen Aussage die technische Möglichkeit zum Abgleich der Benutzerkonten bestand und Facebook bekannt war. Die Freigabe der Whatsapp-Übernahme als solche bleibt demgegenüber von der Bußgeldentscheidung unberührt. Die Kommission entschied hierzu, dass die irreführende Angabe Facebooks bezüglich der Benutzerkonten zwar mitursächlich für die Freigabe der Übernahme, aber nicht allein entscheidend war. Die damalige Freigabeentscheidung sei insoweit auch unter dem Szenario des Bestehens einer technischen Möglichkeit zum Kontenabgleich geprüft worden.
Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung von Beschwerdepunkten dem niederländischen Telekommunikationsunternehmen Altice vorgeworfen, im Rahmen des Erwerbs des Telekommunikationsnetzbetreibers PT Portugal im Jahr 2015 gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot verstoßen zu haben. Altice sei bereits im Unternehmenskaufvertrag mit dem brasilianischen Telekommunikationsunternehmen Oi weitreichender Einfluss auf dessen Tochterunternehmen eingeräumt worden. Dieser sei bereits vor der Fusionsfreigabe und teilweise sogar schon vor deren Anmeldung bei der Kommission auch tatsächlich ausgeübt worden. Nach Mitteilung der Beschwerdepunkte erhält die Altice nun Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor eine endgültige Entscheidung der Kommission erfolgt.
Die Kommission hat im Fusionskontrollverfahren Monsanto/Bayer die Phase II eingeleitet, um die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer nach der EU-Fusionskontrollverordnung zu würdigen. Die Kommission ist besorgt darüber, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb in Bereichen wie Pestiziden, Saatgut und agronomischen Merkmalen beeinträchtigen könnte. Die geplante Übernahme von Monsanto (USA) durch Bayer (Deutschland) würde das weltweit größte integrierte Pestizid- und Saatgut-Unternehmen schaffen. Dadurch kämen zwei Wettbewerber mit führenden Portfolios bei Totalherbiziden, Saatgut und agronomischen Merkmalen sowie in der digitalen Landwirtschaft zusammen. Beide Unternehmen arbeiten an neuen Produkten in diesen Bereichen. Darüber hinaus würde der Zusammenschluss in weltweit bereits konzentrierten Branchen stattfinden, wie die jüngsten Zusammenschlüsse von Dow und Dupont sowie Syngenta und ChemChina gezeigt haben, bei denen die Kommission mit Blick auf den Wettbewerbsschutz von Landwirten und Verbrauchern intervenierte. Wie am 5. Oktober 2017 bekannt wurde, hat die Kommission nunmehr die „Uhr angehalten“, um weitere Informationen abzufragen, nachdem sie die Frist zur Entscheidung kurz zuvor bis zum 22. Januar 2018 verlängert hatte.
Die Kommission hat eine Rekord-Geldbuße von 2,42 Mrd. EUR gegen Google verhängt, da das Unternehmen gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstoßen hat. Google habe seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst systematisch am besten platziert und konkurrierende Preisvergleichsdienste in seinen Suchergebnissen benachteiligt habe (Google Shopping Fall). Google hat im September 2017 gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Bezüglich der Höhe handelt es sich um das höchste Bußgeld wegen eines Kartellvergehens in der EU-Geschichte.
Die Europäische Kommission hat im Nachgang ihrer „Sektoruntersuchung E-Commerce“ Kartellverfahren gegen Nike, Sanrio und Universal Studios eröffnet. Die Unternehmen stehen unter dem Verdacht, Händler davon abgehalten zu haben, lizensierte Merchandise-Produkte grenzüberschreitend und online innerhalb der EU anzubieten. Bereits zuvor hatte die Europäische Kommission - ebenfalls vor dem Hintergrund ihrer „Sektoruntersuchung E-Commerce“ - ein Kartellverfahren gegen den Bekleidungshersteller Guess eröffnet. Diesem wird unter anderem vorgeworfen, Einzelhändler kartellrechtswidrig davon abzuhalten, online an Verbraucher oder Einzelhändler in anderen Mitgliedsstaaten zu veräußern.
Das OLG Düsseldorf hat eine Beschwerde des Pay-TV-Senders Sky gegen das Vergabe von Ausstrahlrechten betreffende Alleinerwerbsverbot als unzulässig abgewiesen. Seit dem letzten Jahr ist es der Deutschen Fußball Liga nicht mehr erlaubt, die Ausstrahlrechte exklusiv nur an einen Anbieter zu vergeben. Hiergegen wandte sich Sky mit seiner Beschwerde, die jedoch aus formalen Gründen als unzulässig abgewiesen wurde. Die Richter äußerten in der mündlichen Verhandlung ihr Erstaunen über den Versuch, mit dem Kartellrecht ein Monopol durchzusetzen zu wollen. In einem Beschluss empfahl das Gericht dem Bundeskartellamt vor der nächsten Ausschreibung eine vollständige Rechts- und Sachprüfung bezüglich des Alleinerwerbsverbots durchzuführen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Beschwerden von EDEKA und Kaiser´s Tengelmann gegen die Untersagung der Fusion der Supermarktketten durch das Bundeskartellamt als unbegründet zurückgewiesen. Das Bundeskartellamt hatte in seiner Entscheidung vom April 2015 auf der Grundlage einer umfassenden Analyse des Lebensmitteleinzelhandels festgestellt, dass der Zusammenschluss zu verschlechterten Wettbewerbsbedingungen in verschiedenen deutschen Städten führen würde. Wirtschaftsminister Gabriel hatte die Fusion unter Auflagen aus Gründen von „Arbeitsplatzerhalt und Beschäftigungssicherung“ sowie „Erhalt der Arbeitnehmerrechte“ nach dem Institut der sog. Ministererlaubnis dennoch zugelassen. Sowohl EDEKA als auch Kaiser´s Tengelmann hatten nach der Ministererlaubnis weiter an ihren Beschwerden festgehalten, um feststellen zu lassen, dass die Untersagungsverfügung des Amtes rechtswidrig war. Zum einen wollten sie die Verfügung als Präzedenzfall für die Zukunft „aus der Welt schaffen“. Zum anderen gaben sie an, im Falle einer Aufhebung der Entscheidung Schadensersatzansprüche gegen das Bundeskartellamt zu prüfen. Das OLG Düsseldorf stellte sich nun auf die Seite des Bundeskartellamts. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, erklärte, dabei habe dem Gericht bereits der Befund ausgereicht, dass es jedenfalls in Berlin zu einer marktbeherrschenden Stellung von EDEKA und Kaiser’s Tengelmann gekommen wäre. Die umfangreichen Begründungen des Bundeskartellamts zu weiteren Absatz- und Beschaffungsmärkten habe der Kartellsenat nicht mehr prüfen müssen.
Das Bundeskartellamt hat ein Preismissbrauchsverfahren gegen den Versorger SWB aufgenommen, der in der Region Bremen das Monopol für die Versorgung mit Trinkwasser inne hat. Derzeit prüft das Kartellamt, ob SWB diese Stellung dazu nutzt, seinen Kunden überhöhte Preise aufzuerlegen. Ein Vergleich mit den 38 größten deutschen Städten zeige, dass die Netto-Erlöse der SWB bereits in den Jahren 2012 und 2013 überdurchschnittlich erhöht gewesen seien. Zudem habe SWB 2014 eine deutliche Preissteigerung vorgenommen.
Das Bundeskartellamt hat das geplante Gemeinschaftsunternehmen zwischen dem größten deutschen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen EDEKA und dem Drogeriemarktunternehmen Budnikowsky freigegeben. Budnikowsky ist mit 181 Standorten ausschließlich in der Metropolregion Hamburg tätig. Die Unternehmen planen im nächsten Jahr die Beschaffung, IT, E-Commerce und Logistik Budnikowskys in eine eigenständige Gesellschaft auszugliedern, an der sich Edeka beteiligen wird. Der Betrieb der Drogeriefilialen bleibt hingegen weiter in der alleinigen Verantwortung Budnikowskys. EDEKA plant den bundesweiten Aufbau einer eigenen Drogeriekette, der durch die Zusammenarbeit erleichtert werden soll. Im Gegenzug kann Budnikowsky durch die Zusammenarbeit Beschaffungs- und Kostennachteile ausgleichen, die das Unternehmen gegenüber seinen um ein Vielfaches größeren Mitbewerbern hat. Das Kartellamt nahm den Fall zum Anlass nach längerer Zeit wieder eine umfassende Untersuchung der Drogeriemärkte durchzuführen. Die geplante Einkaufskooperation zwischen EDEKA und Budnikowsky sah das Kartellamt allerdings als unbedenklich an. EDEKA seien durch die Unternehmensbeteiligung erhebliche Einflussmöglichkeiten auf Budnikowsky eröffnet. Eine gegenseitige Rücksichtnahme sei aber nicht zu erwarten, da die beiden Unternehmen in keinem direkten Wettbewerbsverhältnis stünden. Dem eher kleinen Marktteilnehmer Budnikowsky würde durch das Vorhaben zudem ermöglicht, sich im gestiegenen und aggressiven Wettbewerbsdruck zu behaupten, der insbesondere durch die bundesweit tätigen Drogeriemärkte DM und Rossmann ausgeübt werde.
Das Bundeskartellamt hat ein Hinweispapier zum Preisbindungsverbot im stationären Lebensmitteleinzelhandel veröffentlicht. Das Hinweispapier soll die Vertikalleitlinien der Kommission im Hinblick auf im stationären Lebensmitteleinzelhandel gebräuchliche Praktiken ergänzen. Die finale Fassung des Hinweispapiers berücksichtigt zahlreiche Stellungnahmen, u. a. vom Markenverband, dem HDE sowie nationalen und internationalen Rechtsanwaltsorganisationen, die im Rahmen einer öffentlichen Konsultation eingegangen sind.
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